TEXT + KRITIK 229 -Thomas Hürlimann. Группа авторов

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In der frühen Meisternovelle »Das Gartenhaus« kommt das »Verhängnis«,9 sprich die Handlung in Gang, als beim täglichen Friedhofsbesuch sich die Frau verabschiedet und statt ihrer hinter dem Grabstein des toten Sohnes eine Katze auftaucht, »knochig, zittrig«, den Mann »mit großen Augen« fixierend.10 Das Überleben dieses zugleich bedrohten wie zähen Tieres macht der Oberst, der das Sterben seines Sohnes nicht verhindern konnte, fortan zu seinem Lebensmittelpunkt. Hierzu mobilisiert er militärische Erfahrung und den Instinkt des erfahrenen Troupiers, was seine Frau, je mehr ihm die Friedhofskatze »an sein altes, müdes Herz« wächst,11 als Verrat an ihr, dem verlorenen Sohn und der verweigerten gemeinsamen Trauer erfährt. In Interviews hat Thomas Hürlimann die enge Verbindung dieser fiktionalen Konstellation zu seiner Biografie betont. »Die Katze ist in die Geschichte hineingeschlichen, genau wie sie beschrieben ist (…). Es war Dämmerung, ihre Augen leuchteten. Ich wusste nicht, was für ein Tier das war. Es grub etwas aus. Dann sah ich, dass es eine Katze war.«12 Damit steht das Auftauchen dieser individualistischen Tiere, die neugierig Verstecktes ausbuddeln und mit ihren vermeintlich sieben Leben dem Tode trotzen, in unmittelbarem Zusammenhang zu dem Ursprungstrauma des Hürlimann’schen Schreibens, dem Krebstod des 20-jährigen Bruders Matthias im Jahr 1979, an dessen Grab auf dem Friedhof in Zug die Katze dem Autor begegnete. Katzen umkreisen die großen Themen des Hürlimann’schen Werkes, die Frage nach dem Verhältnis zwischen Leben und Tod, den Kampf gegen die Vergänglichkeit, die Unmöglichkeit des Wieder-Holens und die Unausweichlichkeit der Wiederholung.

      Auch Kater Dada führt in dieses Territorium, wenn er Heinrich Übel, wie Thomas Hürlimann am 21. Dezember 1950 geboren, in einer Kreis- und Wiederholungsbewegung an den Anfang des Romans zurückbringt – der letzte elliptische Satz, der den Crash beschreibt, ist wortgleich mit dem Romananfang. Heinrich Übels Unfall auf der Fräcktalbrücke zwischen den Ufern, zwischen väterlicher Fabrik und Friedhof, beschert diesem eine Nahtoderfahrung, die in einer Mischung aus Entkräftung, Schmerzdelirium und Euphorie zu einem entgrenzenden Offenbarungserlebnis wird. Sie hat ihr lebensgeschichtliches Pendant im Unfall des Autors im Mai 1998 auf der Brücke über den Sihlsee, über den Hürlimann gelegentlich in Essays und Interviews nachgedacht hat, in denen immer auch Katzen präsent sind. Auch all die anderen Hürlimann’schen Katzen umschleichen diese Grenzbereiche zwischen Biografie und Fiktion und zwischen Tod und Leben.

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