Rein in die Führung. Susanne Klein
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Rein in die Führung - Susanne Klein страница 11
Die wahren Entscheidungsebenen
Sie entscheiden sich beispielsweise, eine Tasse Kaffee zu trinken. Das ist Ihre eigene Entscheidung – glauben Sie. Hirnforscher sehen das anders. Ihre Entscheidung wird Ihnen erst am Schluss des Prozesses bewusst. Wenn Sie denken: »Ich möchte gerne eine Tasse Kaffee trinken«, dann ist der Entscheidungsprozess bereits gelaufen. Abgeschlossen. Völlig ohne Ihren bewussten Einfluss. Befremdlich, aber wahr. Gerade bei lustverschaffenden Dingen im Leben läuft der Entscheidungsprozess auf einer anderen Ebene. Keinesfalls bewusst. Also wollen wir das, was andere neuronale Ebenen für uns längst entschieden haben, und nicht umgekehrt: Wir wollen eben, was wir tun. Wir entschließen uns nicht aktiv dazu.
Aber es gibt doch die Erfahrung, frei wählen zu können – oder? Ja und nein. Das Gefühl existiert schon, denn letztendlich lebt es uns und nicht wir das Leben. Staunen und Dankbarkeit liegen hier näher als der Wunsch nach Kontrolle.
Wo waren wir stehen geblieben? Bei Leidenschaft, Freude und Energie. Nun, da Sie wissen, es lebt Sie und die Entscheidungen werden zum großen Teil in anderen Instanzen getroffen (die Sie nicht im Griff haben), können Sie sich doch ganz frei fühlen und das Leben genießen, oder? Genießen Sie auch Ihre Arbeit und trifft Ihre Kompetenz am oberen Limit auf die Aufgaben, dann fühlen Sie eine positive Herausforderung und sind in dem Bereich, den Mihály Csíkszentmihályi als »Flow« bezeichnet. Hier kann sich Leidenschaft entwickeln, hier halten Sie genau die richtige Menge an Fokus und an Energie und bringen Ihre Projekte erfolgreich zum Ende. Es braucht keine Anstrengung und Sie haben das Gefühl, stundenlang in diesem Zustand arbeiten zu können.
Fokus und Energie in voller Ausprägung machen dies möglich. Das gelingt nicht, wenn eines fehlt: der Spaß an der Sache und damit die Energie oder der Fokus.
Energie 2: Experimentier- und Risikofreude
Chancen für junge Führungskräfte
Verschiedene Studien zeigen es immer wieder: Die jungen Führungskräfte oder High Potentials, die ihren Weg an die Spitze machen, sind besonders experimentier- und risikofreudig. Sie haben schlichtweg keine Angst, einen Fehler zu machen, sondern suchen immer wieder nach ungewöhnlichen Lösungen, die sie ausprobieren. Das hat vor allem das Projekt »Kids-Management« in Osteuropa gezeigt. Junge Führungskräfte übernahmen dort große Verantwortung und entwickelten auf ihre Weise aktiv die Wirtschaft ihres Landes.
In dem Wissen, dass nicht alle Risiken kalkulierbar sind und nicht im Voraus betrachtet werden können, haben diese jungen Führungskräfte ihre Chancen genutzt. Gleichzeitig haben sie Strategien, die sich nicht als erfolgreich erwiesen, auch wieder verlassen. Wenn sie sich einmal für einen Weg entschieden hatten, war dieser für sie nicht »in Stein gemeißelt«. Sie blieben flexibel und schauten sich genau an, welche Maßnahmen welche Erfolge brachten: kurzfristig wie langfristig.
Risiken als Herausforderungen
Der Coach und Unternehmensberater Lee Sears konnte in einer Interviewstudie mit jungen Führungskräften zeigen, was diese erfolgreich macht. Er beobachtete sie über viele Jahre und fand Kriterien, die den Erfolg maßgeblich steuern. Eines davon war der Umgang mit dem Risiko. Die erfolgreichen Führungskräfte waren eher Entrepreneure als Angestellte. Sie hatten Spaß an Neuem. Bei ihnen war die Neugier größer als die Angst vor dem Ungewohnten. Das Risiko, das ihre Entscheidungen bargen, spielte für sie keine allzu große Rolle. Das Wort »Risiko« benutzten sie selbst nicht. Ihre Haltung war eher von einer großen Improvisationsfähigkeit geprägt und zeigte sich in Aussagen wie »Let’s try« – lass es uns einfach versuchen. Alles, was neu war, fanden sie spannend und auch Schwierigkeiten sahen sie eher als Herausforderung denn als Blockade.
Sich auf die Intuition verlassen
Die relative Bedeutung von Daten
Der Autor David Dotlich und seine Kollegen vertreten die Auffassung, dass die Fähigkeit, auch ein kalkuliertes Risiko in Kauf zu nehmen, sehr wenig mit einer angemessenen Datenlage zu tun hat. Wie ein Ingenieur vorzugehen, ist manchmal müßig. Bis alle relevanten Daten gefunden und ausgewertet sind, ist das kritische Zeitfenster vielleicht schon abgelaufen. Nach Meinung der Autoren spielen Faktoren wie Intuition und Beliefs (Glaubenssätze) eine weitaus wichtigere Rolle. Sind die Beliefs unangemessen und die Intuition falsch, geht die Entscheidung schief. Oft aber werden sehr gute Entscheidungen ohne signifikante Datenlage getroffen. Die Autoren beschreiben sogar die Situation, dass eine Datenlage eigentlich eine bestimmte Entscheidung notwendig machen würde. Das Management weiß aber mit jeder Pore seines Körpers, dass diese Entscheidung falsch sein würde. Dieses Gefühl legt einfach eine andere Entscheidung nahe. Das relativiert die Bedeutung von Daten erheblich.
Oft sind die relevanten Daten sehr schnell veraltet und man kann mit den Daten von gestern schlecht eine Entscheidung für morgen treffen. Wie so oft liegt die gute Balance in der Mitte: so oft wie möglich verlässliches Datenmaterial verschaffen und gleichzeitig die Intuition nicht vernachlässigen. Außerdem kann die Intuition durch konsequente Perspektivwechsel unterstützt werden: Wie sieht das aus Kundensicht aus? Wie sieht das vom ausländischen Markt betrachtet aus?
Perfektion vs. Risikofreude
Demgegenüber steht der Wunsch nach Perfektion, der ein gesundes Maß an Risikofreude eher verhindert. Die Sorge davor, etwas falsch zu entscheiden, lässt uns lieber in den bewährten Bahnen bleiben, als neue Wege zu suchen, die zwar nicht vertraut sind, aber deutlich erfolgreicher sein könnten. Im Unbekannten liegt stets eine gewisse Gefahr. Wie in allen Führungsbereichen geht es auch hier um uns selbst und die anderen. Wir müssen selbst in einem vertretbaren Rahmen risikofreudig sein und gleichzeitig so führen, dass Menschen dazu ermutigt werden, auch Neues zu versuchen und zu experimentieren.
Je weniger Spielraum Menschen haben, umso weniger experimentieren sie. Zeitdruck und eine geringe Fehlertoleranz erlauben es gar nicht, alternative Möglichkeiten zu testen. Und gleichzeitig beschränken diese engen Bahnen auch den Erfolg.
Energie 3: Bodenhaftung
»Je höher man fliegt, desto tiefer fällt man« – Sie kennen sicherlich diese Volksweisheit. Man könnte auch einfach sagen: dumm gelaufen. Nicht jeder hat eine Partnerin, die dafür sorgt, dass man die Bodenhaftung nicht verliert, wie Bahn-Chef Rüdiger Grube, der in einem Interview im Mai 2009 seine Ehefrau als Grund für seinen Sinn für Realität angibt. Es sind die Erfahrungen, die Menschen dazu bringen, auf sicherem Boden zu bleiben.
Höhenflug vorprogrammiert
Wie kommt es dazu, dass Menschen die Bodenhaftung verlieren? In der Regel überschätzen sie die eigene Leistungsfähigkeit und sind nicht mehr bereit, Expertenwissen zu nutzen. Geht der CEO mit dieser Denkweise voran, dann überschätzt in kurzer Zeit die ganze Organisation ihre Leistungsfähigkeit. Die Mitarbeiter sind kaum motiviert, über gravierende Fehler nachzudenken, weil jeder selbstverständlich davon ausgeht, dass es keine geben wird. Oft treten sie dann auch ihren Kunden mit einer gehörigen Portion Arroganz gegenüber, sodass diese sich sehr wundern und über Alternativen nachdenken.
Hierarchiehörigkeit als Falle
Was bringt den CEO dazu, sich so sehr zu überschätzen? In vielen Fällen entspricht das Zahlenmaterial,