Sturm über Ravensmoor. Ursula Isbel-Dotzler
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Читать онлайн книгу Sturm über Ravensmoor - Ursula Isbel-Dotzler страница 5
»Das ist es! Wir könnten Flora kaufen!« sagte ich. »Falls sie kein Vermögen für sie verlangen.«
»Und wenn Paps einverstanden ist. Wir müssten ihn natürlich überreden … »
»Falls die Ravensmoors überhaupt bereit wären, uns Flora zu verkaufen.«
»Vielleicht bräuchten wir eine – eine Art Strohmann, der sie für uns kauft, damit Kims Vater nicht weiß, dass wir … «
Ich verstummte, weil mir klar wurde, welchen Unsinn ich redete.
»Sie würden es sowieso erfahren, wenn Flora bei uns wäre. Und Paps würde die Krise kriegen von wegen gestörtem nachbarschaftlichem Verhältnis und so. Nein, wir müssten mit offenen Karten spielen. Aber step by step, Kathi. Erst mal müssen Mama und Paps einverstanden sein. Und ich glaub nicht, dass das so einfach wird.«
»Mama könnten wir sicher überreden.«
Wir hatten zwar das Problem nicht gelöst, aber mir war leichter ums Herz, als ich wieder in mein Zimmer ging und mich in die Bettdecke wickelte. Wir konnten Kim und Flora helfen. Wir mussten es nur richtig einfädeln, allerhand Hindernisse aus dem Weg räumen und »den Pfad des weisen Kriegers gehen«, wie Niels zu sagen pflegte.
5
Ich war entschlossen, gleich am Morgen mit Mama zu reden, doch daraus wurde nichts. Sie und Paps mussten Granny bei Tagesanbruch nach Falmouth in die Notaufnahme des Krankenhauses bringen.
Granny klagte über furchtbare Bauchschmerzen. Paps wollte nicht allein fahren, denn er fürchtete, dass es Granny unterwegs noch schlechter gehen könnte. Sie war überzeugt davon, dass sie entweder eine schwere Gallenkolik oder eine Fischvergiftung hatte, weil sie am vergangenen Abend Fisch gegessen hatte.
Während Niko und ich den Frühstückstisch abdeckten, sagte Niels: »Du musst abwarten, Kathi. Es ist eben noch nicht der richtige Zeitpunkt. Geduld ist die Tugend des Indianers.«
Meine Tugend war es ganz bestimmt nicht. Niko hatte die Ohren gespitzt. »Der richtige Zeitpunkt für was?«, fragte er.
»Wofür«, verbesserte ich. »Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen.«
»Kaum ist Niels mal wieder zu Hause, gluckt ihr schon wieder geheimniskrämerisch zusammen«, beschwerte sich Niko. Dann klingelte das Telefon. Es war Mama.
»Es ist nichts Schlimmes«, berichtete sie. »Granny hat nur eine leichte Darmgrippe. Sie sagen, wir können sie wieder mit nach Hause nehmen.« Ich hörte sie seufzen. »Das war mal wieder viel Lärm um nichts.«
Als wir die Ponys fütterten und tränkten, fragte mich Niels, ob ich mit nach Little Eden fahren wolle. Ich tat so, als müsste ich überlegen. Dabei konnte ich mir nichts Besseres vorstellen, als Stevie zu besuchen.
Wir füllten eine Schachtel mit Pferdepellets, wuchteten den Hafersack in den kleinen Kofferraum von Mamas Mini Cooper und packten Karotten für Stevies Reh in eine große Tüte.
»Wieso fragt mich keiner, ob ich mitkommen will?«, brummelte Niko.
Niels hörte ihn nicht, denn er war gerade in der Küche. Ich gab keine Antwort. Stevie mochte es nicht, wenn zu viele Gestalten auf einmal über ihn hereinbrachen, das wusste ich.
»Du kannst dich ausnahmsweise mal nützlich machen und dich um die Ponys kümmern«, sagte ich nur, während ich meine gefütterte Windjacke anzog. »Smilla braucht dringend Bewegung und Kringles Hufe müssten ausgekratzt werden. Hast du meine Handschuhe gesehen?«
Niko murmelte etwas Unverständliches. Dann versenkte er seine große Nase wieder in ein Comic-Heft.
Wir hatten Glück mit dem Wetter. Nach einer kalten, regnerischen Woche schien endlich wieder die Sonne. Mein Herz klopfte voll freudiger Erwartung, als wir Old Sailors’ Rest, den alten Seemannsfriedhof, in der Ferne auftauchen sahen. Still und verlassen träumte er auf einer Felsnase hoch über der See vor sich hin, umgeben von Mauern aus aufgeschichteten Steinen. Hier hatten zahllose ertrunkene Matrosen, die von den Wellen ans Ufer gespült worden waren, ihre letzte Ruhe gefunden.
In einer geschützten Mulde hinter dem Friedhof lag Stevies Reich. Little Eden wirkte wie eine kleine Insel, auf der eigene Gesetze herrschten, eine Zuflucht für kranke, ausgesetzte und verwahrloste Tiere, die bei Stevie ein liebevolles Zuhause gefunden hatten.
Das niedrige, weiß gekalkte Wohnhaus mit den vier Nebengebäuden duckte sich unter windzerzausten Bäumen. Wir hielten vor dem Gartentor. Eine der beiden Rabenkrähen, Dagobert oder Donald, schaukelte auf dem Schild mit der Aufschrift Little Eden.
Niels zog am Glockenstrang. Der scheppernde Ton lockte die Hunde herbei. Mit durchdringendem Gekläff kamen sie um die Hausecke gedüst – Grizzly, der wie ein Braunbär aussah, Puccini mit den verfilzten Dreadlocks und die Dalmatinerhündin Arabella.
Ich zog Hundekekse aus der Tasche meiner Windjacke und sah mich dabei nach Stevie um. Niels öffnete das Gartentor. Sofort war ich von Hunden umringt. Grizzly warf mich fast um, so gierig war er auf die Leckerlis. Von der kleinen Weide her hörte ich Cinnamons helles Gewieher. Die Schafe blökten.
Enttäuscht dachte ich: Stevie ist nicht da. Wir sind umsonst gekommen! Und es gefiel mir überhaupt nicht, dass ich dabei ein Gefühl in der Brust hatte, als würde ich in ein Sumpfloch fallen.
»Hast du nicht angerufen und gesagt, dass wir kommen?«
Niels lächelte. »Keine Panik. Er weiß, dass wir im Anflug sind. Wahrscheinlich ist er auf einer der hinteren Weiden oder er hängt am Telefon.«
Dass der wortkarge Stevie länger als drei Minuten »am Telefon hängen« sollte, konnte ich mir nicht vorstellen. Arabella leckte meine Hände ab. Dreadlocks, wie ich Puccini nannte, stellte sich auf die Hinterbeine und versuchte mich zu küssen. Dagobert oder Donald verbeugte sich auf dem Dachfirst und krächzte etwas, was wir nicht verstanden. Dann ging die Haustür auf und Stevie erschien.
Sofort tauchte mein Herz aus dem Sumpfloch auf und schwang sich wie ein Vogel in die Luft.
Niels ging voraus. »Hi, Bruder!«, sagte er und legte die Hand auf Stevies Schulter. »Ich hab dich vermisst.«
Zwischen den beiden bestand eine Art Wesensverwandtschaft, das hatte ich schon in dem Augenblick gespürt, als sie sich kennengelernt hatten. Niels bewunderte die Art, wie Stevie lebte – frei von Konsumzwängen, in allem einfach nur seinem Herzen und seinem Gewissen folgend. Für meinen Bruder war Stevie ein »cornischer Indianer«, von dem er eine Menge lernen konnte.
»Hi, ihr zwei!« Ein Lächeln erhellte Stevies haselnussbraune, schimmernde Augen, die mich immer an einen Vogel erinnerten. Jeder Schauspieler hätte Stevie um sein Aussehen beneidet: den schön geschwungenen Mund, sein dunkles, schulterlanges, leicht gewelltes Haar, seine hochgewachsene Gestalt und die geschmeidigen Bewegungen. Doch so etwas wie Eitelkeit kannte Stevie Trelawny nicht. Ich glaube, ihm war nicht einmal bewusst, welchen Zauber er ausstrahlte.
Das seltene Lächeln galt natürlich Niels. Doch als er beobachtete, wie Dreadlocks mein Handgelenk vorsichtig und zärtlich zwischen die Zähne nahm, kreuzten sich für einen Moment unsere Blicke und Stevies Gesicht wurde weicher. Oder bildete ich mir das nur ein? »Wishful thinking«