Der neue Dr. Laurin Staffel 1 – Arztroman. Viola Maybach
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»Und was jetzt?«, fragte Leon, nachdem Schwester Marie und er ihre Informationen ausgetauscht und ein paar Vermutungen angestellt hatten.
»Überlassen Sie das mir, Chef«, schlug Marie vor. »Ich bin die ganze Nacht in der Klinik, und nachts reden die Menschen leichter als tagsüber. Eva Maischinger hätte sich mir schon letzte Nacht gerne anvertraut, das habe ich genau gespürt, aber es war noch zu früh.«
»Marco Friedrich ist also der Vater von Frau Maischingers Kind«, sagte Leon nachdenklich, »und sie liebt ihn noch immer.«
»Ich habe die Wahrheit gestern schon geahnt«, gestand Marie. »Die Art und Weise, wie sie reagiert hat, als der Name ›Marco‹ fiel, war eindeutig.«
»Und ich könnte mir vorstellen, dass es zwischen den beiden einfach … wie sagt man? Dass es dumm gelaufen ist. Ein paar Missverständnisse zu viel. Ich glaube nämlich, Herr Friedrich liebt Frau Maischinger auch immer noch. Er macht mir nicht gerade den Eindruck eines großen Draufgängers.«
»Dazu kann ich nichts sagen, ich habe ihn ja bislang noch nicht kennengelernt«, sagte Marie nachdenklich. »Aber …«
Es klopfte, Hannes Baumgarten erschien im Türspalt. »Oh, Entschuldigung, Chef, ich wollte nicht stören, aber ich hätte Sie gern gesprochen, wegen Marco Friedrich. Ich hatte da vorhin ein Gespräch mit ihm …«
»Kommen Sie doch herein, Hannes. Zufällig reden wir gerade über Herrn Friedrich. Über ihn und Eva Maischinger.«
Hannes trat ein und schloss die Tür hinter sich. »Wer ist Eva Maischinger? Ach so, die Patientin, die …« Hannes brach ab und starrte erst Leon an, dann Schwester Marie. »Soll das etwa heißen, dass die beiden sich kennen?«
»Nicht nur das, sie kennen sich sogar sehr gut. Aber erzählen Sie doch mal, worüber Sie mit mir reden wollten.«
Hannes gab also sein Gespräch mit Marco Friedrich wieder. Schwester Marie und Leon Laurin lauschten ihm mit gespannter Aufmerksamkeit. Hannes hatte seine Ausführungen gerade beendet, als es erneut klopfte. Dieses Mal war es Sascha Buder, der sich für die Störung entschuldigte und dann erklärte: »Ich komme wegen Marco, es gibt da ein paar Fragen. Aber wenn es jetzt nicht passt, kann ich später …«
»Nein, nein, kommen Sie nur herein«, forderte Leon den jungen Mann auf. »Ich glaube, wir wissen schon, worum es geht, und Sie können uns vielleicht noch ein paar offene Fragen beantworten. Aber im Großen und Ganzen wissen wir schon ganz gut Bescheid.«
Also trat auch Sascha Buder ein und schloss die letzten Wissenslücken der anderen drei, die sich daraufhin schnell darüber verständigen konnten, wie es nun weitergehen sollte.
Eine Stunde später machte sich Leon bereit, die Klinik zu verlassen. Flora Müthen und ihren Zwillingen ging es gut, auch dem kleinen Mädchen, das heute ziemlich munter gewesen war und sich im Arm seiner glücklichen Mutter offensichtlich wohl gefühlt hatte. Nun musste nur die Sache mit Eva Maischinger und Marco Friedrich noch in Ordnung kommen, aber dafür würde Schwester Marie schon sorgen.
»Ach, da bist du ja noch«, sagte Eckart Sternberg. »Ich dachte schon, ich hätte dich verpasst.«
»Hättest du auch beinahe.«
»Ich hoffe, ich muss dich heute Nacht nicht wieder aus dem Schlaf klingeln.«
»Soll ich dir was verraten? Am liebsten würde ich hierbleiben, es werden sich große Dinge tun, schätze ich.«
»Große Dinge? Was willst du damit sagen?«, fragte Eckart erstaunt
»Warte es ab.« Die Geheimnistuerei machte Leon Spaß. »Wir haben heute Nachmittag ein paar Informationen zusammengetragen, Schwester Marie, Hannes, Herr Buder und ich.«
»Herr Buder? Wieso tragt ihr mit dem Informationen zusammen? Oder hat sich herausgestellt, dass doch er es war, der mit dem Messer zugestochen hat?«
»Nein, nein, wo denkst du hin? Aber hör auf, mir weitere Fragen zu stellen, mehr sage ich nicht. Warte einfach ab, was passiert. Einen Tipp immerhin kann ich dir geben: Halte dich an Schwester Marie.«
»Man sollte nicht meinen, dass du diese Klinik leitest, Leon. Du kannst ein richtiger Kindskopf sein.«
Leon lachte nur, gab seinem Freund und Kollegen einen kräftigen Schlag auf die Schulter und verließ ohne ein weiteres Wort die Klinik.
*
»Ich soll Ihnen etwas von Herrn Dr. Laurin ausrichten, Eva«, sagte Schwester Marie. »Es geht um einen Mann namens Marco Friedrich.«
Eva wurde erst blass, dann rot, dann wieder blass. »Ja?«, fragte sie.
»Er liegt hier in der Klinik. In der vergangenen Nacht wurde er angegriffen und mit einem Messer verletzt, ziemlich schwer.«
Eva richtete sich auf. »Schwer verletzt?« Ihre Stimme zitterte.
»Ja. Aber er schwebt nicht in Lebensgefahr, er wurde letzte Nacht sofort operiert.«
»Aber … ist er überfallen worden?«
»Er hat sich geprügelt, und der andere hat schließlich ein Messer gezogen. Soll ich Ihnen die ganze Geschichte erzählen, soweit wir sie bis jetzt kennen?«
Eva nickte stumm, während sie sich langsam wieder zurücksinken ließ.
Marie hatte sich zuvor gut überlegt, was sie sagen würde, und so musste sie nicht lange nach Worten suchen. Evas Reaktionen auf das, was sie sagte, waren eindeutig. Wenn sie noch Zweifel an den Gefühlen der jungen Frau für Marco Friedrich gehabt hatte, so verschwanden sie nun restlos.
Als sie ihren Bericht beendet hatte, blieb es still. Eva weinte, ohne einen Laut von sich zu geben. Die Tränen liefen ihr über das Gesicht, aber sie achtete nicht darauf. Sie lag einfach da und weinte, und Marie hatte das Gefühl, dass es das Beste wäre, sie weinen zu lassen. Da hatte sich so viel angestaut in den letzten Monaten, es war sicher gut, wenn zumindest ein Teil der Verzweiflung, der Erschütterung, der Angst und des Kummers einfach weggespült wurde von dieser Tränenflut.
Marie blieb bei der jungen Patientin sitzen, bis die Tränen versiegten. Die anderen wussten, dass sie hier war und würden nur nach ihr rufen, wenn sie anderswo gebraucht wurde. Aber zum Glück schien es eine eher ruhige Nacht in der Notaufnahme zu werden.
»Kann ich zu ihm?«, fragte Eva. »Ich meine, jetzt gleich? Ich muss mit ihm reden, Schwester Marie. Ich … ich hätte ihn niemals wegschicken dürfen, das weiß ich doch längst. Aber ich dachte, er will mich bestimmt nicht mehr, nachdem ich ihn so schlecht behandelt hatte. Und als ich ihn dann noch mit einer anderen gesehen habe …«
»Fragen Sie ihn danach«, riet Marie. »Fragen Sie ihn und hören Sie sich an, was er dazu sagt. Wenn Sie schon reinen Tisch machen wollen, dann müssen Sie alles ansprechen, was Sie bekümmert oder beunruhigt.«
Eva nickte. »Dass Tom sich so verhält, wundert mich nicht«, sagte sie leise. »Ich kann ihn nicht ausstehen. Er hält sich für den Größten, aber wenn ihm jemand sagt, dass er das nicht ist, kann er das nicht aushalten. Er hat einen miesen Charakter.« Sie richtete sich auf. »Aber ich will mir was anziehen, wenn ich Marco besuche.«