Sturm über Ravensmoor. Ursula Isbel-Dotzler

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Sturm über Ravensmoor - Ursula Isbel-Dotzler

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für die Ponys mitgebracht«, sagte ich. »Und Karotten für das Reh.«

      Stevie und Niels holten die Sachen aus dem Mini Cooper und brachten sie zum Stall. Hinter dem Weidezaun standen die beiden alten Zirkusponys Pepper und Cinnamon.

      Pepper, der graue Wallach, scharrte bettelnd mit dem Vorderhuf. Er wusste, wenn ich auftauchte, gab es immer einen Leckerbissen für ihn und die schmächtige rotbraune Stute Cinnamon.

      Speichelfäden liefen aus ihren Mundwinkeln, als ich sie mit den Pellets fütterte. Ich streichelte Cinnamons verfilzte Stirnlocke und sah mich dabei nach dem jungen Reh um, das im Herbst mit einer Schussverletzung nach Little Eden gebracht worden war. Dr. Muir, der Tierarzt, hatte ihm das rechte Vorderbein abnehmen müssen. Jetzt lebte es bei Stevie und hinkte schon ganz geschickt auf drei Beinen umher.

      Auch heute stand es an seinem Lieblingsplatz, einem Gehölz aus knorrigen Holzapfelbäumen, Holunderbüschen und Weißdornsträuchern am Ende der Schafweide. Stevie hatte es Puck genannt. Für mich war und blieb es immer nur »Dreibeinchen«, ein sanftes, anmutiges Geschöpf, das mich an eine verzauberte Gestalt aus einem Märchen erinnerte.

      Hinter mir tauchten Stevie und Niels auf. »Brauchst du Hilfe bei irgendetwas?«, hörte ich meinen Bruder fragen. »Ich weiß ja, du meinst immer, du müsstest mit allem allein klarkommen, aber wir helfen dir gern, was, Kathi?«

      Ich drehte mich um und nickte. Stevie zögerte einen Augenblick. Dann erwiderte er: »Das Stalltor müsste repa riert werden. Eine von den Angeln war so verrostet, dass sie ausgebrochen ist. Ich wollte ein Stück Holz einsetzen und eine neue Angel anbringen, aber das Tor ist so verdammt schwer … «

      Gemeinsam hängten wir das Tor aus. Während Niels und Stevie sägten und hämmerten, brachte ich den Schafen Heu und füllte sieben Katzenschälchen und die Näpfe der Hunde mit Futter.

      In Stevies Küche kochte ich Eier für die Rabenkrähen und säuberte und schnitzelte die Karotten für Dreibeinchen und die beiden Ponys. Daisy, das Eichhörnchen, turnte auf der Gardinenstange herum. Ein junges Kätzchen, das Stevie mit der Flasche aufgezogen hatte, lag zusammengerollt zwischen Kissen, zerrissenen Socken, Hundedecken und einer Schachtel mit Verbandszeug auf dem Sofa und schlief.

      Ein paar Minuten nahm ich mir Zeit, um mich zu ihm zu setzen und sein weiches Köpfchen und die winzigen Ohren zu kraulen. Es schnurrte wie eine kleine Maschine.

      Das alte Spülbecken, das wie ein Stalltrog aussah, quoll über von schmutzigem Geschirr. Ich spülte rasch einen Teil davon ab, kochte nebenbei Tee und füllte ihn in die Thermoskanne. Die harten Eier mussten gehackt und mit Katzenfutter vermischt werden. Eine Weile suchte ich nach Dagoberts und Donalds Futternäpfen und fand sie endlich auf dem Holzstoß hinterm Haus.

      Aus der Ferne klang das Tuten eines Fährschiffs zu uns herüber. Ein Schwarm Möwen kreiste über dem Dach. Sie versuchten immer, den Tieren etwas von ihrem Futter abzujagen. Wenn man nicht aufpasste, klauten sie den Ponys den Hafer und vertrieben die Katzen von ihren Schüsseln.

      Nur Dagobert und Donald ließen sich nichts wegnehmen. Kaum hatte ich ihre Blechnäpfe gefüllt, kamen sie auch schon angeflogen und krächzten angriffslustig, wenn eine der Möwen frech genug war, nach unten zu stoßen und in ihrer Nähe zu landen.

      Das Tablett mit der Thermoskanne und den Bechern in der einen Hand, den Eimer mit den geschnitzelten Äpfeln und Karotten in der anderen, begleitet von Puccini und einer Katze, bog ich um die Hausecke. Dort stieß ich fast mit Stevie zusammen.

      Die Thermoskanne wackelte. Weil ich keine Hand frei hatte, versuchte ich sie mit dem Kinn festzuhalten. Gleichzeitig streckte Stevie eine Hand nach der Kanne aus. Dabei berührten seine Fingerspitzen meine Wange.

      Sofort zog er die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. Ein verwirrter Ausdruck trat in seine Augen. In meinem Bauch flatterten Schmetterlinge und hüpften Heuschrecken wild durcheinander.

      »Verzeihung!«, murmelte er.

      »Nichts passiert«, murmelte ich zurück.

      »Der Schraubenzieher ist abgebrochen. Hoffentlich finde ich noch einen anderen in meinem Krempel.« Verlegen sahen wir aneinander vorbei. »Kim hat vorher angerufen. Sie ist total daneben.«

      »Wegen Flora, ja.« Ich drückte das Tablett fester an mich. »Diesmal kann sie sie nicht bei dir verstecken.«

      »Nein, das sicher nicht. Ihr hochwohlgeborener Vater würde sofort hier aufkreuzen. Nicht dass ich Angst vor ihm hätte, aber er hat eine Menge Einfluss in unserer Gegend und könnte mir allerhand Schwierigkeiten machen. Er könnte mir die Leute vom Veterinäramt auf den Hals hetzen und solche Sachen.«

      »Deinen Tieren geht’s doch total gut auf Little Eden!«

      »Schon. Nur gibts eine Unmenge Vorschriften und Bestimmungen über Tierhaltung. Wenn sie wollen, finden sie immer was. Klar geht es meinen Tieren besser als anderen, die ihr ganzes armseliges Leben lang in keimfreien Ställen stehen und sich nicht umdrehen können und nie das Tageslicht oder eine Wiese sehen. Das ist Tierquälerei, aber es entspricht den Gesetzen, verstehst du? So abartig ist das.«

      Ich wäre gern noch länger stehen geblieben, mit dem Futtereimer und dem Teetablett, doch er wandte sich ab und ging mit langen Schritten ins Haus.

      Vor dem Stall kniete Niels neben dem ausgehängten Tor und wühlte in einer alten Kiste herum.

      »Zu Weihnachten schenke ich Stevie einen Werkzeugkasten mit allem Drum und Dran«, sagte er. »Diesen vorsintflutlichen Schrott kann man vergessen.«

      »Die Indianer haben bestimmt auch keine Werkzeugkästen vom Baumarkt in ihren Tipis«, erwiderte ich.

      Stevies Stall entsprach vielleicht nicht den Vorschriften, aber er war sauber und warm und gemütlich wie eine Höhle, und ich hätte schwören können, dass sich die Tiere darin wohlfühlten. Im dunklen Gebälk nisteten im Frühling die Schwalben. Jetzt, im Winter, kuschelten sich auch die Katzen manchmal in die Streu, dicht bei den Ponys und den Schafen. Es roch nach Heu und Pferden, nach Staub und den verschrumpelten Äpfeln, die Stevie unter dem Dach gelagert hatte. Die Mischung aus Düften war wunderbar. Ich hätte sie am liebsten in ein Glas gefüllt und mitgenommen.

      Ich stellte das Teetablett auf eine der alten Futterkrippen. Dann ging ich mit dem Eimer auf die Weide und schloss das Gatter vor Puccinis Nase.

      Die Ponys tauchten hinter einer Baumgruppe auf und verdrückten schmatzend ihre Apfelschnitze. Von irgendwo kamen die Schafe angetrappelt und umringten mich, voran Quannik, die kleine »Schneeflocke«, die inzwischen fast schon ein erwachsenes Schaf war.

      Viel zu rasch war der Eimer leer bis auf einen Rest für Dreibeinchen, das noch immer unter den Weißdornbüschen stand und mich beobachtete. Ich wusste, es würde nicht zu mir kommen, dazu war es noch nicht zahm genug. Nur zu Stevie hatte es inzwischen Zutrauen gefasst. Es ließ sich von ihm streicheln, aß ihm aus der Hand und kam, wenn er es rief.

      Die Ponys und zwei von den Schafen folgten mir zum Gehölz. Ich musste sie davon abhalten, sich auf das Häufchen Äpfel und Karotten zu stürzen, das für Dreibeinchen bestimmt war, denn es aß nicht, solange ich in seiner Nähe war. Doch wenigstens flüchtete es jetzt nicht mehr vor mir.

      Mit leiser Stimme redete ich zu ihm, hielt Cinnamon und Pepper am Halfter fest und verstellte den Schafen den Weg.

      Wie immer flog mein Herz dem jungen Reh zu. Es war so wunderschön und rührend mit seinem sanften, unschuldigen

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