Heimat?. Группа авторов

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Heimat? - Группа авторов

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gehörte der Postbote, der nach ein paar Tagen meinen Nachnamen kannte und daher genau wusste, dass ich vor allem Mahnungen erhielt. Ebenso wie die Frau auf ihrem Mickymaus-Kopfkissen am Fenster ganz unten, die kein Kommen oder Gehen unkommentiert ließ. Unangenehm, wenn mein Kommen unverhohlen erst morgens um sechs stattfand. An anderen Morgen traf man immer dieselben Gesichter in den öffentlichen Verkehrsmitteln, die mir nach ein paar Monaten grüßend zunickten oder, fast noch schlimmer, der Chef der Pizzeria, der neben seinen Stammgästen bald auch uns mit Handschlag begrüßen wollte. Der Grad zwischen Fürsorglichkeit auf der einen und Neugier und Kontrolle auf der anderen Seite erschien mir schmal. Heimattümelndes raubte mir das Gefühl, mich unbeobachtet zu wähnen. Wir gingen also woanders essen, ich nahm eine Bahn früher oder später oder wir zogen bald wieder um.

      Merkwürdigerweise fühlten sich andere in diesem nachbarschaftlichen Verhältnis wohl. Sie genossen den Plausch beim Milchholen und empfanden den Kiez als heimelig. Ich dagegen wählte andere Wege, sobald sich heimatlich klebrige Gefühle einzustellen drohten.

      Es war kein Zwang, bloß eine heimatliche Unverträglichkeit vielleicht. Eine Unverträglichkeit, die bei Nichtbeachtung in mir ein Gefühl auslöste, vor dem ich mich lieber in Acht nahm. Das Gefühl, als ich Freunde in ihrem neuen Reihenhaus in einer Vorstadtsiedlung besuchte. Sie waren glücklich, man sah es ihnen an. Sie strahlten und ich wusste, dass sie genau das, was sie immer suchten, endlich gefunden hatten: einen heimatlichen Ort in der zu großen Stadt. Ich freute mich für sie mit. Ich konnte gar nicht anders. Aber ich verabschiedete mich nach ein paar Stunden unter einem Vorwand und bekämpfte das beklemmende Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, mit schnellem Schritt zurück in die Stadt.

      Heimat war für mich etwas anderes. Kein Ort, vielmehr ein Wir – mein Freund, meine Freunde, meine Familie und ich. Wir waren ein Zelt, das ich überall aufschlagen konnte. Es bot mir ortsunabhängig Schutz und verschaffte mir ein warmes Gefühl. Ich blickte selten mit einem wehmütigen Auge auf die alte Heimat. Ich freute mich auf das, was mich erwartete. Immer wieder.

      Als dann die Kinder kamen, wusste ich erstaunlicherweise mit unserem allerersten Blick aufeinander, dass sich etwas ändern würde. Nach einer Weile bemerkte ich überrascht, dass ich sesshafter wurde und mich verortete. An den Ort, an dem die Kinder und mein Freund lebten, gehörte jetzt merkwürdigerweise auch ich. Plötzlich war es schön, wenn die neue Erzieherin sofort die Namen meiner Kinder kannte, und ich mochte es sogar, wenn uns der Mann am Gemüsestand „Schönen Tag“ hinterherrief, nachdem er jedem Kind einen Pfirsich in die Hand gedrückt hatte.

      Und ich? Ich fand es nett. Irgendwie freundlich. Kaum mehr peinlich. Sogar rührend fürsorglich.

      Vielleicht entsprach es einem sicheren Gefühl, das ich den Kindern bieten wollte. Wir schufen uns ein sicheres, heimatliches Gefühl, das an unseren Wohnort geknüpft war. Die Kita und später die Schule verstärkten das Phänomen und ließen mich meine üblichen Reflexe von Flucht vergessen. Der Ort mit den Kindern bot beiderseitige Geborgenheit, die ich warm spürte, wenn sie Mama riefen, mit verschmierten Gesichtern auf mich zuliefen und ihre klebrigen Finger an meinem Hosenbein abwischten. Ein Gefühl, das ein Vertrauen voraussetzte, und das im Kollektiv.

      Inzwischen sind meine Kinder groß. Sie gehen mehr und mehr ihre eigenen Wege. Ich begrüße das und doch bemerke ich, wie wehmütig ich manchmal auf uns und unser kuscheliges Heimatgefühl zurückblicke.

      Trotzdem musste ich neulich feststellen, dass sich bei mir erneut etwas verändert. Als die Verkäuferin beim Bäcker fragte, ob ich Laugenstangen wie immer wolle, sah ich mich kurz darauf verstohlen um, ob von dieser Stammkundschaftsszene jemand Zeuge geworden war.

      Meine heimatliche Unverträglichkeit beginnt also wieder.

      Vielleicht ist Heimat also kein Ort, sondern an Zeiten, Personen und Geschichten geknüpft. Es sind Menschen, die einem das Gefühl geben, man wäre zu Hause in der Heimat.

      Meine Familie, meine Freunde und die gemeinsam erlebten Geschichten bieten mir ein heimatliches Gefühl, das nicht notwendigerweise an einen Ort gebunden ist, außer dem des vertrauten gemeinsamen Beisammenseins. Wir stellen wenig grundsätzliche Fragen oder uns in Frage, denn wir setzen uns heimatlich, nicht selten kritiklos, voraus.

      Ich schaue auf die Postkarte.

       Heimat ist da, wo dein Laptop steht.

      Ein Freund ruft an. Ich frage recht unvermittelt:

      „Was bedeutet Heimat eigentlich für dich?“

      „Deine Tomatenbrotschnittchen. Die rühren mich zu Tränen“, sagt er.

      Es ist ein alter Witz zwischen uns.

      Und ich freue mich darüber und sage:

       „Absolut. Heimat ist eigentlich nichts anderes

       als ein Tomatenbrotschnittchen.“

       Heimat, gutes Stück, was solls?

       von Gerd Puls

      Heimat? Nur ein zwiespältiges Gefühl?

      Oder mehr als intakte Städtchen und Dörfer

      Die sich nicht abhängen lassen

      Mehr als gepflegte Wälder, saubere Bäche

      Artenreiche Felder, ein Gruß über den Zaun?

      Heimat? Ein Fleckchen Erde mit gesunden Tieren

      Vogelgezwitscher, glücklichen Menschen

      Mit Schützenumzug und gemütlicher Kneipe

      Mit Geselligkeit und guter Nachbarschaft

      Jeder kennt jeden, lautet das Motto, und lässt ihn leben

      Heimat? Eine Ecke zum Wohlfühlen, ein gutes Gefühl

      Jeder hilft jedem, hier stehste nicht allein, ey

      Wenn der Dorfpolizist, dein alter Klassenkamerad

      Dich mit dem Auto weiterfahren lässt

      Auch wenn du sturzbesoffen bist

      Heimat? Ein überschaubares Städtchen, ein Dorf

      Mit Poststelle (noch), mit Kita und dem alten Hausarzt

      Ein Aldi auf dem Acker vorm Ort, ein Vereinsheim

      Gegen die Langeweile, ein Fußballplatz für den

      Sonntagvormittag und eine Suhle für jede Sau

      Heimat? Ein Sumpf, in dem die braune Brühe brodelt

      Stinkend durch die Gossen schwappt

      Schlichte Idylle, Herkunft, Notdurft und Erinnerung

      „Weißt du noch, damals?“ Harmlose,

      Kindliche

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