Milan. Regina Mars
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Читать онлайн книгу Milan - Regina Mars страница 3
»… ich hätte nicht gedacht, dass du jetzt auch hier wohnst«, sagte Jules.
»Hier?«
»In Berlin.« Jules fuhr sich durch die Haare, so dass sie noch chaotischer wurden. Milans Finger zuckten vor Verlangen, hindurchzufahren und sie in Ordnung zu bringen. Oder noch mehr zu verstrubbeln. Oder sie zu packen und Jules an sich zu ziehen.
»Ah, das.« Milan räusperte sich. Betont cool griff er in seine Jackentasche, befahl seinen Fingern, mit diesem dämlichen Zittern aufzuhören, und holte den Tabak heraus. »Ich bin vor ein paar Jahren hergezogen. Damals gab's noch billige Wohnungen und ich hatte kein Geld.« Irgendwie brachte er ein Lächeln zustande. »Das war lange vor meinem ersten Buchvertrag. Ich … he. Du wirst lachen: Ich bin jetzt Autor.«
Jules lachte nicht. Er nickte und lächelte, eine Geste, die so vertraut war, dass sie einen Dolch direkt durch Milans Herz sandte.
»Ich weiß. Ich habe dein letztes Buch gelesen.« Jules verzog den Mund, als wäre es ihm ein wenig peinlich. »Ehrlich gesagt habe ich alle gelesen. Beim … beim ersten wusste ich noch nicht, dass du das bist. Der Nachname und so. »Stein« passt zu dir.«
»Klingt halt besser als »Wurstbader«.«
»Ein wenig. Ich bin fast umgekippt, als ich dein Foto auf der letzten Seite gesehen habe.«
»Darauf hast du mich erkannt?« Milan sah auf seine Finger, die eine jämmerlich krumme Zigarette drehten. »Das ist doch fast nur Schatten. Man sieht nicht mal die Narben.«
»Ich würde dich immer erkennen.« Jules klang so aufrichtig, wie nur er es konnte. All die Jahre und in dem göttlichen Männerkörper vor Milan steckte immer noch ein kleiner Pfadfinder. »Ich meine, so sehr hast du dich auch nicht verändert.«
»Echt? Ich finde, ich bin viel hübscher geworden.« Milan grinste.
Innerlich machte er eine Zeitreise, zurück in sein erbärmliches, sechzehnjähriges Ich von damals. Unsicher, panisch und halb ruiniert von dem Gedanken daran, Jules irgendwann, eines Tages zu küssen. Und das alles hatte er kompensiert, indem er jedem auf's Maul gehauen hatte, der ihn irgendwie provoziert hatte. Früher war er ein noch größerer Trottel gewesen als jetzt.
Ich sollte etwas sagen. Etwas Unverfängliches. Etwas Gewöhnliches.
»Und was machst du jetzt so?«, fragte er. Eine normale Frage unter Erwachsenen. Sehr gut.
»Ich? Oh, ich bin Backend Developer in einer Gamesfirma«, sagte Jules. Sein Blick huschte zum Boden und zurück. »Hammerplay. Die haben mich letztes Jahr hergeholt. Ich …« Er verstummte. Ein Kleinwagen brauste vorbei und überschwemmte den Bürgersteig. Die Brühe floss fast bis zu ihren Füßen, Milans derben Stiefeln und Jules' schmalen schwarzen Sneakers.
»Klingt gut«, sagte Milan schließlich, weil ihm nichts Besseres einfiel. Sag was Interessantes, schrie er sich innerlich selbst an. »Und, zahlen die gut?«
Super. Sehr spannend. Und die Kippe war auch ein erbärmliches Stück geworden. Trotzdem zündete er sie an. Das Nikotin hätte ihn beruhigen sollen, stattdessen fühlte er sich so benebelt, als wäre es die erste seines Lebens.
»Ja, ganz anständig.« Jules fuhr sich schon wieder durch die Haare. Seine dunklen Augen schienen Milans Gesicht zu durchleuchten, also versuchte der, es hart und undurchdringlich zu machen. »Ich schätze, als Bestsellerautor verdient man mehr.«
»Nicht so gut, wie alle denken«, brummte Milan. »Ich kann mir 'ne luxuriöse Zweizimmerbude leisten und einmal im Jahr Urlaub machen.«
»Oh, echt?« Jules straffte sich. Er war immer noch ein wenig kleiner als Milan. Gerade so groß, dass Milan seine Nase hätte küssen können, wenn er sich nur ein wenig vorgebeugt hätte. »Ich … Hey, ich würde gern mehr davon hören. Ich meine … Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen? Zehn Jahre? Ich weiß gar nichts mehr über dich. Dabei waren wir doch mal Brüder. Fast Brüder.«
Es waren zwölf Jahre und das war eine furchtbare Idee.
»Ist ein bisschen schlecht gerade«, sagte Milan. »Ich hab viel zu tun. Das nächste Buch muss fertig werden.«
»Oh.« Jules schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. »Und danach? Wir könnten kurz einen Kaffee trinken, zwischendurch …« Ein Hauch der alten, hinreißenden Unsicherheit schlich sich in seine Stimme.
»Sorry, ich hab wirklich zu tun. Ich meld mich, wenn's besser aussieht.« Milan warf die kaum gerauchte Kippe zu Boden, trat sie aus und wandte sich zur Tür. »War nett, dich wiederzusehen. Mach's gut.«
»Du … auch.« Er hörte das Zögern in Jules' Stimme. Wahrscheinlich hielt der ihn für vollkommen bescheuert. Oder für ein Arschloch. Ein Arschloch, das behauptete, es würde sich melden, obwohl es nicht mal seine Nummer hatte.
Egal. Besser so. Er musste Abstand halten. Trotzdem verharrte Milan, sobald seine Hand die kalte Türklinke berührte.
Er räusperte sich. »Danke.«
»Wofür?«
Das dunkle Holz war mit unzähligen Kerben übersät, wie die pockennarbige Fresse eines alten Säufers. Wie Milans zerschnittenes Gesicht.
»Du hast mir … Du weißt schon. Du hast mir deine ganzen Bücher gezeigt. Das war …« Milan drehte sich um. Jules war noch genau so atemberaubend wie vor einem Augenblick. »Wegen dir schreibe ich.«
»Wegen mir.« Jules blinzelte. Dann röteten sich seine feuchten Wangen und ein verlegenes Lächeln blitzte auf. »Ach was. Das hättest du doch auch ohne mich …«
»Nein.« Milan lachte rau. »Bevor ich dich kennengelernt habe, konnte ich kaum lesen.«
»Natürlich konntest du lesen.« Jules schien nicht sicher, ob er ihn verarschte. »Ich hab es selbst gesehen.«
»Nicht richtig. Nicht so. So, dass es Spaß macht.« Milan räusperte sich. »Danke. Mach's gut.«
»Du auch«, sagte Jules, zum zweiten Mal. Und genauso verblüfft.
Milan betete, dass er ihm nicht ins Hemingways folgen würde. Jules blieb, wo er war. Schwere Enttäuschung drückte Milans Schultern nieder. Ja, er war noch genau der Idiot, der er vor zwölf Jahren gewesen war. Nur behaarter und muskulöser, was ihn erstaunlich wenig tröstete.
»Milan!« Zebulon klopfte dreimal auf den Tisch, sobald er ihn sah, eine Unart, die er sich in irgendeinem gottverlassenen Land angewöhnt hatte. »Gut, dass du da bist. Mach dem Romantikluder klar, dass der Epilog der vereiterte Wurmfortsatz der Literatur ist.«
Auf nichts hatte Milan weniger Lust. Fragend sah er Rob an. Der zuckte mit den Schultern.
»Das übliche Thema. Hey, du kommst später mit, oder? Die Manobar macht um zehn auf und mit vereinten Kräften können wir auch am Dienstag was Brauchbares aufreißen.«
»Heute nicht«, sagte Milan, ohne auch nur darüber nachzudenken. Stattdessen setzte er das Bierglas an die Lippen und trank es in einem Zug aus. Sein Körper fühlte sich an, als wäre er in einen Tornado geraten, kilometerweit durch