Im Schatten des Feldmarschalls: Geschichten aus dem Powder-Mage-Universum. Brian McClellan
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»Es ist nichts«, sagte Verundish leise. Constaire machte es ihr nicht leicht. Es wäre besser, wenn sie keinen Liebhaber hätte, niemanden, der sich ihren Tod zu Herzen nehmen würde. Das würde die Dinge einfacher machen. Sie tat einen tiefen Atemzug und rief sich ins Gedächtnis, dass das hier nur eine Soldatenliebe war. Früher oder später würde der Feldzug enden und sie beide nach Hause zurückkehren. Constaire würde sich eine jüngere Frau suchen, und Verundish würde zurückkehren in ein kaltes Haus mit einem verabscheuungswürdigen Ehemann.
Nun. Sie würde nicht dorthin zurückkehren müssen, wenn sie sich umbrächte.
Constaire ging auf ein Knie. »Lass dich von ihm scheiden«, sagte er. »Heirate mich. Ich werde gleich zum Major ernannt. Wir könnten nach Adopest zurückgehen und Genevie von diesem Monster befreien.«
Oh, dieser Narr. Er streute ihr bloß Salz in die Wunde. »Das meinst du nicht ernst.«
»Doch, tue ich. Todernst.«
Wenn es doch nur so einfach wäre. Aber das Leben, hatte ihre Mutter ihr immer gesagt, war niemals einfach. »Er wünscht sich eine Scheidung noch mehr als ich«, sagte Verundish.
»Perfekt! Beantrage eine Scheidung und heirate mich.«
»Weißt du, wer mein Vater ist?«
Constaire wirkte verblüfft. »Ich glaube, du hattest gesagt, er sei ein Priester.«
»Ja. Er ist der Priester, der uns getraut hat, und er würde die Papiere unterzeichnen müssen, die meine Scheidung rechtskräftig machen.«
Constaire machte ein langes Gesicht und ließ sich nach hinten sinken, bis er auf dem Boden ihres Zeltes saß. »Und er glaubt nicht an Scheidung. Ist es das?«
»Er denkt, dass es eine Sünde gegen Kresimir ist. Er denkt, dass es besser ist, dass ich diese Ehe durchstehe mit einem Mann, der mich betrügt und klaut und lügt und meiner Tochter Schläge androht, als geschieden zu werden.«
»Es tut mir leid, das sagen zu müssen, meine Liebe, aber dein Vater ist ein Narr.«
»Ich weiß. Ich habe ihm das bereits ins Gesicht gesagt. Du bist spät dran für dein Treffen mit dem General. Du gehst jetzt besser.« Sie lehnte sich nach vorne und berührte seine Knie, dann strich sie ihm mit dem Daumen über die Wange. »Komm wieder, wenn du durch bist, und dann feiern wir.«
Constaire verließ das Zelt mit den federnden Schritten eines jungen Mannes, dessen Welt rosig aussah. Verundish behielt ihr Lächeln im Gesicht, bis er weg war, dann ließ sie es fallen wie eine abgenutzte Maske.
Sie hob den Brief auf und las den letzten Absatz.
Dein Vater will immer noch nicht in die Scheidung einwilligen. Ich habe die Absicht, meine Geliebte bis Ende des Jahres zu heiraten. Entweder du sorgst dafür, dass wir geschieden werden, oder du bringst dich um. Wenn ich dich nicht innerhalb von drei Monaten los bin, werde ich das Mädchen an einen starländischen Sklavenhändler verkaufen.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber als sie Constaires Stimme vor ihrem Zelt ihren Namen rufen hörte, starrte Verundish den Brief immer noch an. Sie rührte sich und bemerkte das ferne Donnern der adronischen Artillerie, die auf die gurlische Festung Darjah einhämmerte. Sie konnte den Lärm ihrer Kampfgefährten hören, die sich auf das Abendessen vorbereiteten.
Sie hatte vorgehabt, bei Constaires Rückkehr deutlich weniger anzuhaben. Sie mühte sich zu lächeln. Das war das Mindeste, was sie tun konnte.
Moment. Etwas stimmte nicht. Constaire rief niemals mit ihrem vollen Namen nach ihr. Er war der Einzige in der Armee, der die Frechheit besaß, sie »Verie« zu nennen. Er war der einzige Mann in der Armee, dem sie das durchgehen lassen würde. Und sie konnte sich nicht an das letzte Mal erinnern, dass er gefragt hatte, bevor er ihr Zelt betreten hatte.
»Herein«, sagte sie.
Constaires übliches Lächeln war verschwunden, und seine Augen waren blicklos und gequält, als er hereinkam. Verundish hatte einen ähnlichen Gesichtsausdruck bei Männern gesehen, die bei Kanonenbeschuss eine Gliedmaße verloren hatten oder hatten zusehen müssen, wie ein Freund neben ihnen niedergeschossen wurde.
»Was ist los?«, fragte sie und verstaute ihre eigenen Sorgen in ihrem Hinterkopf. Sie würde heute Nacht noch genügend Zeit haben, sich zu erschießen, nachdem Constaire gegangen war.
»Darf ich mich setzen?«, fragte er. Sein Blick wich ihrem aus.
Verundish erinnerte sich an all die Male, in denen er in ihr Zelt gestürmt war und sie hochgehoben hatte und sie dann beide lachend auf ihrem Feldbett gelandet waren. Ihre Sorge vertiefte sich. »Natürlich.« Sie zog die Decken glatt, wobei sie die geladene Pistole unter ihrem Kissen unauffällig in ein besseres Versteck unter ihrem Feldbett legte.
Constaire setzte sich neben sie auf das Feldbett. Sie nahm seine Hand und bemerkte den starken Kontrast zwischen seiner zarten, weißen Haut und ihren dunklen, rauen Fingern. Constaire hatte in seinem ganzen Leben keinen Tag gearbeitet, aber Verundish machte ihm dafür keinen Vorwurf. Es war seine sorglose Art, die ihn für sie überhaupt erst attraktiv gemacht hatte.
»Sie haben mich dazu ausgewählt, das Himmelfahrtskommando gegen Darjah anzuführen«, sagte Constaire.
Verundish stockte der Atem. »Nein. Ich dachte, du warst für eine Beförderung vorgesehen!«
»Falls ich überlebe, werde ich zum Major befördert.« Ein müder Hauch eines Lächelns huschte ihm über die Lippen und verschwand wieder. Er neigte den Kopf nach vorne wie zum Gebet.
Das Himmelfahrtskommando. Die vorderste Stoßtruppe bei einem Sturmangriff auf eine feindliche Festung. Die Ersten, die durch die Bresche gingen und sich aufgepflanzten Bajonetten, Kanonen und Magie stellten. Mitglieder des Himmelfahrtskommandos überlebten nur selten die erste Salve, geschweige denn die Eroberung der Festung.
»Gibt es nichts, was du tun kannst?«, fragte Verundish.
Constaire schüttelte den Kopf. »Der Befehl kam direkt von General Tamas.« Sein Auge zuckte. »Ich glaube, ihm gefällt nicht, dass mein Vater mir diesen Offiziersposten erkauft hat.«
General Tamas war berüchtigt für seine Überzeugung, dass ein Offiziersrang verdient und nicht erkauft sein sollte. Er setzte Adlige häufig gefährlichen Situationen aus, um sie auf die Probe zu stellen. Seine Ansichten kamen den Bürgerlichen unter seinem Kommando zugute, und die Männer liebten ihn dafür. Aber das hier ging zu weit. Constaire würde sterben.
»Wieso ein Himmelfahrtskommando? Wieso jetzt?«
Constaire betrachtete seine Stiefel. »Feldmarschall Beravich hat befohlen, dass die Stadt unverzüglich eingenommen wird. Ich mag mir gar nicht vorstellen, welche Druckmittel er gegen General Tamas in der Hand hält.«
»Wann ist es so weit?«, fragte Verundish.
»In drei Tagen. Bis dahin verdoppeln wir den Artilleriebeschuss. Die Privilegierten sagen, dass sie eine Schwachstelle in der Mauer entdeckt haben und sie in der Nacht des Angriffs ausnutzen werden. Sie werden eine Bresche schlagen, die gerade groß genug ist, dass wir in die Festung eindringen können.«