Heimat?. Группа авторов

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Heimat? - Группа авторов

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die Jungen wollten nicht in die Gastronomie. „Studieren lieber. Aber es bleiben wieder mehr im Dorf. In der Stadt die Häuser sind teuer und die Mieten hoch.“

      „Die finden hier Arbeit? Oder pendeln dann?“

      „Die bleiben einfach.“

      Ob bleiben würde, was das Dorf sich geschaffen hatte?

      Die jüngere Schwester der Wanderleiterin würde bald das väterliche Unternehmen führen. Die hatte jetzt schon die Physiotherapie im oberen Teil des Hauses mit Bäder- und Massagebereich aufs Feinste erneuert. Es würde ein anderes Haus werden. Empfände sie das Heimelige noch bei einer Wiederkehr?

      Ihr übersteigertes Sensorium für das Vergängliche des Seienden.

      Man kehrte immer wieder zum Gewesenen zurück, weil man sich selbst nicht entrann. Das Gewesene hatte merkwürdigerweise die Züge der Jetztzeit übernommen. Oder war es umgekehrt? Heftete sie dem Augenblicklichen Züge des Gewesenen an?

      Sich dem überlassen, was der 700-Seelen-Ort nun zu bieten hatte: Wanderungen durch den Wald. Passau mit der hoch über Donau, Ilz und Inn gelegenen Burg, erst vom neben der Burg gelegenen Parkplatz bergab zur Stadt, rückwärts klomm sie den Berg hinan.

      Wo sie fast immer gewohnt hatte. Dieselbe Stadt? Ja. Mit allen Schmerzen, die dieses steinerne Ungetüm erfahren hatte, mit den Narben, die das der Trennung Vorhergehende hinterlassen hatte, wie auch mit denen des getrennt und im steten Widerspruch zueinander Gewachsenen.

      Nicht ihr Geburtsort, war diese Stadt doch ihre Heimat.

      Warum?

      Nur weil sie seit Jahrzehnten hier lebte?

      Das Herkommen nicht überbewerten.

      Nicht alles darauf zurückführen.

      Es in sich tragen.

      Mit sich.

      Wie eine Schnecke ihr Haus.

      Es aufbauen.

      Ja, es aufbauen, denn es änderte sich mit der Gestalt derer, die es in sich, auf sich trugen, und das Erinnern und Wissen war nichts ein für alle Mal Feststehendes.

      Das Werten schaffte den Plan.

      Aufwerten. Abwerten. Bewerten.

      Wertschätzen.

      Nur was angenommen wurde, konnte sich ändern.

      Vergangenes sollte sich ändern?

      Alles, was war, ist. Abgenutzte Phrase. Trotzdem. Mit dem Vergehen, Bestehen umgehen. Miteinander umgehen. Die Heimaten mischten sich. Zerrissenes verband sich, Hinzukommendes wollte aufgenommen sein. Willkommen heißen. War das illusionär? Da man nicht alles Dazukommende schätzte, wie auch, man schätzte auch nicht alles lange Vorhandene, wertschätzen, abschätzen, bewerten, nein, annehmen das Aufgenommene und schauen, was daraus werden konnte, wie das Ganze dann aussah, wie es einem gefiele, wie es sich im Erhalten und Verändern gestaltete. Ach ja. Geben und Nehmen. Wie?

      Vom Schicksal gebeutelte Menschen willkommen zu heißen bedeutete nicht, alles Mitgebrachte so, wie es war, dem Eigenen zuordnen zu wollen.

      Sie erinnerte sich eines syrischen Jungen. In der Schule daheim sei ihn der Anti-Semitismus gelehrt worden. Ein Opfer. Opfer. Täter. Als ob das die Zeiten hindurch ein für alle Mal voneinander geschieden wäre.

      Am Anfang war das Wort.

      Geben und Nehmen.

      Sich mit Vergangenem im Gegenwärtigen auseinandersetzen.

      Eine gemeinsame Aufgabe, die angenommen sein wollte, die andere Gesellschaft, die andere Schule, das schützte nicht vor Denkgeburten, die das Grausige des Geschehens der Vorzeit der Teilung nicht, ja, was nicht, nicht darum wussten, es leugneten oder für richtig hielten, da sie selbst sich zu dessen Meistern aufschwingen wollten.

      Ein Durchdenken.

      Sich in das vor Ort Geschehene einfühlen.

      Das ging nicht.

      Wie denn?

      Zuhören.

      Sich selbst erklären.

      Fühlte sie sich als Migrantin? Als Flüchtling gar?

      Wie konnte sie das sein, da sie ihren Wohnort nicht verlassen hatte?

      Sprache war unvollkommen.

      Dem nachzuspüren hieß, sich des eigenen unvollkommenen wie vollkommenen Seins bewusst zu werden. Universum Mensch. Mit Flora und Fauna, Kontinenten und Gewässern, Rinnsalen, Flüssen, Gasansammlungen. Gelegentlich ein Vulkan, der alles Mögliche aus sich herausschleuderte. Gewaltige Wortbrocken etwa. Wer davon getroffen-betroffen wurde, laborierte für gewöhnlich an stärkerem Verletzt-Sein.

      Half es, demselben Sprachgebiet anzugehören?

      In einer fremden Sprache bewegte sie sich sehr sorgsam.

      Der geringere Wortschatz begünstigte den Small Talk, den die meisten Deutschen nicht beherrschten, wie eine amerikanische Kollegin, die an der Viadrina Englisch unterrichtete, ihr gegenüber auf der Zugfahrt von Frankfurt (Oder) gen Berlin behauptete. Sehr nett war es gewesen, dass sie ihr Oxford-Englisch bescheinigt hatte. Small Talk eben. Gerade Studierende in die Semesterferien verabschiedet, die dem Amerikanischen huldigten und Grammatik für altmodisch Verknöchertes hielten. Da war die lautkundemäßig von Minderwertigkeitskomplexen gepeinigte, mehr oder weniger nur mit Schulkenntnissen versehene, dessen aber bewusste, Kollegin sicher ungemein erfrischend gewesen. Sie konnten locker herumradebrechen und sich dabei köstlich amüsieren.

      Schul-Englisch, Minderjährige belustigte der ungelenke Slang. Ach, wie schön war doch Small Talk.

      Muttersprache.

      War Heimatsprache nicht treffender?

      Oder wenigstens von Eltern und Großeltern vererbte Vokabel-, Grammatik- und Aussprachekenntnisse und -gewohnheiten.

      Das Gewohnte.

      Kommen zwei Teile Deutschlands zusammen. Der eine größer als der andere, Jahrzehnte gut gefördert von Uncle Sam. Der andere, kleinere, gerade von Djadja Iwanuschka gelöst, einem Onkel, den er eine Zeit zuvor im Verein mit dem anderen am Leibe beschädigt hatte und der trotzdem zum Onkelchen geworden war, vom großen Bruder wurde gesprochen, nicht vom Onkelchen. Väterchen. Stalin. Ein kleines Mädchen war sie, als das starb. Eine Mitschülerin weinte, als sie von Stalins Tod hörte.

      In ihrer Familie sprach man nicht von den Freunden. Kritisches auch nicht. Eine Tante in Fünfeichen. 17 oder 18 Jahre alt, von einem, der Waffen gehortet hatte, der Zugehörigkeit zum Werwolf bezichtigt, zusammen mit sechs weiteren jungen Mädchen, sie wäre wieder freigekommen wie die anderen, starb im Lager an Typhus. Eine der Schwestern der Mutter war das. Krieg hinterließ Entsetzen. Auf jeder Seite. Auch auf der Seite der Täter. Sicher. Wahrheiten. Die älteste Schwester des Vaters vergewaltigt. Diese Tante wurde sehr alt, führte eine glückliche

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