Ewig schön. Jeff Strand
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Charlene war ziemlich sicher, dass das Mädchen gesagt hatte, ihr Name sei Gertie. Beim Vorstellen hatte sie gesagt: »Ja, wie Drew Barrymore in E.T.«, und wenn Drew in diesem Film jemanden namens Gertie gespielt hatte, dann musste die Neue so heißen. Charlene hatte E.T. nie gesehen und wäre nicht darauf gekommen, den Namen damit in Zusammenhang zu bringen. Stattdessen war ihr eine unglaublich unanständige Bemerkung über Aliens in den Sinn gekommen, doch erstens war Charlene auf der Arbeit und zweitens war sie Gertie gerade erst begegnet, also hatte sie sich zurückgehalten und den saukomischen, unfeinen Alien-Kommentar für sich behalten.
Darauf war sie stolz. Denn sonst sagte sie andauernd ungefiltert Dinge, die ihr gerade durch den Kopf gingen. Viele, viele Dinge.
Gertie war attraktiv, aber nicht Charlenes Typ. Sie bezweifelte, dass Gertie auch nur ein einziges Tattoo besaß. Charlene wurde lieber verführt, als selbst die Verführerin zu geben. Auch wenn es inzwischen, mit 26 Jahren, schwierig war, Momente zu erleben, in denen sie sagen konnte: »Um Himmels Willen, das habe ich ja noch nie gemacht!« Gertie machte einen unverdorbenen Eindruck. Nicht jungfräulich, aber auch niemand, der sich beim Liebesspiel würgen ließ. Durchschnittlich groß, aber extrem dünn – nicht, auf eine magersüchtige Weise, aber dennoch verdammt schlank. Wahrscheinlich kam sie frisch vom College und ihre Tränen waren der Erkenntnis geschuldet, dass ihr das vierjährige Studium einen Job als Bedienung in einem mittelmäßigen italienischen Restaurant eingebracht hatte.
»Ist alles okay?«, fragte Charlene. »Ich meine, offensichtlich nicht; war eine blöde Frage. Was ich sagen wollte ist, kann ich irgendetwas für dich tun?«
»Nein. Ich brauchte nur eine Minute für mich, und die Toilette war schon besetzt.«
»Bist du sicher?« Charlene wusste nicht, wieso sie überhaupt nachfragte, ob Gertie sicher war. Mist, sie hatte die Gelegenheit gehabt, sich höflich zurückzuziehen – wieso hatte sie diese nicht ergriffen?
Gertie nickte. »Ein Gast war gemein zu mir. Ist keine große Sache. Ich werde mich daran gewöhnen.«
»Welcher Tisch?«
»Acht.«
»Die Dame im blauen Kleid?«
»Ja, genau.«
»Die sieht aus wie eine Oberzicke. Weiß sie, dass du neu bist? Du hast doch bestimmt die ersten paar Tage unter Jasons Aufsicht bedient, oder?« Charlene hatte Dienstag und Mittwoch frei gehabt. Den gesamten Dienstag hatte sie vor dem Fernseher verbracht und Serien geschaut, und am Mittwoch ihren Eltern geholfen, deren Haus zu streichen.
»Ja. Es ging nicht mal darum, dass ich etwas durcheinandergebracht hätte. Sie ist einfach nur eine von denen, der einer abgeht, wenn sie andere runtermachen, die sich nicht wehren können. Aber ich sag ja, ist kein Ding. Ich war in letzter Zeit etwas durch den Wind und war nicht darauf eingestellt, dass es gleich so losgeht, wenn ich mit meiner Schicht anfange. Das war der allererste Tisch, den ich allein bedient habe.«
»Möchtest du, dass ich mich darum kümmere?«, fragte Charlene.
»Nein, das ist schon okay. Du hast doch deine eigenen Tische.«
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Was denn dann?«
»Wiedergutmachung.«
Gertie bedacht sie mit einem Blick, der sagte, du machst doch wohl Witze, aber dann schien ihr rasch aufzugehen, dass es Charlene ernst meinte.
»Oh, nein, nein, nein, das ist überhaupt nicht nötig. So schlimm war sie auch wieder nicht.«
»Sie hat dich zum Weinen gebracht.«
»Stimmt. Ja, doch, sie war echt schlimm. Sie kommt direkt aus der Hölle. Aber nein, du brauchst trotzdem nichts zu unternehmen.«
Charlene ging zu ihr hinüber. »Ich sag’s dir ganz ehrlich: Dieser Job ist Kacke und mir ist es egal, ob ich gefeuert werde. Also wird es mir ein Vergnügen sein, etwas gegen dein Problem zu unternehmen.«
»Ich will aber nicht, dass du Ärger bekommst.«
»Gerade habe ich doch gesagt, dass mir scheißegal ist, ob ich gefeuert werde. Ich werde ihr schon nicht mit der Gabel ein Auge ausstechen. Aber wenn ich etwas mache, wird es dir besser gehen, das verspreche ich.«
»Nein. Mach das nicht.«
»Tut mir leid. Der Zug ist abgefahren. Wenn du mich aufhalten willst, wirst du mich zu Boden ringen müssen.«
Charlene drehte sich um und verließ das Hinterzimmer. Sie ging zur Theke und nahm ein Tablett, das für Tisch 14 gedacht war, marschierte damit in den Gastraum. Sie steuerte auf Tisch 8 zu, wo eine Frau mittleren Alters saß, die aussah, als würde sie in ihrer Freizeit zum Spaß Delfine verprügeln. Ihr gegenüber saß ein weit älterer Mann, der aussah, als würde er ihr die Delfine besorgen, damit sie zum Spaß draufknüppeln konnte.
»Ihre Kellnerin musste wegen eines Notfalls in der Familie gehen«, informierte Charlene die beiden.
Die Frau schien verärgert über diese Aussage. Der Mann zuckte die Achseln und gab ein unverbindliches Brummen von sich.
»Wer bekommt die Lasagne?«
»Das ist nicht unsere Bestellung«, erwiderte die Frau. Sie hatte recht; es war nicht ihre Bestellung, aber die pampige Art, wie sie es sagte, machte zweifelsfrei klar, dass Gertie nicht übertrieben hatte, was ihr unangenehmes Wesen anging.
»Ist sie nicht?«, vergewisserte Charlene sich. »Sind Sie sicher?«
»Wir sind nicht senil. Wir wissen doch wohl selbst am besten, was wir bestellt haben.«
Charlene blickte sich kurz in Richtung Küche um. Gertie stand im Durchgang und beobachtete sie sehr genau. Sie wirkte nervös wegen dem, was Charlene womöglich tun würde. Es schien, als würde sie es jetzt bereuen, sie vorhin nicht doch zu Boden gerungen zu haben. Tja.
»Hm, mir wurde aufgetragen, Ihnen diesen Teller Lasagne zu bringen. Vielleicht habe ich mich auch verhört. Manchmal bin ich schrecklich zerstreut. Die sagen mir immer wieder, mir sollte man mal den Kopf zurechtrücken, doch höre ich deshalb besser hin? Nee. Mein Kopf sitzt immer noch schief. Sehen Sie?«
Sie legte den Kopf schief. Dann kippte sie den Teller mit der Lasagne und verschüttete alles über das Kleid der Frau.
»Oh nein!«, rief Charlene, während sich alle im Restaurant zu ihnen umdrehten und hinüberstarrten. »Oh je!«
»Verflucht nochmal!« Die Frau stand hastig auf. Tomatensauce, Käse und Pasta rutschten an ihrem Kleid hinab.
»Das tut mir schrecklich leid! Ich bin so ungeschickt!«
Charlene sah sich zu Gertie um. Die starrte erschrocken zurück, die Hand auf dem Mund. Charlene konnte nicht sagen, ob ihr der Aufruhr gefiel oder nicht Aber das spielte auch keine Rolle – er gefiel Charlene.
Sie stellte das Tablett ab, nahm eine Stoffserviette und tupfte damit am Kleid der Frau herum. »Zumindest waren es keine Spaghetti. Die wären viel glitschiger. Lassen Sie mich helfen.«
Die