Evolution statt Revolution. Anke Nienkerke-Springer

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Evolution statt Revolution - Anke Nienkerke-Springer Dein Business

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Bei Volkswagen etwa sollte im Zuge des Dieselskandals ein VW-Vorstand für Regeltreue im Konzern sorgen. Doch: »Einfach nur Regeln aufstellen reicht da nicht« – vielmehr war und ist es notwendig, die Unternehmenskultur zu verändern. »Die Mitarbeiter sollen sich weniger als Befehlsempfänger verstehen denn als Mitarbeiter mit Wertebewusstsein, die ein Gespür dafür entwickeln, welche Geschäfte integer sind – und welche nicht.« (Klawitter 2019, S. 64) Doch das ist gewiss nicht leicht, solange gegen die – ehemalige – Konzernspitze mögliche Schadensersatzklagen anhängig sind oder Gerichtsprozesse drohen.

      »Sie wollen Wirtschaftsethik studieren? Da müssen Sie sich schon entscheiden, junger Mann« – das soll ein Professor einst einem Studenten in der Studienberatung gesagt haben. Das Bonmot soll auf den unversöhnlichen Widerspruch zwischen Wirtschaft und Ethik aufmerksam machen. Natürlich: Die Wirtschaft und die Unternehmen sind keineswegs nur von Menschen bevölkert, für die Ethik ein Fremdwort ist. Aber es gibt doch erschreckend viele Unternehmen, in denen es den Menschen nicht gerade leicht gemacht wird, ihre moralischen Skrupel einzubringen, einfach, weil dies nicht in der DNA des Unternehmens angelegt ist.

      Wenn es denn so etwas wie eine ethische Urquelle in uns Menschen gibt, dann scheint sie, so befürchte ich, bei vielen Unternehmenslenkern verschüttet zu sein. »Moral wirkt noch immer wie ein Makel, und Ethik erscheint lediglich als Bremse für den Umsatz. Werte seien ja schön, heißt es oft, aber sie müssten sich rentieren«, so der traurige Befund einer Analyse des Fehlverhaltens von Managern in deutschen Unternehmen (Klawitter 2019, S. 64).

      An dieser Stelle treffen die Worte des Ethikprofessors Joachim Kohlhof zu: »Ohne Ethik versagt die Politik, verkommt die Wirtschaft, verwahrlost die Gesellschaft und verirrt sich der Mensch in das Nichts vom puren Tun.« Ein Grund mag sein: Der Gewinn wurde zum Maß aller Dinge. Oft, so scheint es, sind den handelnden Menschen in Politik, Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und kirchlichen Institutionen sowie öffentlichen Einrichtungen das Gefühl und der Blick für das rechte Maß abhandengekommen.

       Die Unternehmerpersönlichkeit und ihre Eigenschaften

      Wann ist ein Unternehmen ein wertschätzendes Unternehmen? Doch wohl vor allem dann, wenn es von klugen Unternehmerpersönlichkeiten mit Haltung geführt wird. Es stellt sich daher die Frage, was eine »kluge Unternehmerpersönlichkeit« überhaupt ausmacht und kennzeichnet. Sich nur an Gesetze und Regeln zu halten genügt nicht. Vielmehr benötigen Unternehmer, Manager und Führungskräfte ein festes und stabiles Wertegerüst, eine klare Haltung, die auf einem Wertebewusstsein beruht und sich an konkreten Inhalten orientiert. Dabei dürfen Moral und Ethik keiner Auszahlungslogik und den Gesetzmäßigkeiten der Gewinnmaximierung unterworfen werden, nach dem Motto: »Ich verhalte mich moralisch, weil es sich lohnt und sich bezahlt macht und ich dann anerkannter und erfolgreicher bin.« Unternehmerpersönlichkeiten reflektieren ihr Denken und Tun ständig und überprüfen ihre Handlungen im Rahmen eines Selbstreflexionsprozesses kritisch, indem sie ihre Aktivitäten und ihre Entscheidungen an ihrem Wertesystem messen: »Werde ich mir selbst, werde ich meinen eigenen – auch moralischen – Ansprüchen noch gerecht?«

      Ich nenne solche Persönlichkeiten »fokussierte Menschen« (vgl. Nienkerke-Springer 2018a). Fokussierte Menschen weisen eine klare Haltung auf und können artikulieren, wofür sie stehen. Fokussierte Unternehmer- und Führungspersönlichkeiten werden von ihrem Umfeld als Menschen wahrgenommen, die Ecken und Kanten besitzen, an denen sich andere gerne festhalten, weil sie Orientierung, Halt(ung) und Stabilität garantieren: Wer eine Haltung hat, kann auch anderen Menschen Halt geben.

image Selbstbewusstsein, Selbstverantwortung und Selbstsicherheit – aus diesem strategischen Dreiklang ergibt sich eine Haltung, mit der es der fokussierten Persönlichkeit gelingt, sich gegen Konformismus und Angepasstheit widerständig zu zeigen.

      Meiner Überzeugung und Erfahrung nach gilt: Eine fokussierte Persönlichkeit weiß genau, was untrennbar zu ihr gehört und was sie in ihrem tiefsten Inneren ausmacht und antreibt. Auf die Frage »Wer bin ich?« hat sie eine Antwort gefunden. Darum kann sie Integrität und Haltung zeigen. »Besser ein Mensch mit Ecken und Kanten als ein rundes Nichts« – danach lebt sie (vgl. Nienkerke-Springer 2018a). Ohne es im strengen Sinn beweisen zu können, bin ich überzeugt, dass sich Unternehmerpersönlichkeiten wie Götz W. Werner oder Dirk Roßmann und etliche weitere erfolgreiche Familienunternehmer an diesem Motto orientieren und daraus die visionäre Kraft und den Mut schöpfen, ihr Unternehmen zu prägen und ihre Mission zu verwirklichen.

      Eine fokussierte Persönlichkeit sehnt sich danach, ihrem Tun einen Sinn zu geben. Das erzeugt Resonanz und wirkt auf das Umfeld. Der große Vorteil: Die Menschen im Umfeld – und eben auch die Mitarbeiter und Kunden – wissen, woran sie sind. Darum übernehmen fokussierte Persönlichkeiten gern Führungsverantwortung und zeigen eine klare Haltung, die für die Mitarbeiter erfahrbar und überprüfbar ist. Sie sind oft Vollblutunternehmer mit Körper, Geist und Seele, die sich ihrer Lebensaufgabe und Mission mit Haut und Haaren verschrieben haben.

       Übereinstimmung zwischen Unternehmen mit Persönlichkeit und Unternehmerpersönlichkeit

      An dieser Stelle fällt die Kongruenz auf zwischen Unternehmen mit Persönlichkeit und Unternehmern mit Persönlichkeit, eine Kongruenz, die auch dadurch zustande kommt, dass eine Unternehmerpersönlichkeit erheblichen Einfluss auf die Entwicklung und Geschicke einer Firma nehmen kann. Etwas anders sieht es bei den Führungspersönlichkeiten aus. Mir begegnen viele ambitionierte Menschen mit Führungsverantwortung. Allerdings: Hemmend wirken sich oftmals die Bedingungen des Systems aus, sprich des jeweiligen Unternehmens, das Einzigartigkeit nicht zulässt oder erschwert. Windschnittige 08/15-Führungskräfte sind häufig beliebter als Persönlichkeiten, die ihre Einzigartigkeit leben. Systemische, durch die Struktur des Unternehmens bedingte Faktoren verhindern, dass sich Menschen in ihrer Persönlichkeit entfalten und entwickeln können. Klassisches Beispiel sind Unternehmen, deren Strukturen es verhindern, dass sich mittel- und langfristige Interessen statt kurzfristiger Gewinnmaximierung und damit auch entsprechende Führungspersönlichkeiten durchsetzen können. Der Druck, im Quartalsrhythmus Zahlen vorzulegen, die die Aktionäre zufriedenstellen oder gar in Verzückung geraten lassen, steht langfristigen Orientierungen im Weg. Besonders fatale Auswirkungen drohen, wenn Vorstände, Manager und Führungskräfte durch falsche Anreize die eigenen Interessen wie etwa den Joberhalt und Bonuszahlungen über die langfristigen Interessen des Unternehmens stellen.

      Hier müssen Unternehmen umdenken. Denn meiner Ansicht nach werden diejenigen Unternehmen am Markt erfolgreicher sein, die mithilfe einer wertschätzenden Unternehmenskultur kreatives Querdenkertum fördern und es Führungskräften und Mitarbeitern erlauben, ihre individuellen Stärken und Potenziale zu entfalten. In Firmen, in denen eine fokussierte Unternehmerpersönlichkeit an der Spitze steht, ist auffällig häufig zu beobachten, dass es auch den Führungskräften gelingt, ihre Individualität und Einzigartigkeit zu zeigen.

       Zum Wesenskern der Persönlichkeit vordringen

      In zweiten Teil dieses Buches werden Sie erfahren, wie es mithilfe einer Executive Personal Brand Strategy (EPBS©) gelingt, sich zu einem fokussierten Menschen zu entwickeln, der als solcher auch wahrgenommen wird. An dieser Stelle soll der Hinweis genügen: Fokussierten Menschen mit Haltung ist es gelungen, ihren Wesenskern zu identifizieren. Sie haben ihre Mitte gefunden und sind bei sich selbst angekommen. Sie ruhen in sich und verfügen darum über einen inneren Kompass, der ihnen zeigt, was richtig ist und was falsch. Sie agieren aufgrund einer erworbenen und nicht aufgrund einer verliehenen oder geliehenen Autorität, die sie

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