Sturm über Ravensmoor. Ursula Isbel-Dotzler

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Sturm über Ravensmoor - Ursula Isbel-Dotzler

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den Tierarzt … Wenn er sich nur mehr helfen lassen würde!«

      »Er ist zu stolz«, sagte ich.

      Ja, das war er, Stevie Trelawny von Little Eden. Ich kannte keinen, der so stolz war wie er. Und es gab auch keinen, den ich mehr bewunderte. Nicht nur weil er aussah wie ein moderner Robin Hood, sondern weil er sich so für Tiere einsetzte, die sonst keiner haben wollte. Weil er all die verletzten, kranken, alten, verstoßenen Vierbeiner, die zu ihm gebracht wurden, liebevoll aufpäppelte und versorgte und ihnen ein geschütztes Zuhause gab.

      »Stevie ist ein wunderbarer Junge!« Mamas Stimme klang fast schwärmerisch.

      Paps lachte und sagte: »Gut, dass er so jung ist, sonst würde ich eifersüchtig werden.« Und Mama lachte zurück.

      »Ja, das müsstest du wohl, Erik.«

      Niko zerrte an seiner Nase. »Insgeheim hast du dir natürlich immer einen Sohn wie Stevie gewünscht, gib’s zu«, murmelte er.

      Obwohl er dabei grinste, hatte ich den Verdacht, dass er es nicht witzig meinte. Mama sah ihn an. »Ich bin ganz zufrieden mit dir und Niels. Meistens jedenfalls.«

      »Lass deine Nase in Ruhe!«, mahnte Paps. Es kam fast schon automatisch, er sagte das täglich mindestens dreimal zu Niko.

      »Mit meiner Nase kann ich machen, was ich will!«

      Ich musste aufpassen, dass ich nicht lachte. Wenn es um seine Nase ging, war Niko empfindlich. Er nannte sie »das Knollengewächs« und hasste sie aus tiefstem Herzen.

      Mama versprach Niels, dass er ihr Auto haben konnte, wenn er nach Little Eden fuhr. Sie hatte sich im Oktober einen gebrauchten Mini Cooper gekauft. Paps fuhr täglich mit unserem alten Volvo nach Exeter in die Uni, und wir wohnten so abgelegen, dass wir ohne ein Zweitauto nicht ausgekommen wären.

      »Aber fahr vorsichtig!« Das war Paps. »Du hast den Führerschein erst seit Kurzem. Denk an Duncan Ravensmoor … «

      »Ich brettere nicht wie ein Geistesgestörter durch die Gegend, das müsstest du eigentlich wissen.«

      »Du kannst Niels echt nicht mit Kims Bruder vergleichen, diesem aufgeblasenen, tierquälerischen Wicht«, sagte ich.

      »Vielleicht hat er sich durch den Unfall verändert.« Mama war aufgestanden. »Hilft mir einer die Pferde zu füttern?«

      Niels sagte, er sei froh, mal etwas tun zu können, wobei man die Nase nicht in Bücher stecken musste. Ich folgte den beiden, weil ich jede Minute ausnützen wollte, die ich mit Niels zusammen sein konnte.

      Der stämmige braune Kringle und Smilla, das helle Norwegerpony, standen im Gebüsch. Sie steckten die Köpfe zusammen und wendeten ihre prallen Hinterteile dem kalten Seewind zu.

      Smillas weizenblonde Mähne flatterte steil nach oben. Mama rief nach ihnen, in diesem lockenden, zärtlichen Ton, der nur den Ponys galt. Sie kamen sofort und stürzten sich auf ihre Futtereimer, voran Kringle. Er war unglaublich verfressen und schlang immer alles in Rekordzeit in sich hinein, weil er hoffte, er könnte Smilla anschließend noch von ihrem Eimer verdrängen.

      Über den Baumwipfeln, die sich jetzt kahl und schwarz gegen den Himmel abzeichneten, ragte der Eckturm von Ravensmoor auf. Dohlen und Krähen umkreisten ihn und ließen sich vom Wind tragen. Die Luft war erfüllt von ihrem Krächzen und ihrem harten Tschäk-Tschäk-Geschrei.

      Ravensmoors Turm war der höchste Punkt weit und breit. Von dort oben konnte man den ganzen Küstenstrich bis hinunter nach Land’s End überschauen. Einst hatten auf dem Turm Wächter gestanden, um Burgherrn und Küstenbewohner vor dem Herannahen feindlicher Schiffe zu warnen.

      Niels hob den Kopf. In das Schmatzen der Ponys und das Pfeifen des Windes mischte sich Hufgetrappel.

      »Feindliche Indianer!«, murmelte er.

      Ich musste lachen. Die Ponys hoben ihre Nasen aus den Eimern und wieherten. Von der anderen Seite der Hecke erklang Antwortgewieher, hell und durchdringend wie ein Trompetenstoß.

      Hinter dem kahlen Gestrüpp wehte eine fuchsfarbene Mähne, verschwand und tauchte wieder auf. Ich wusste, dass es Flora war, noch ehe ich ihren schmalen, edlen Kopf sah.

      Kim saß im Sattel, über den Hals ihrer Stute gebeugt wie eine Springreiterin. Einen Moment lang glaubte ich, sie würden über die Hecke hinwegsetzen, die mehr als mannshoch war, doch sie ritten weiter zur Auffahrt. Vielleicht hatte Kim uns nicht einmal bemerkt.

      Während ich mich umwandte, um ihnen entgegenzulaufen, hörte ich Mama sagen: »Da ist irgendwas passiert, darauf wette ich.«

      Ich erreichte die Garage, als Kim sich aus dem Sattel schwang. Ja, die Zeichen standen auf Sturm, denn ihre Augen waren fast schwarz. Ihre Füße in den Gummireitstiefeln berührten den Boden und sie stolperte.

      »Was ist los?«, fragte ich.

      Sie atmete stoßweise. Die Stute schnaubte angstvoll. Kims Hand zitterte, als sie ihr über die Flanke strich. »Meine Eltern haben beschlossen Flora zu verkaufen!«

      3

      Wir saßen im Wohnzimmer und hielten Kriegsrat, wie mein Vater das genannt hätte. Für Niko war es »das große Palaver«. Er, Mama, Kim, Niels und ich saßen um den Tisch herum. Die Lampe brannte, ich hatte Tee gekocht. Eine Schale voller Softies, süße Rosinenbrötchen, die Granny gebacken hatte, stand in der Mitte. Alles wirkte sehr gemütlich, aber das war es nicht. Es war überhaupt nicht gemütlich.

      Kim weinte. Das allein verriet mir, wie ernst die Lage war. Sie hätte nie vor anderen geweint, höchstens vielleicht vor mir, wenn sie nicht wirklich verzweifelt gewesen wäre.

      Nikos Gesicht zeigte sein Unbehagen. Niels saß abwartend da, für ihn sind Tränen etwas ganz Natürliches. Er findet, dass die Menschen zu wenig weinen. Mama sagte: »Vielleicht überlegen sie es sich noch. Sie wissen doch, wie sehr du an Flora hängst – spätestens seit Oktober, als du sie vor Duncan in Sicherheit gebracht hast.«

      Kim schniefte. Ich stand auf und brachte ihr ein Taschentuch. Sie schnaubte heftig hinein und murmelte undeutlich: »Nein, es ist beschlossene Sache. Mein Vater sagt, wir können uns keine zwei Pferde mehr leisten. Sein eigenes Pferd, Hurakan, will er natürlich behalten. Ein Herzog von Ravensmoor ohne Pferd, das sei undenkbar. Er will doch an den Fuchsjagden teilnehmen. Das ist zwar verboten, weil es Tierquälerei ist, aber kaum einer hält sich an das neue Gesetz. Er meint, die Jagd gehört zum Leben eines Mannes von seinem Stand. Also muss Flora verschwinden.«

      »Aber viel mehr als ein paar tausend Pfund wird er doch für eure Stute nicht mehr kriegen«, wandte ich ein.

      »Flora stammt aus einer berühmten Zucht, sie war mal sehr teuer. Aber ihre Fesselgelenke sind schwach. Duncan hat sie ja viel zu hart geritten.«

      Kim starrte trostlos vor sich hin. Die Tränen liefen ihr nur so übers Gesicht und sie wischte sie nicht weg. »Es geht vor allem um die Kosten fürs Futter und den Tierarzt. Das ist ihnen zu viel. Jeder Penny ist ihnen zu viel für meine liebe, sanfte Flora … « Sie stockte und presste das Taschentuch vor den Mund, um ein Schluchzen zu ersticken. Mama streichelte ihre Schulter. Eine Weile saßen wir stumm da.

      Niels sagte: »Es gibt für alles eine Lösung.«

      »Sicher.«

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