Abendland. Richard Faber

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Abendland - Richard Faber

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den abendländischen konkurrieren, in aller Regel nicht genügend Abstand zu diesen gehalten haben. Karl Jaspers formulierte schon 1958: »Das Abendland, Europa und Amerika.«6 In diesem Sinne analysiere ich gerade auch die euro-amerikanische, sprich »atlantische« Ideologie. Wie die abendländisch-europäische und die US-amerikanische weist sie eine antik-römische Referenz auf. Dementsprechend handelt es sich bei Abendland. Ein politischer Kampfbegriff nicht nur um einen Beitrag zur Ideologiegeschichte, sondern auch um einen zur Rezeptions- und Kulturgeschichte. Als Faschismus-, Imperialismus- und Rassismuskritik ist sie von unmittelbarem politischem Interesse – gerade weil die analysierte Literatur zum großen Teil belletristischer und philosophischer Natur ist. Doch große Namen – wie Rudolf Borchardt, Ernst Robert Curtius, T. S. Eliot, Hugo von Hofmannsthal, Carl Schmitt und Oswald Spengler – allein verbürgen noch keine Dignität. Im Zweifelsfall belegen sie das nur scheinbar paradoxe Phänomen eines humanistischen Antihumanismus.7

      Schneider und Schmitt sind Autoren, die sich nicht nur als Gegenstand meiner Ideologiekritik anbieten, sondern – partiell und gegen den Strich gelesen – auch als kritische Instanz fungieren können. Ich exponiere bereits meine Begriffsklärung der Vokabel »politischer Kampfbegriff« mit Hilfe Schmitts. Sie führt mich sofort auf den engen Zusammenhang des Abendland- mit dem Reich-Begriff und beider Kampfmythen mit der Konservativen Revolution, also dem intellektuellen Prä- (und Post-)Faschismus. Gerade die Begriffe »Reich« und »Abendland« belegen die Romanozentrik der Konservativen Revolution8 – ganz gleich, ob sie eher neopagan oder christ-katholisch akzentuiert ist. In jedem Fall gilt der römische Reichsdichter Vergil als Vater des Abendlandes und hat alle (Prä-)Faschisten ergriffen, was ich »Neo-Vergilsche Reichsapokalyptik« nenne. Vielleicht hat Bergengruen ihr im Gedichtzyklus Der ewige Kaiser am deutlichsten Ausdruck verliehen, in einem Buch, das er – nachdem es 1937 erstmals erschienen ist – 1950 erneut hat auflegen lassen, dieses Mal unter ausdrücklich »europäischen« Vorzeichen. Nicht zuletzt Bergengruen belegt, was man später auf die affirmative Kurzformel gebracht hat: »Das Reich ist tot – es lebe Europa.«

      Nach diesen einleitenden Überlegungen, die den Leser mit den Eckpunkten der Abendland-Ideologie vertraut machen sollen, werde ich im zweiten Kapitel darstellen, wie sich der Einsatz von Abendland als politischem Kampfbegriff intensiviert hat: vom zunächst eher defensiven Gebrauch bis zu seiner schließlichen Ausweitung auf Euro-Amerika. Grundlegendes Kennzeichen aller konservativen Abendland-Utopien – vor und nach 1945 – ist die Stilisierung des Ostens zu einem den Westen »ewig« bedrängenden Erbfeind: synchron ein asiatisch wie kommunistisch definiertes Rußland. Gerade sein dämonischer Kontrast soll dem neuen, vor allem dem abendländischen Europa zur eigenen »Identität« verhelfen. Selbst das kriegerische »Unternehmen Barbarossa« wurde als »Geburtsstunde des neuen Europa« bezeichnet: eines nationalsozialistischen und deswegen ausdrücklich rassistischen Europa. Ein solches oder auch nur deutsches konnte nach 1945 nicht mehr angestrebt werden; indem man aber sogar die Nazis dem Osten generell oder dem Bolschewismus speziell zuschlug, konnte die europäisch-gegenrevolutionäre Emphase der Zwischenkriegszeit »durchgehalten« werden – und man konnte weiter in der Tradition christlicher Kreuzzüge seit Konstantin über die Karolinger, die Ottonen, die Staufer bis hin zu den Habsburgern denken und dichten. Als scheinbar unverfängliche »Urszene« fungierte dabei der Spanische Bürgerkrieg.

      Es waren gerade die aus kirchlich-moralischen Gründen antinationalsozialistischen Katholiken, die im Spanischen Bürgerkrieg, in dem die Katholiken mit Franco und der Falange gegen den sogenannten atheistischen Kommunismus kämpften, eine großartige, geradezu befriedigende Perspektive fanden. Nicht nur sie betrachteten diesen Kampf noch nach 1945 als konzentrierten »Weltbürgerkrieg« und das Ewige Spanien als Symbol eines »allumfassenden«, also expansiven, ja imperialistischen »Weltabendlands«, das auf die Zeiten Karls V. und Philipp II. zurückging. – Spaniens (und Portugals) missionarische Reichsideologie hatte weiter gewirkt: bei Niederländern, Engländern und schließlich US-Amerikanern, unbeschadet des Übergangs vom Raub- zum Handels- und Finanzkolonialismus. Zumindest zeitweise – und schon in Spaniens »Goldenem Zeitalter« beginnend – fundierte Rassismus solchen weißen Imperialismus oder kulminierte dieser Imperialismus rassistisch – im 19. und 20. Jahrhundert als externer Sozialdarwinismus. Doch noch dieser scientifizierte – deutlich bei Auguste Comte – ein imperialistisches Christentum, dessen »friedliche Mission« stets Ideologie oder Illusion war, unabhängig davon, ob dieses Christentum auf nationalistische oder universalistische, sprich »abendländische« Art und Weise imperialistisch war. Erst recht spielten die Konfessionsunterschiede in diesem alles entscheidenden Punkt keine Rolle.

      Noch ein säkular(isiert)es »Evangelium von der abendländischen Zivilisation« entpuppt sich als aggressive Kreuzzugspropaganda. Deshalb geht mein Buch von der Untersuchung des missionarisch-militärisch-ökonomischen Komplexes der USA über zu dem, was der ehemalige bayerische Theologe Georg Moenius bereits 1948 »Pax Romana als Pax Americana« genannt hat. In Fortsetzung seiner christlich-abendländischen Reichsvision des Zwischenkriegs erhob er die Vereinigten Staaten zum »Neuen Weltmonarchen« – eine Sichtweise, mit der er auch bei Nichtkatholiken und Nichtchristen Anklang fand.

      Seit 1945 und verstärkt seit 1989 haben wir es mit einem Euro-Amerika zu tun. Seine immer extensivere wie intensivere Institutionalisierung macht wesentlich das aus, was seit gut zehn Jahren »Neue Weltordnung« heißt. Diese Vokabel verdankt sich dem Wappenspruch der USA: »Novus ordo seclorum«, der seinerseits der vierten Ekloge Vergils entnommen ist. Diese Verbindung ist keineswegs zufällig, denn noch die Vereinigten Staaten besitzen eine römische Genealogie, verstehen sich römisch-imperial. Auch für sie gilt, was Schneider auf die allgemeine Formel brachte: »Wer immer die Welt begehrt, fahndet nach dem römischen Erbschein.« Und Ernst Blochs Freund Hans Mühlestein konstatierte: »Das heutige ›Römische Reich‹ ist die europäische-amerikanische Übermächtigung der Welt« – wie nie zuvor einig und mächtig, präsentiert sich heute der römisch-imperiale Anspruch »der Welt«.

      Europaintern setzt dies die recht erfolgreichen Einigungsbestrebungen von der Montanunion über die EWG und EG bis zur gegenwärtigen EU voraus. Sie selbst waren nochmals bedingt durch die weitgehende Synthese der in den zwanziger und dreißiger Jahren bis zum gegenseitigen Ausschluß miteinander konkurrierenden Konzeptionen (Pan-)Europas und des (christlichen) Abendlands. Oder, um zu entmythologisieren: Die Abendland-Ideologie mußte durch die hinter Pan-Europa stehende Notwendigkeit eines »Großwirtschaftsraumes« Westeuropa in Dienst genommen werden. Carl Schmitt hatte bereits 1928 rhetorisch gefragt, ob sich das ganze Problem Europa vielleicht auf die Bildung eines einheitlichen Wirtschaftskomplexes reduziere.

      In meinem vorletzten Kapitel versuche ich die diversen Abendland- und Europa-Konzepte des 20. Jahrhunderts möglichst repräsentativ durchzubuchstabieren, dabei sowohl auf ihre teilweise unversöhnlichen Differenzen achtend als auch auf die mehr oder weniger großen Identitäten. Es ist von besonderer Wichtigkeit, das – gerade auch im Nationalsozialismus beobachtbare – Phänomen einer »complexio oppositorum« nicht zu übersehen. Manche Gegensätze wurden aufgrund geschickter Manipulationen immer wieder vernachlässigt, weil die bereitstehenden argumentationes ad homines sich als allzu verführerisch erwiesen. Nicht wenige mußten – eben auch aus Nazi-Mund – nur das Wort Abendland hören, um dahinzuschmelzen. Dieser Kampfbegriff hat sich ein ums andere Mal als Zauberwort bewährt, obwohl nicht geleugnet werden kann, daß die radikale Abendland-Ideologie konfessionell gebunden ist. Soziologisch bedeutet entschiedene Konfessionalität im 20. Jahrhundert aber exklusives Sektierertum.

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