Richter und Henker - Roland Benito-Krimi 8. Inger Gammelgaard Madsen

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Richter und Henker - Roland Benito-Krimi 8 - Inger Gammelgaard Madsen Rolando Benito

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dass er das vergangene Jahr über müde gewesen war, und wenn er ehrlich mit sich war, merkte er auch, dass er nur mehr darauf wartete, dass die Zeit bis zu seiner Verabschiedungsfeier schnell verging. Die Dankesrede hatte er bereits verfasst. Jetzt musste sie natürlich umgeschrieben werden. Das, was er über Roland Benito geschrieben hatte, musste verworfen werden. Er nahm einen Schluck seines allzu süßen Kaffees, um das Unbehagen hinunterzuschlucken, und betrachtete seinen Nachfolger über den Tassenrand. Zweifelsohne hatte der Polizeipräsident Anker Dahl mit voller Absicht eingestellt, selbst wenn er es nicht direkt gesagt hatte. Anker Dahl war eine Leitfigur, die es bei der Polizei noch zu viel bringen konnte, das sah man ihm an. Jedenfalls wusste er bestimmt mehr über Mitarbeiterführung als er selbst – trotz der vielen Kurse über dieses Thema. Es war nicht leicht, einem alten Hund neue Tricks beizubringen. Anker Dahl war in der Hierarchie schneller aufgestiegen als so manch anderer. Einschließlich Benito, der immer auf die Bremse drückte, wenn es darum ging, mehr Einfluss zu haben, auch dann, wenn ihn Kurt Olsen dazu gedrängt hatte. Er war sein bester Mann gewesen, das stand außer Frage. Wenn er ihm eine Ermittlung überließ, brauchte er sich nicht mehr darum zu kümmern. Das stand unter anderem in seiner Rede. Aber hatte er sich diese Tatsache zu sehr zu Nutzen gemacht? Hatte er Roland zu viel zugemutet? Tja, jetzt war es jedenfalls zu spät, darüber nachzudenken, jetzt konnte man nichts mehr daran ändern. Er sollte sich lieber darüber freuen, dass der Polizeipräsident jemanden ausgesucht hatte, der ihn schnell ersetzen konnte. Nun konnte es vielleicht früher als geplant vonstattengehen.

      Das Wachdienstpersonal hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, in fast alle ihrer Konferenzen zu platzen, selten jedoch ohne Grund. Heute war es keine Ausnahme. Doch anstatt an der Tür zu klopfen und hineinzustürmen, läutete Kurt Olsens Handy – bestimmt, um den neuen Angestellten nicht beim ersten Treffen mit seiner Abteilung zu stören.

      Kurt Olsen lauschte, während es um ihn herum wieder ganz still wurde.

      „Selbstmorde? Kann das denn nicht warten?“, fragte er ein wenig gereizt und warf Anker Dahl, der seinen Krawattenknoten zurechtmachte und eine Augenbraue hob, einen verstohlenen Blick zu. Dort wo er herkam war es bestimmt nicht üblich, unterbrochen zu werden, daran würde er sich wohl noch gewöhnen müssen. Kurt Olsen konnte es selbst nicht leiden, doch darauf wurde selten Rücksicht genommen.

      „Okay, also die Leichenschau ist bereits im Gange? Okay, danke.“

      Er legte auf. Aus einer alten Gewohnheit heraus richtete er seinen Blick auf das Tischende und traf Anker Dahls Blick. Er war nicht barsch, dunkel und mild zugleich wie Roland Benitos – es war ein wasserblauer, kühler Blick, dazu fähig, sich in jegliches schlechte Gewissen einer unehrlichen Person zu bohren.

      „Noch ein Selbstmord?“, fragte Mikkel Jensen mit brüchiger Stimme vom gegenüberliegenden Ende des Tisches. Er war derjenige, den die Veränderungen der letzten Zeit am meisten berührten. Er war auch über viele Jahre hinweg Rolands treuer Arbeitspartner gewesen, daher behandelten ihn alle mit Mitgefühl und Verständnis.

      „Sieht so aus. Drei junge Burschen haben sich in der Schlachthalle in der alten Tulip-Ruine bei Brabrand erhängt. Die Rechtsmedizinerin meint aber, dass wir einen genaueren Blick darauf werfen sollten. Einer der Jungen hat eine Wunde am Arm, die ihrer Meinung nach von einem Projektil stammen könnte.“

      „Hat man Schusswaffe, Patronenhülsen oder Projektile am Tatort gefunden?“ Anker Dahl war schnell bereit, sich in den Kampf zu stürzen.

      „Nicht, soweit ich weiß. Die Untersuchungen sind bestimmt noch am Laufen.“

      „Kann ein Zusammenhang mit der Schießerei im Sportladen gestern Abend bestehen?“, fragte Isabella Munch. „Andere gab es wohl nicht, oder?“

      „Niemand kann jetzt schon sagen, ob es eine Dienstwaffe war, die …“

      „Eine Dienstwaffe?“, unterbrach Dahl und blickte ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an.

      Kurt Olsen räusperte sich. Es war mehr als nur Roland Benitos überraschender Rücktritt, der die Stimmung im Präsidium beeinflusste. Was hielt der neue Kommissar bloß von seinem neuen Arbeitsplatz? An Anker Dahls Gesichtsausdruck war deutlich zu erkennen, dass er ihm die Geschichte erklären musste.

      „Gestern Abend gab es einen Einbruch in einem Sportgeschäft am Telefonplatz. Gegen die Angestellten wurde Pfefferspray eingesetzt. Ein lungenkranker Verkaufsassistent mittleren Alters hat leider nicht überlebt. Die Polizei wurde gleich gerufen und der nächste erreichbare Streifenwagen war auch rasch zur Stelle. Einer der Polizeibeamten hat die Täter verfolgt, die durch den Bustunnel Richtung Åboulevard geflohen sind. Zeugen haben ausgesagt, dass es sich um vier junge Männer handelte. Der Polizist hat ihnen nachgerufen. Einer von ihnen hat sich umgedreht und etwas auf ihn gerichtet, das er für eine Pistole hielt. Zu dem Zeitpunkt wusste er aber noch nicht, wie der Mann im Laden umgekommen war. Er hat also einen Warnschuss abgefeuert, war aber selbst nicht der Meinung, etwas oder jemanden getroffen zu haben, weil er absichtlich weit daneben gezielt hatte. Man hat jedoch Blutspuren an dieser Stelle gefunden. Die Diebe sind mit einem gestohlenen Wagen verschwunden.“

      „Ist die Angelegenheit mit dem Polizeibeamten gemeldet worden?“, fragte Anker Dahl.

      Kurt Olsen nickte und sah die anderen mit gerunzelter Stirn an. „Und diese Geschichte soll nun etwas mit den erhängten Jungen zu tun haben?“, fragte Dahl weiter und bemerkte offensichtlich nicht, dass die Stimmung gedrückter war denn je.

      „Das ist das, was wir untersuchen sollen. Es sieht ja nicht gerade nach Selbstmord aus, wenn …“

      „Und davon gab es mehrere, wie ich höre?“

      „Ja, die Zahl ist in der dunklen Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr auf mehr als das Übliche gestiegen.“

      „Um wie viele handelt es sich?“

      „Fünf, im Abstand von mehreren Wochen. Vier haben sich erhängt – alles Männer – und eine Frau, die anscheinend nach der Einnahme von Gift umgekommen ist.“

      „Hmm. Aber sonst nichts Auffälliges?“

      „Die Rechtsmedizinerin konnte in keinem der Fälle ein Verbrechen nachweisen, daher sind sie als Selbstmorde archiviert worden.“

      „Wer hat die Jungen gefunden?“, fragte Mikkel Jensen.

      Er war offenbar darauf erpicht, sich durch Arbeit von all den anderen Unglücksfällen abzulenken, die das Präsidium einstecken musste.

      „Ein Hundebesitzer, dessen Hund heute Vormittag abgehauen und in die Schlachthalle gelaufen ist. Dort hat er die Jungen entdeckt.“

      „Sind sie schon identifiziert worden?“

      „Noch nicht. Sie hatten nichts bei sich, weder Handys noch Geldbeutel oder irgendetwas anderes, was an sich schon verwunderlich ist. Ich kontaktiere die Rechtsmedizin und sehe mir an, worum sich die Mordkommission kümmern könnte.“

      Anker Dahl nickte.

      „Wir werden uns den Fall noch mal ansehen, wenn wir mehr wissen.“

      Dahl fing die Blicke der Gruppe ein, als würde er ihnen eine Zustimmung abverlangen, doch sie saßen stiller und stummer vor ihm, als sie es sonst zu tun pflegten, was er natürlich nicht wissen konnte.

      Mit einem Gefühl der Erleichterung lehnte sich Kurt Olsen zurück in seinen Bürostuhl. Da war es wieder, dieses wir. Zwei Mal sogar. Der neue Mann schien dasselbe Feuer in der Seele zu haben wie Roland Benito. Vielleicht würde

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