Rost. Jakub Małecki

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Rost - Jakub Małecki

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die Schnur zusammen und heftete ihren Blick direkt auf Szymek.

      »Ich höre.«

      Er sagte ihr alles: von den Geräuschen, vom Allmächtigen, dass der nachts in sein Zimmer wolle und dass er Angst vor ihm habe.

      Lange drückte sie ihre Hand auf seine Schulter und atmete tief aus. Sie roch nach Kaninchenfutter. Schließlich nahm sie die Hand weg, steckte die Schnur in die Tasche ihrer Weste und beugte sich zu ihm hinunter.

      »Das ist sehr gut, dass du Angst hast. Als ich klein war und im Dunkeln von der Schule heimging, hatte ich auch immer Angst, dass etwas aus dem Gebüsch springen könnte. Das ist bis heute so. Es reicht ein Geräusch, schon springe ich weg. Aber das ist gut, Szymek. Ist es vielleicht eine Kunst, im Dunkeln zu laufen, wenn man sich nicht fürchtet? Eine Kunst ist es, im Dunkeln zu laufen, wenn man vor Angst am ganzen Leib zittert. Es ist ein großes Glück, wenn man sich fürchtet, Szymek. Nur dann kann man zeigen, dass man tapfer ist.«

      Wortlos sah er sie an, in die Decke gewickelt. Er wollte, dass sie ihn an sich drückte und nicht mehr losließ.

      »Aber weißt du«, sagte sie plötzlich und richtete sich auf. »Wenn der Allmächtige zu uns ins Haus kommt, dann erschieße ich ihn.«

      Er sagte lange nichts, blickte zum Fenster, dann zu ihr, dann wieder zum Fenster. Schließlich fragte er:

      »Womit denn? Du hast doch gar keine Pistole, Oma.«

      »Doch, ich hab eine. Und ich erschieße ihn mit der Pistole, wenn er hier reinkommt. Verstehst du? Ich erschieße ihn. Bei mir musst du vor nichts Angst haben.«

      Sie stand schon auf, als er sie bat, ihm die Pistole zu zeigen. Er rutschte ein Stück höher und lehnte den Kopf an die Wand. Sie seufzte und schloss die Augen. Er hörte, wie sie etwas vor sich hin flüsterte. Sie ließ ihn kurz allein, kam mit einer Kaffeedose aus Blech wieder, nahm die Pistole heraus und drehte sie in den Händen:

      »Die ist echt und schießt. Jetzt hast du’s gesehen und musst dich nicht mehr an der Heizung festbinden. Wenn er kommt, dann ruf nach mir. Ich komme und erschieße die Nervensäge.«

      In der einen Waschmaschine hatte er die Spielsachen, auf die zweite horchte er abends. Alle paar Tage rauschte sie im Flur, direkt neben der Tür zu seinem Zimmer, und schreckte den Allmächtigen durch die rhythmische Umdrehung der Trommel ab. Szymek fühlte sich dann sicher und schlief ruhig ein.

      Früher, in seinem ersten Leben, wurde nachmittags gewaschen, von Mama. Sie kam von der Arbeit zurück, machte Musik an, legte die Einkäufe in die Schränke und den Kühlschrank, schwirrte durch die Wohnung und verschwand im Bad. Bevor das bekannte Blubbern der Waschmaschine ertönte, hörte Szymek noch das Quietschen des geöffneten Fensters und das Knipsen des Feuerzeugs. Mama rauchte eine Zigarette am Tag, immer im Bad, immer allein. Manchmal wollte er zu ihr hinein, sie etwas ganz Wichtiges fragen oder ihr eine sehr lustige Geschichte aus einem Märchen erzählen, aber sie bat ihn, damit zu warten.

      »Das ist meine Zeit jetzt«, sagte sie dann und schloss die Tür wieder.

      Für diese paar Minuten war sie wirklich verschwunden. Sie war dann nicht bei ihm, sie war nicht in der Wohnung, vielleicht gab es sie überhaupt nicht mehr. Er wusste dann nicht, was er mit sich anfangen sollte. Die Stille wurde immer quälender, die Zeichentrickfilme kamen ihm blöd vor, die Comics wollte er nicht anrühren. Endlich ging die Badezimmertür auf, und Mama existierte wieder: Sie schlug die Zeitung auf, wechselte die CD, sie buk einen Kuchen. Alles war wieder an seinem Platz, auch Szymek.

      Einmal, als er Kühe ausmalte, machte er einen schwarzen Fleck auf sein Lieblings-T-Shirt mit Splinter von den Ninja Turtles und lief ganz aufgelöst zu Mama, es war schließlich das T-Shirt mit Splinter, dem Chef der Schildkröten, das beste T-Shirt der Welt. Mama legte ihm die Hände auf die Schultern und sagte mit ernster Stimme:

      »Hab keine Angst. Wir stecken das T-Shirt in die Waschmaschine, und Splinter ist gerettet.«

      Sie sollte ihm versprechen, dass Splinter in der Waschmaschine nicht kaputtgeht und nicht ertrinkt, dass die schwarzen Flecken weggehen und alles gut wird. In ihrer Waschmaschine sei Splinter ganz sicher, antwortete sie. Die Waschmaschine hatte schon Lilo und Stitch, Papa Schlumpf, Mike Wazowski von den Monsters und Lucky Luke mit seinem Pferd gerettet. Keinem von ihnen war etwas passiert, und Lucky Lukes Pferd sah nach der Wäsche sogar zufriedener aus als vorher. Ja, in Mamas Waschmaschine war alles in Sicherheit.

      Jetzt, da er bei Großmutter wohnte, bedauerte Szymek, dass die Waschmaschine nicht größer war und er nicht zusammen mit den Eltern hineingestiegen war vor ihrem Ausflug nach Warschau. Bei Großmutter war es langweilig, seltsam und manchmal furchtbar traurig, vor allem abends, vor allem, wenn alles still war und die Eltern immer noch nicht lebten. Er lag dann mit offenen Augen da und horchte auf die Züge, die in der Ferne vorbeifuhren.

      In seinem ersten Leben waren die Züge viel lauter gewesen. Sie hatten in einem sechsstöckigen Wohnblock an der Opałka-Straße gewohnt, nicht weit vom Bahnhof. Sein Zimmer hatte ein Fenster zur Straße, und abends, bis an den Hals in die Decke gehüllt, lauschte er dem geheimnisvollen Rauschen und Pfeifen, das hinter den Schrebergärten ertönte. Bei Großmutter konnte man die Züge kaum hören. Er wartete, dass einer pfeifen würde, doch das war selten der Fall. Sie fuhren in weiter Entfernung, am Wald, dort, wohin er immer mit Budzik ging.

      Auf den Gleisen hatte er in letzter Zeit wenig Glück. Viermal hintereinander hatte er sein Klebteil nicht gefunden, viermal hintereinander musste er das fröhliche Quietschen von Budzik ertragen, viermal hintereinander kam er mit leeren Händen nach Hause. Jetzt lag er mit heruntergestrampelter Decke im Bett und überlegte, was er tun könnte, damit es besser würde. Es gab viele Optionen, er wählte die riskanteste: Er würde einen Stapel von vier oder fünf alten Münzen legen, die er im Glas hatte, und obendrauf das neueste Zlotystück von Herrn Jurek. So eine hohe Konstruktion war gefährlich, aber er hatte das Gefühl, morgen würde es gutgehen. Mit diesem Gedanken schlief er ein.

      Morgens erwachte er vom Geräusch der Kaffeemühle, und es ging weiter wie immer: Frühstück, Kaninchen, Einkaufen in der Stadt, Großmutter taub für seine Bitte um das neue Comic-Heft, dann Mittagessen, sehr gut, mit Möhren, dann die Wachteln und erst danach frei. Es war Freitag, warm, vier Tage Pech auf den Gleisen lagen hinter ihm, heute würde er Glück haben, heute war sein Tag. Budzik trug eine Metallplatte, aus der Werkstatt seines Vaters geklaut wie fast alles, woraus er seine Klebteile machte. Er wollte sie ein wenig schräg auf die Schiene legen, damit sie der Länge nach glattgepresst und die zwei Ecken abgeschnitten würden. Szymek blieb bei seinem riskanten Münzenturm.

      Sie arrangierten alles und setzten sich in den Sand am Wegrand. Im Wald rauschte es. Der Wind schüttelte die Zweige der Bäume, in der Ferne, über der Stadt sammelten sich Wolken. Szymek pfiff auf einem Grashalm und dachte an nichts. Ein paar Minuten später kam der Zug, ein schneller Personenzug, das heißt, wenig Chancen. Er fuhr vorbei und erfüllte die ganze Welt. Gleich darauf durchsuchten sie das Gebüsch und das Unkraut.

      Wieder hatte nur Budzik Glück. Unter der Last der Lokomotive hatte sich seine Platte in eine lange, glänzende Zunge verwandelt. Von den Münzen keine Spur, sie waren weit Richtung Wald geflogen. Szymek suchte, durchkämmte wieder und wieder das vertraute Gebüsch, fünf Minuten, zehn Minuten, zwanzig. Am Anfang half ihm Budzik, dann setzte er sich wieder an den Wegrand und betrachtete das neue Element seiner Sammlung. Der Wind wurde immer stärker, es begann zu nieseln. Szymek, rot im Gesicht, riss büschelweise Gras aus. Einer jungen Birke versetzte er einen Tritt, sprang zurück und jaulte vor Schmerz. Er richtete sich auf und schaute nach dem nächsten heranfahrenden

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