Milan. Regina Mars

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Milan - Regina Mars Club der dichten Dichter

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laberst du da? Ein Schluck Bier und schon so besoffen, Robbel? Du Leichtgewicht.«

      »Wir können nicht alle so harte Kerle sein wie Milan Stein, der mega-männliche Thrillergott. Einige von uns haben romantische Seelen.«

      »Sicher, du Schmonzetten-Luder.«

      Rob lachte. »Dieses Luder verdient mehr Geld als ihr alle zusammen.«

      »Dieses Luder gibt nicht mal zu, dass es ein Kerl ist. Was würden deine Leserinnen dazu sagen?«

      »Zu mir?« Rob strich den dünnen Pullover so zurecht, dass man sein Sixpack erahnen konnte. »Die wären begeistert, wenn sie wüssten, was für ein heißer Kerl ihr Herzfutter schreibt.«

      »Wieso sagst du es ihnen dann nicht?«

      »Genau. Warum diese Lügerei?« Zebulon schaute tadelnd. »In anderen Kulturen wird Lügen mit dem Verlust der Seele gleichgesetzt.«

      »Aber nicht in Berlin.« Rob zuckte mit den Schultern. »Der Verlag besteht darauf, dass Eve M. Nightshade ein geschlossenes Pseudonym bleibt. Ist mir recht. So kann ich wenigstens in Ruhe Bier trinken und werde nicht erkannt.«

      »Autoren werden nie erkannt«, grummelte Zebulon. »Was nur beweist, in welch literaturfeindlicher Gesellschaft wir leben …«

      Milans Gedanken schweiften ab. Er kannte Zebulons Vorträge seit Jahren und der Trottel bestand trotzdem darauf, sie jeden Dienstag wieder zu halten. Jeden Dienstag, wenn sie sich hier trafen. Im Hemingways, dem gemütlichen, billigen Pub, dessen Wände mit alten Fotos und noch älteren Büchern übersät waren und dessen Deckenbalken so schief waren, dass die staubige Decke durchhing wie der Arsch einer alten Hafennutte. Bierdunst und gedämpfte Gespräche schwebten durch die Luft. Meghan, die Besitzerin, stand hinter der Bar und redete mit einem Stammgast. Fast jeder hier war ein Stammgast. Auch Milan und seine Kollegen.

      Vor drei Jahren hatten sie den Autorenstammtisch gegründet. Mal waren sie zu zehnt, mal kam nur die Kerntruppe: Rob, Milan und Valentin. Zebulon tauchte auf und verschwand, ohne irgendjemandem vorher Bescheid zu geben. Er war Reiseschriftsteller, Blogger und trieb sich als Backpacker in der Weltgeschichte herum. Immer wenn er von einem Trip zurückkehrte, war er unausstehlicher geworden. Aber seine Bücher verkauften sich. Genau wie die der anderen, na, außer das von Valentin. Der korrigierte seit Jahren an seinem Erstling herum, einem Historienschinken, der nie fertig wurde. Rob dagegen schien ein Buch pro Monat zu schreiben. Bald würde wieder eins erscheinen.

      »Ich geh eine rauchen«, sagte Milan, als Zebulon begann, sich auf sein Lieblingsthema einzuschießen: das deutsche Fernsehen und seine Unfähigkeit, gute Stoffe zu finden oder gar umzusetzen. Er hatte früher davon geträumt, Regisseur zu werden. Rob diskutierte gern mit ihm, aber Milan reichte es. Er konnte es kaum erwarten, dass Zebulon wieder an den Amazonas oder sonst wohin verschwand. Und er mochte den nervigen Trottel.

      Milan stand auf, zog seine Lederjacke über und kramte in den Taschen nach Tabak. Noch während er an den dunklen Holztischen voll ernsthaft diskutierender und ernsthaft saufender Gäste vorbeiging, drehte er sich eine Kippe. Vorsichtig taxierende Blicke trafen ihn. Nervig. Er beeilte sich, nach draußen zu kommen. Kaum hatte er die schwere Tür aufgestoßen, fühlte er sich besser. Die Luft roch nach nasser Straße und der Dönerbude nebenan. Fettschwaden, Zwiebelduft und sanfter Sprühregen krochen in seine Nase. Er schlug den Kragen seiner Lederjacke hoch und stellte sich unter die verblasste Markise. Nassglänzende Autos rauschten durch die schmale Seitenstraße, trübe Pfützen aufwirbelnd. Graubraunes Wasser schwappte auf den Gehsteig.

      Das Feuerzeug erhellte Milans Handflächen. Auch sie waren von Narben übersät. Glücklicherweise. Hätte er sich damals nicht mit den Händen geschützt, hätte er ein Auge verloren. Lange her. Die Spuren waren verblasst und alt. Wie weiße Blitze schlängelten sie sich über seine Haut, drei auf der linken, eine auf der rechten Hand.

      Während er den Rauch tief in seine Lungen sog, erinnerte er sich daran, wie Jules' Zeigefinger diese Linien nachgezeichnet hatte. Vorsichtig, kitzlig. Er konnte es fast spüren. Immer noch. Dabei war das schon wie lange her? Ein halbes Leben? Damals war er sechzehn gewesen und heute fast dreißig. Und er hatte sich in den Jahren nicht gerade gelangweilt. Männer, Abenteuer, furchtbare Abstürze und schwindelerregende Höhenflüge waren dicht aufeinandergefolgt. Doch Jules war Jules. Wie ein hartnäckiger Geist tauchte er immer wieder in Milans Kopf auf. Egal, wie viel Zeit verstrich. 2016 hatte er es drei Wochen lang geschafft, nicht an ihn zu denken. Aber die Erinnerung war zurückgekehrt. Wie immer.

      Und das ist gut so, dachte Milan. Wenigstens das habe ich noch von ihm. Meinem … Bruder.

      Jules' schräges Lächeln erschien vor seinem inneren Auge. Die ungleich langen Schneidezähne, die ihn frech aussehen ließen, obwohl er ein totaler Streber war. Na ja, bis er Milans Bruder geworden war. Der hatte ihn nicht schnell genug in den Abgrund …

      Milan schüttelte den Kopf. »Lass den Scheiß«, murmelte er. »Das ist vorbei.«

      Er richtete den Blick in den nachtschwarzen Himmel. Der Regen wurde stärker. Plätschernd fiel er vom Rand der Markise. Milan beobachtete die Rauchwolke, die aus seinem Mund schwebte und sich in der Dunkelheit auflöste. Rob wollte nachher noch in die Manobar. Was Warmes fürs Bettchen finden, hatte er gesagt. Milan würde mitgehen, schließlich war er seinem Zeitplan voraus. Das neue Manuskript ging gut voran. Er hatte heute drei grausame Morde beschrieben: Eine Häutung, eine Verätzung, und das dritte Opfer war qualvoll an einer Einhornspardose erstickt. Er hatte sich eine Belohnung verdient. Laura, seine Agentin, würde begeistert sein …

      »Milan?«

      Ein Orkan kam aus dem Nichts und fegte durch seinen Magen. Noch bevor er sich umdrehte, wusste er, dass sein Verderben hinter ihm stand. Also verharrte er. Eine endlose Sekunde lang.

      Verdammt, wer ist das?, dachte er. Ich kenne die Stimme, aber wer ist das? Warum …

      Warum prickelten seine Finger plötzlich so stark, dass die verdammte Kippe ihnen entglitt? Stockstarr sah er zu, wie sie zu Boden segelte und zischend auf dem Pflaster landete.

      »Milan? Das … Du bist es, oder?« Eine Stimme wie Rauch und Honig. So köstlich, dass er sich endlich umdrehen musste.

      »Bin ich«, sagte er lässig. »Und wer …«

      Er erstarrte. Ein Mann stand vor ihm. Ein dunkelblonder, attraktiver, triefend nasser Mann, in dessen Wimpern Regentropfen glänzten. Seine Lippen teilten sich zu einem schrägen Lächeln und zwei ungleiche Schneidezähne erschienen.

      Ein Krächzen drang aus Milans Kehle.

      2. Jules

      »So ein Zufall«, sagte Jules und dann noch etwas, das Milan nicht verstand, weil Jules so verdammt heiß aussah, dass der Regen auf seinem Körper sich in Dampf hätte verwandeln müssen. Schmale Hüften in Jeans, die sich so eng darum schmiegten, dass Milans Kehle austrocknete. Ein kräftiger Oberkörper in einer grauen Wolljacke und dieses Lächeln, dieses umwerfend schöne, schräge, schiefzahnige Lächeln in dem scharfgeschnittenen Gesicht.

      Er hat keine Brille mehr, dachte Milan, was immerhin ein vernünftiger Gedanke war. Oder hat er sie abgenommen, weil sie sonst beschlagen würde? Und er hat … einen Dreitagebart, nein einen Zehntagebart, mindestens …

      Verdammt, den Anblick würde er nie wieder aus dem Kopf bekommen. Da war kein Babyspeck

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