Rein in die Führung. Susanne Klein
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Die neue Aufgabe und der Austausch darüber machten so viel Spaß, dass ganz unabhängig von Prozessen das Ergebnis beträchtlich gesteigert wurde.
Fokus 4: das Prinzip Langfristigkeit
Irgendwo im fernen Süden, wo die Kokosnüsse vom Baum fallen und die Fische von alleine ins Netz springen, liegt ein Fischer faul am Strand. Bekommt er Hunger, fängt er einen der zahlreichen Fische. Hat er Durst, schlägt er eine Kokosnuss auf.
Vom Fischer und seinem Fang
Der Urlauber aus dem kapitalistischen Norden sieht den natürlichen Reichtum und erkennt die Möglichkeiten. Er wendet sich an den Fischer:
»Siehst du nicht die vielen Fische? Du brauchst nur ein großes Netz und kannst eine Menge davon fangen.«
»Und was soll ich damit anfangen? So viel esse ich doch gar nicht.«
»Du könntest sie verkaufen und hättest viel Geld.«
»Und was soll ich damit machen?«
»Du könntest dir ein größeres Netz kaufen und noch mehr Fische fangen.«
»Und wozu?«
»Du könntest noch mehr Geld machen!«
»Was hätte ich davon?«
»Du könntest die Leute anstellen, die für dich weiter fischen gehen.«
»Und wozu?«
»Dann könntest du den ganzen Tag faul am Strand liegen«, endet der Mann aus dem Norden.
»Aber das tue ich doch jetzt schon«, ist die Antwort.
Heinrich Bölls Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral ist immer wieder lesenswert. Warum sollte der Fischer diesen ganzen Aufwand betreiben, wenn er schlussendlich nur dasselbe Ergebnis erhält, das er bereits jetzt schon hat? Sicher gibt es unterwegs einige Verlockungen: Er fühlt sich gut, er hat Macht und Ansehen, er wird respektiert, er erreicht Ziele, er vergrößert sein Imperium, er baut seinen Selbstwert auf. Aber was genau ist das Ergebnis?
Kurzfristige Entscheidungen: immer gut?
Viele geschäftliche Entscheidungen werden mit der Aussicht auf schnelle, verlockende Ergebnisse getroffen, anstatt langfristig überdacht zu werden. Und manches, das kurzfristigen Gewinn verspricht, zieht langfristig noch größere Probleme nach sich. So haben beispielsweise einige Unternehmen in der Wirtschaftskrise ihre Know-how-Träger entlassen, nur um einige Monate später die gleichen Personen wieder zurückzuholen. Vor lauter Begeisterung für neue Ideen und Aktionen vergessen wir manchmal das Nachdenken. Gerade Menschen im Management, die gerne anpacken und Dinge stemmen, denken angesichts reizvoller neuer Möglichkeiten oft nicht viel weiter als bis zum ersten Schritt. Zu schön ist es, gegen Schwierigkeiten schnell etwas tun zu können. Das Gefühl, aktiv zu sein, gibt so viel Zufriedenheit und Selbstbestätigung, dass wir uns nur ungern fragen, wohin diese Aktivität langfristig eigentlich führt. Außerdem ist der kurzfristige Erfolg enorm befriedigend.
Vor allem in Gruppen tritt dieses Phänomen gerne auf. Wenn sich schnell alle einig sind, dass ein größeres Netz gekauft werden soll, um noch mehr Fische zu fangen, dann scheint das vor dem Hintergrund unseres gewohnten Denkens völlig plausibel. Es kommt uns gar nicht in den Sinn, zu überlegen, was wir mit den vielen Fischen tun werden. Mehr Fische zu haben, ist einfach gut.
Mut zur eigenen Entscheidung
Es braucht schon Mut, das eigene Urteil gegen das Urteil anderer aufrechtzuerhalten. Als soziale Wesen bevorzugen wir Konsensentscheidungen und schließen uns gerne der Meinung anderer an. Manchmal tun wir das auch, wenn wir selbst eine andere Überzeugung haben und tief in unserem Inneren wissen – meistens fühlen wir es, ohne die genauen Gründe zu kennen –, dass eine Entscheidung falsch ist. Das Leben des Fischers würde aus seiner Sicht ungleich komplizierter und anstrengender und er würde für seine Lebenswelt nicht wirklich etwas erreichen. So bleibt er bei seiner Haltung. Dabei handelt es sich jedoch um eine Haltung, die in der westlichen Welt nicht akzeptabel ist. Sie wird als »faul« bezeichnet, denn der Fischer könnte in unseren Augen eine ganze Menge erreichen.
Der Wunsch nach Kohäsion
Ideal und Wirklichkeit
Der »ideale« Manager bildet sich stets eine eigene, unabhängige Meinung und setzt diese gegen alle Widerstände durch. Viele Manager entsprechen diesem Idealbild im beruflichen Alltag nicht. Sie scheuen sich, die Verantwortung für ihre eigenen Entscheidungen zu tragen, vor allem, wenn es gegen den Trend geht. Also suchen sie gerne nach einer Argumentation, die es ihnen möglich macht, sich der Mehrheit anzuschließen – oft in dem Wissen, dass es sich wahrscheinlich um eine falsche Entscheidung handelt. Sie suchen die kurzfristige Kohäsion, also das »Schwimmen mit dem Schwarm«, ohne darauf zu achten, dass sie damit langfristig ihre Ziele und Ideen aus dem Blick verlieren. In verschiedenen psychologischen Untersuchungen hat man herausgefunden, dass die Antworttendenzen umso konformer ausfallen, je mehr Personen zuvor ein bestimmtes Urteil gefällt haben. Diese Tendenz verstärkt sich noch, wenn besonders relevante Personen ein Urteil gefällt haben.
Konformität statt Eigensinn
Dieser unbewusste Prozess steuert sehr viele Entscheidungen. Die wenigsten Menschen haben tatsächlich den Mut, ihre langfristigen Überlegungen in die Tat umzusetzen. Zu verlockend sind die kurzfristigen Erfolge, die mit einem gewissen Maß an Konformität erzielt werden können. Das fängt bei der Kleidung an und hört beim Denken und Handeln auf.
Wir gehen gerne konform mit unseren Mitstreitern. Je höher Sie im Unternehmen rangieren, umso weniger Mitstreiter haben Sie. Je weniger Mitstreiter auf gleicher Ebene es gibt, umso wertvoller ist die einzelne Vertrauensperson und damit die gemeinschaftliche Meinung. Diese Einzelposition kann auch dazu führen, dass Sie sich daran gewöhnen, mit Ihrer Meinung alleine zu sein. Sie wissen, dass Sie grundsätzlich unpopulär entscheiden. Entscheidungen, die auf oberer Ebene sinnvoll und nützlich erscheinen, kommen auf den unteren Ebenen nicht mehr unbedingt als solche Entscheidungen an.
Spiegelneuronen als Steuerungsinstrument
Für den Wunsch nach Kohäsion sorgen alleine schon unsere Spiegelneuronen. Spiegelneuronen bilden quasi die internen Prozesse, die bei einem Gegenüber ablaufen, im eigenen Gehirn ab. So fühlen wir beispielsweise die Freude oder die Enttäuschung des Gegenübers mit. Spiegelneuronen ermöglichen es uns also, uns in andere Menschen hineinzuversetzen. Gelingt das zu gut, lassen wir uns stark beeinflussen. Arbeiten diese Neuronen weniger gut, fällt es leichter, auf Distanz zu bleiben.
Beide Ausprägungen – die Überidentifikation und die starke Distanz zum Gegenüber – sind wichtig und vor Entscheidungen zu berücksichtigen. Sobald in einer Diskussionsrunde sehr schnell ein Konsens entsteht, kann man sich fast sicher sein, dass hier die Spiegelneuronen am Werk waren und etwas Wesentliches übersehen wurde. Bei schneller Einigkeit müssen wir also besonders aufmerksam sein und strategisch denken: Wenn wir so entscheiden, welche Konsequenzen wird das dann haben?
Nachhaltigkeit ist überall
Das Prinzip Langfristigkeit heißt auf gut Neudeutsch »Nachhaltigkeit«. Über Nachhaltigkeit sprach in den letzten zehn Jahren nahezu jede Branche. Seit etwa zwei Jahren ist der Begriff in den normalen Sprachgebrauch übergegangen (»Das müssen wir nachhaltig ändern«) und hat damit an Bedeutung verloren. Außerdem hat sich der Begriff, der ursprünglich aus dem