Rein in die Führung. Susanne Klein
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Leidenschaft, Freude und Neugier sind die Faktoren, mit denen erfolgreiche Menschen an das Leben herangehen. Mit Leidenschaft denkt man gerne an alles und widmet sich mit voller Energie den Projekten. Niemand muss Sie darauf hinweisen, wo die wesentlichen Punkte sind, für die Sie Energie bereitstellen sollen. Sie können diese Punkte nur erkennen, wenn Sie sehr offen bleiben, neugierig sind und sich nicht durch Standardskripte leiten lassen.
Skripte steuern unser Tun
Die Funktion von »Drehbüchern«
Psychologen gehen davon aus, dass wir für alle Situationen im Leben so etwas wie ein Skript, also ein Drehbuch, anfertigen. Wir lernen neue Situationen kennen und schreiben dann innerlich ein solches Skript. Kommen wir wieder in diese Situation, dann wissen wir schon, wie wir uns zu verhalten haben. Fatal, wenn es dann einmal anders läuft.
So haben wir beispielsweise alle ein Skript dafür, wie ein effektives Teammeeting zu gestalten ist. Manche Manager laufen nur noch von Meeting zu Meeting und versuchen, in den Folgemeetings die Arbeitsaufträge der vorherigen Konferenzen zu erledigen. Damit stören sie wahrscheinlich die Skripte der anderen Beteiligten, die sich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit wünschen. Für diese spezielle Situation existieren unterschiedliche Skripte. Hier eine kleine Auswahl:
A: In einem Meeting begegnen wir uns mit ungeteilter Aufmerksamkeit für jedes Thema, wir diskutieren sachlich und treffen Entscheidungen am besten einheitlich.
B: In einem Meeting kann ich, wenn es um für mich uninteressante Themen geht, andere Aufträge erledigen. Wenn die anderen diskutieren, höre ich manchmal zu und enthalte mich grundsätzlich lieber bei Entscheidungen.
C: In einem Meeting diskutieren wir die Dinge lange und ausführlich, um eine tragfähige Analyse zu erhalten. Entschieden wird im Anschluss an anderer Stelle. Das ist nicht unsere Aufgabe.
Das ideale Skript? Das eigene!
In allen Fällen werden wir mit unterschiedlichen Erwartungen konfrontiert, die zu Konflikten führen können. Skripte helfen uns, die Welt zu verstehen. Sie helfen uns, uns zurechtzufinden und nicht jedes Mal die Abläufe neu verstehen zu müssen. Das Interessante daran ist, dass wir unsere Skripte für völlig natürlich halten. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Richtig spannend wird es dann, wenn Menschen selbstverständlich davon ausgehen, die anderen Personen hätten das gleiche Skript verinnerlicht. Sie erleben diese anderen als unhöflich, wenn sie sich nicht so verhalten, wie sie es von ihnen erwarten.
Neugierig bleiben und gut beobachten
Neugierig auf kulturelle Unterschiede?
Verlassen wir unsere Kultur, kann es sein, dass unser Verhalten plötzlich auffällt. Werden Sie beispielsweise in Indien von einem Geschäftspartner nach Hause eingeladen und entschließen sich, der Dame des Hauses einen Strauß Blumen mitzubringen, dann verhalten Sie sich wahrscheinlich klassisch deutsch: Sie packen vor der Tür die Blumen aus und wenn Sie die Dame sehen, gehen Sie auf sie zu und drücken ihr mit ein paar freundlichen Worten die Blumen in die Hand. Trotz perfekter deutscher Verhaltensweise sind Sie nun schon unangenehm aufgefallen. In Indien ist es deutlich höflicher, die Blumen verpackt zu lassen und sie einfach unauffällig auf einem Nebentisch abzulegen. Schlecht gelaufen, könnten Sie sagen oder auch: nicht neugierig genug gewesen. Kulturen kann man durch genaues Beobachten sehr gut erschließen. Wenn Sie als souveräner deutscher Geschäftsmann in ein fremdes Land fahren und ihre deutschen Skripte verwenden, dann erreichen Sie wahrscheinlich nicht viel. Neben allem sachlichen Know-how ist es maßgeblich für den Erfolg, neugierig und offen zu bleiben, Freude am Erkennen des anderen zu entwickeln und so zu neuen Skripten über das geschäftliche Miteinander zu kommen.
Skript ist nicht gleich Skript
Aber wir müssen gar nicht Tausende Kilometer fliegen, um auf andere Skripte zu stoßen. Vermutlich gehen viele Menschen davon aus, dass in unserer Kultur ein hohes Maß an Einverständnis darüber besteht, welche Skripte wann zu nutzen sind. Aber das trifft so nicht zu, weil unsere Skripte so unterschiedlich sind. Wenn wir von unseren eigenen Selbstverständlichkeiten ausgehen, erkennen wir kaum, wie der andere »tickt«. Ohne neugierig zu sein, können wir deswegen viel weniger erreichen.
Bestätigung vs. Infragestellung
Viele Erwartungen werden bestätigt, weil sie schon ein Extrakt aus unseren Erfahrungen sind. Interessanterweise sind wir sehr großzügig, wenn es darum geht, Erfahrungen zu bestätigen – auch wenn es dafür nötig sein sollte, Realitäten umzudeuten. Das sind relativ feste Konzepte in der Persönlichkeit und in der Wahrnehmung. Deutlich neugieriger und damit flexibler sind Menschen, die diese Konzepte immer wieder aktiv infrage stellen.
In einer entspannten Situation ist alles oft noch im grünen Bereich. Spannend wird es, wenn Druck aufkommt. Dann handeln die meisten Menschen in fast neurotischer Art und Weise skriptkonform und es kommt zu Konflikten, Unfällen oder anderen schwerwiegenden Ereignissen. Flexibel sind die meisten von uns nicht mehr. Erinnern Sie die Feuerwehrleute? Nachdem sie einmal gelernt hatten, wie sie mit den richtigen Tools umgehen mussten, haben sie die Fähigkeit verloren, diese Tools abzulegen und sich selbst zu retten. Sie waren sicher bis zum Schluss davon überzeugt, dass nur ihre Tools sie retten können.
Gefährliches skriptkonformes Verhalten
In vielen Bereichen gibt es Beispiele für unflexibles, skriptkonformes Handeln, das zu Katastrophen führen kann. Viele kommen aus der Flugsicherung. Wenn ein Offizier auf einem Flugzeugträger davon überzeugt ist, dass eine kleine überflüssige Schraube auf dem Deck keine große Sache ist – eben nur eine kleine Schraube –, dann lässt er sie achtlos liegen und handelt skriptkonform. Er erwartet keinen Unfall und kümmert sich nicht um die kleine Schraube. Wenn diese Schraube später aber in einen Jetmotor kommt und das zu einer Explosion führt, dann ist das keine kleine Sache mehr und der Offizier hat hoffentlich etwas gelernt. Im schlechtesten Fall wird er andere Gründe für die Explosion anführen, um sein Skript: »Eine Schraube ist keine große Sache« zu verifizieren.
Flexibilität und Lernbereitschaft gefragt
In sicherheitsrelevanten Bereichen, in denen man gut beobachten kann, was welche Auswirkungen hat, sind Menschen häufig sehr flexibel und lernfähig. Sie behalten den offenen Fokus und damit die Neugier auf optimale Prozesse. In vielen Bereichen des Managements ist das anders. Hier gibt es oft nur Hypothesen darüber, was das Unternehmen zum Erfolg geführt hat. Realitäten können hier viel einfacher und länger ausgeblendet werden.
Sie merken schon, wir sind wieder bei dem Thema »Flexibilität im Denken und Handeln« angelangt. Mit viel Neugier bleibt man eher flexibel. Und das macht eine Menge aus. Es gibt die Kraft, die Dinge immer wieder neu zu betrachten und immer weiter dazuzulernen. Auch das wurde im Golftraining schon erkannt: Eine gute Performance hängt davon ab, ob ein Lernen mit Spaß stattfindet. Sonst geht sie merklich zurück – denken Sie an das Call-Center-Beispiel.
Gefühlte Kontrolle
Kontrolle: meistens eine Illusion
Wenn wir etwas gerne tun, spielt sich oft Folgendes ab: Wir arbeiten unter Einsatz unserer Kompetenz an der Grenze zur Überforderung, haben aber die Dinge »gefühlt« immer noch unter Kontrolle. Ich spreche hier deshalb von gefühlter Kontrolle, da es nicht viel im Leben gibt, was wir tatsächlich kontrollieren können – auch wenn wir uns das sehr wünschen und Tools nutzen, die uns das Gefühl geben, es wäre so. Ein kleiner Ausflug in das Thema Kontrolle?
Gehirnforscher