Rein in die Führung. Susanne Klein
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Den Zustand der fokussierten Aufmerksamkeit erleben Sie immer dann, wenn Sie mit Spaß bei der Sache sind und alle inneren »Muss«- und »Soll«Gedanken ausblenden können. Besonders gut können Sie das beim Sport erleben. Neben Tennis, Golf und diversen Kampfsportarten bietet sich dafür auch das Bogenschießen an. Im Zustand der fokussierten Aufmerksamkeit lassen sich fast alle Themen des Lebens wunderbar lösen.
Das Gefühl: zu hohe Erwartungen
Oft sind es gar nicht einmal störende Gedanken, die das »Operating in the zone« begrenzen, es geht dabei meistens um Gefühle. Ein besonders störendes Gefühl ist bei vielen Führungskräften der Erwartungsdruck an sich selbst. Sie haben sehr hohe Erwartungen an sich und eine genaue Vorstellung davon, wie, mit welchem Erfolg und in welcher Zeit sie eine Aufgabe gelöst haben wollen. Gelingt das dann nicht sofort oder stellt sich das Problem als komplexer heraus als bei der ersten Betrachtung, dann gelingt es ihnen nicht, die Aufmerksamkeit gleichzeitig fokussiert und frei zu halten. Es wird in vielen Fällen eine Art innerer Druck aufgebaut: »Das schaffst du nie«, »Wie soll das denn gelöst werden?«, »Du musst was tun!«, »Das dauert alles viel zu lange«, »Der Markt wartet sicher nicht auf uns«, um nur einige Beispiele zu nennen.
Innerer Druck: nicht unbedingt positiv
Der Leistungsanspruch an sich selbst ist bei vielen Führungskräften so hoch, dass sie in ihrer realen Performance hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Das Gefühl, dass diese inneren Treiber die Leistung verbessern, lässt sich in der Praxis nicht bestätigen. Der innere Druck hält uns eher davon ab, die Dinge mit fokussierter und freier Aufmerksamkeit zu betrachten und strategisch sinnvolle Lösungen zu entwickeln. Wie sind dann gefangen in uns selbst, fühlen uns getrieben und arbeiten im Laufe der Zeit dadurch immer mehr reaktiv als proaktiv.
Die gute Nachricht: Wir bemerken es nicht, denn wir haben das Gefühl, uns anzustrengen und unser Bestes zu geben. Das fühlt sich erst einmal gut an und wir denken, schon damit erfolgreich sein zu können. Die schlechte Nachricht: Anstrengung zeigt sich nicht unbedingt in der Qualität des Ergebnisses. Es gibt hervorragende Leistungen, die wie von selbst entstehen. Und es gibt mühsam und mit viel Disziplin erbrachte Leistungen, die eher mittelmäßige Qualität haben. Und eines ist ja klar: Ein Unternehmen erwartet von seinem Management nicht, dass es sich anstrengt, es erwartet einfach gute Ergebnisse.
Die gelassene fokussierte Aufmerksamkeit immer wieder zu trainieren, damit sie uns im rechten Moment zur Verfügung steht, kann daher sehr hilfreich sein.
Fokus 2: Aufmerksamkeit und Denken
Wechselwirkung von Denken und Richtung der Aufmerksamkeit
Das Aufmerksamkeitsmanagement ist sehr eng mit dem Denken verbunden. Diese zwei Dinge sind kaum voneinander zu trennen. Sie kennen das Phänomen, dass Sie nur das erleben, was Ihre Aufmerksamkeit zulässt. Sind Sie gerade intensiver damit beschäftigt, sich ein neues Auto auszusuchen, dann nehmen Sie viel mehr unterschiedliche Autos auf der Straße wahr als sonst, wenn Ihre Aufmerksamkeit gerade etwas anderem gilt. Gehen Sie über die Straße, konzentrieren Sie sich auf den Verkehr und sehen vielleicht den Kollegen nicht, der Ihnen entgegenkommt. Außerdem ist auch die Richtung der Aufmerksamkeit bestimmend für Ihr Denken; und Ihr Denken bestimmt wiederum die Richtung der Aufmerksamkeit.
Weltbild bestätigen …
Denken Sie beispielsweise: »Meine Mitarbeiter sind nicht uneingeschränkt vertrauenswürdig«, dann richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf jedes Signal, das Ihr Gefühl von »Ich kann nicht vertrauen« bestätigt. Liegt die Denkrichtung auf »Nichtvertrauen-können«, wird auch die Aufmerksamkeit so fokussiert: Wann gerate ich schon wieder in eine Situation, in der ich besser nicht vertraut hätte? Das Denken spiegelt sich in der Aufmerksamkeitsführung und bestätigt dieses. Menschen mögen es, wenn ihre Annahmen, Einstellungen und Erfahrungen – ja, ihr ganzes Weltbild – bestätigt werden. Auch wenn es nicht unbedingt immer gut für uns ist, bleiben wir gerne bei unserem tradierten Denken. Es stabilisiert gefühlsmäßig unser Sein. Das ist das Schöne daran. Wenn Sie trotzdem Lust haben, damit zu arbeiten, dann verschieben Sie Ihre Aufmerksamkeit und machen – analog für Ihr eigenes Beispiel – folgendes Experiment:
… oder die Richtung ändern
Aufgabe: »Heute achte ich darauf, wann sich die Mitarbeiter so verhalten, dass ich ihnen vertrauen kann.« Mit dieser Aufmerksamkeitsführung werden Sie neue Erfahrungen machen, die Ihr Denken verändern können. Sie werden an einem solchen Tag viel mehr vertrauensvolle Momente mit Ihren Mitarbeitern erleben als an anderen Tagen. Allein dadurch, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das lenken, was Sie gerne erleben möchten, tritt dies auch ein. Und mit Ihrer neuen Wahrnehmung kann sich auch Ihr Denken ändern: »Ich kann meinen Mitarbeitern überwiegend vertrauen« ist schon eine ganz andere Haltung als die vorherige.
Unsere aktive Rolle
Aufmerksamkeit und Denken steuern die Wahrnehmung und stabilisieren oder irritieren das Weltbild. Insofern steuern Sie aktiv, was Sie in Ihrer Umgebung erleben möchten. Sie sind derjenige, der sich die »Welt bastelt«. Auch wenn Sie das noch nicht systematisch für sich nutzen, sind Sie an dem, was Sie erleben, und daran, wie Sie diese Erlebnisse bewerten, maßgeblich beteiligt. Das klingt zunächst befremdlich. Meistens haben wir doch eigentlich eher das Gefühl, dass außen etwas geschieht, was wir nur passiv aufnehmen. Da unsere Wahrnehmung leider extrem unzureichend ist und maßgeblich in unserem Denken entsteht, tragen wir mehr dazu bei, als wir zunächst annehmen. Deswegen können wird diesen Vorgang auch aktiv steuern und beeinflussen.
Mit dieser neuen Aufmerksamkeit rücken Sie die erfolgreichen Anteile der Zusammenarbeit in den Vordergrund. Sie verstärken sich fast automatisch und werden Teil einer neuen Realität. Auch das Verhalten der anderen Personen passt sich Ihrer Wahrnehmung an: ein unmerklicher und sehr erfolgreicher Prozess.
Lösungsorientierte neuronale Autobahnen
One in a million!
Der Hirnforscher Manfred Spitzer schreibt in seinem Buch Lernen, dass von einer Million Nervenzellen nur eine einzige mit der Außenwelt verbunden ist. Alles andere spielt sich intern ab. Diese Tatsache regt zum Weiterdenken an: Nur eine von einer Million Nervenzellen nimmt einen Impuls außerhalb unseres Körpers auf. Das bedeutet, dass wir überwiegend mit uns selbst beschäftigt sind. Die Wahrnehmung ist also ein kreativer Prozess: Wir schaffen uns die Welt, in der wir leben, zu einem großen Teil selbst. Die gute Nachricht: Unser Einfluss ist größer als gedacht. Die schlechte Nachricht: Wir bekommen erheblich weniger mit, als wir glauben. Die Wahrnehmung ist vollkommen unzuverlässig.
Aufmerksamkeit aktiv zu steuern bedeutet, das wenige, was aufgenommen wird, aktiv auszuwählen und so zu verarbeiten, dass wir die Anteile fokussieren, die uns weiterbringen. Es geht also darum, intern neuronale Autobahnen für Gelingen, für Zielerreichung, für Ergebnisse, für Lösungen und so weiter anzulegen. Denn jede Wahrnehmung und Verarbeitung bahnt Nerven und stabilisiert bestimmte Wege der Informationsübertragung.
Mit welcher Mannschaft kann man was erreichen?
Kämpfen Manager beispielsweise mit der geringen Lösungsorientierung in Meetings und hören tagein tagaus nur Rechtfertigungen, warum die Ziele nicht zu erreichen sind, dann verlieren sie schnell die Lust: »Mit dieser Mannschaft kann ich nichts erreichen«, sagen sie und schrauben ihre Erwartungen zurück oder trennen sich von Personen, in der Hoffnung, dass danach lösungsorientierter gedacht wird. Diese Rechnung geht in der Regel nicht auf.
Wege zu lösungsorientiertem Denken
Lösungsorientiertes Denken braucht zunächst einmal eine neuronale Autobahn in diese Richtung, die über Aufmerksamkeitsmanagement aufgebaut werden