Rein in die Führung. Susanne Klein
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Diese Auffassung teilen verschiedene Hirnforscher. So zum Beispiel auch Gerald Hüther und Manfred Spitzer, mit deren Erkenntnissen wir uns noch beschäftigen werden.
Aufmerksamkeitslevel wählen
Das Aufmerksamkeitsdilemma
Aufmerksamkeit kann also verteilt, aber nicht vermehrt werden. Vielleicht erleben Sie es auch häufiger, dass viele Dinge, die gleichzeitig ablaufen, Sie eher zerstreuen, als Sie zu fokussieren. Stellen Sie sich einen Tag vor, an dem Sie versucht haben, viele Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten und parallel an Lösungen zu arbeiten. Außerdem haben Sie sich dabei auch noch bemüht, strategisch an die Dinge heranzugehen. Vermutlich werden Sie anschließend das Gefühl nicht los, nichts wirklich geschafft zu haben – ganz im Gegensatz zu dem Erlebnis, ein Thema tatsächlich durchdrungen und zufriedenstellend bearbeitet zu haben. Die volle Aufmerksamkeit fehlt und damit leidet die Verarbeitungstiefe, die für ein wirkliches Durchdringen einer Thematik Voraussetzung ist.
Es scheint eher unpopulär zu sein, sich mit voller Aufmerksamkeit einem Thema zu widmen. Vermutlich wird man sogar aktiver und energetischer wahrgenommen, wenn man vieles gleichzeitig und nichts richtig macht. Die Qualität leidet aber langfristig unter einem solchen Verhalten und die fehlenden soliden Ergebnisse fallen nach einiger Zeit auf Sie selbst zurück.
Wie Aufmerksamkeit verteilt werden kann
Was schon gelingen kann, ist, seine ungeteilte Aufmerksamkeit im schnellen Wechsel verschiedenen Themen zuzuwenden. So ist es denkbar, ein großes Projekt zu verfolgen, daran strategisch zu arbeiten und immer wieder zwischendurch zu anderen Themen Entscheidungen zu treffen. Sie arbeiten dann an Thema A, bis Ihnen nichts mehr dazu einfällt, dann arbeiten Sie an Thema B, dann an C und dann nehmen Sie sich wieder A vor. Meistens fällt Ihnen dann wieder etwas dazu ein. Das wäre vielleicht auch passiert, wenn Sie intensiver darüber nachgedacht hätten. So haben Sie das Thema A nur in den Hintergrund gebracht und sich mit voller Aufmerksamkeit mit B und C beschäftigt. A blieb aber präsent. Es arbeitete im Hintergrund weiter und wurde dann wieder fokussiert, als B und C entschieden waren.
Aufmerksamkeit ist also kein geschlossenes Konzept, sondern kann eher in verschiedenen Intensitätsstufen betrachtet werden. So können Sie Ihre Aufmerksamkeit gestuft vergeben:
Intensitätsstufen der Aufmerksamkeit
• Level 1 – fokussierte Aufmerksamkeit: Sie versuchen, ein Thema voll fokussiert zu verstehen und sinnvolle Schritte abzuleiten. Dabei nutzen Sie alle Ihre Sinneskanäle und Kontextinformationen, Ihre Aufmerksamkeit schwingt also frei zwischen verschiedenen interessanten und zum Thema gehörenden Aspekten. Ihre Interaktion mit den beteiligten Personen ist fokussiert. Sie lassen sich nicht durch andere Themen ablenken. Diese Mischung aus Fokussieren und freier Aufmerksamkeit bringt viele gute Ergebnisse.
• Level 2 – einfache Aufmerksamkeit: Sie bearbeiten ein Thema, das nicht Ihre gesamte Kapazität benötigt, weil es eine Routinearbeit ist. Sie recherchieren etwas im Internet oder beobachten eine Sitzung. Gleichzeitig denken Sie über andere Dinge nach. Sie haben Ideen und es fallen Ihnen Dinge ein, die Sie noch erledigen möchten, Sie springen gedanklich von Thema zu Thema. Sie lassen Ihre Gedanken treiben. In diesem Modus arbeiten Sie nicht voll fokussiert und das, was Sie vordergründig tun, enthält leicht Fehler. Sie bearbeiten aber gleichzeitig mit entsprechend weniger Tiefe andere Themen.
• Level 3 – Hintergrundaufmerksamkeit: Ein Thema ist für Sie im Hintergrund präsent. Sie denken nicht aktiv darüber nach. Es entwickeln sich möglicherweise dennoch Lösungen, die Ihnen erst bewusst werden, wenn Sie sich wieder voll fokussiert diesem Thema widmen. Manchmal schieben sich gute Ideen auch in den Vordergrund. Das erleben wir dann als spontane Ideen, ohne wahrzunehmen, dass unser Prozessor auf einem geringen Level von Aufmerksamkeit die ganze Zeit an diesem Thema gearbeitet hat.
Level 1: Operating in the zone
Aufmerksamkeitsmanagement bedeutet, bewusst und aktiv zu entscheiden, mit welchem Level an Aufmerksamkeit ein Thema bearbeitet werden soll. Wählen Sie für ein wichtiges Thema bewusst Level 1 aus, bleiben Sie gleichzeitig gelassen, entspannt und frei. Spitzensportler nennen diesen Zustand »Operating in the zone«. Hier geht synchron nichts anderes.
Aufmerksamkeit vs. Konzentration
Seine Aufmerksamkeit zu fokussieren bedeutet noch etwas anderes, als sich zu konzentrieren. Beim Fokussieren von Aufmerksamkeit nehmen Sie weiterhin mit allen Sinnessystemen wahr und beziehen die breiteren Kontexte mit ein. Bei der Konzentration hingegen schalten Sie bestimmte Prozesse ab, um sich nur mit dieser Aufgabe zu beschäftigen. Das ist bei Aufgaben, die Konzentration erfordern, unbedingt nötig, beispielsweise beim Rechnen. Hier gibt es eine klare Aufgabe und auch nur ein richtiges Ergebnis. Bei Aufgaben der Führung und des Managements sind die Dinge nicht immer so einfach und klar strukturiert. Hier kann es ergebnisreicher sein, den Fokus weiter zu stecken, um relevante Dinge nicht aus der Betrachtung zu verlieren. Sie kennen das vermutlich auch, dass zum Beispiel ganz geniale Konzepte entwickelt werden, die aber weder zum Unternehmen noch zur aktuellen Marktsituation passen.
Störfaktoren
In den Zustand der fokussierten Aufmerksamkeit zu gelangen, erfordert etwas Übung. Manchmal ist diese Fähigkeit nicht spontan abrufbar. Angenommen, Sie nehmen sich nun vor, einer Aufgabe mit fokussierter Aufmerksamkeit zu begegnen. Sie sorgen dafür, dass Sie nicht abgelenkt werden, und nehmen sich ausreichend Zeit. Dennoch gelingt es Ihnen nicht, in einen inneren guten Zustand der Gelassenheit bei gleichzeitiger Energie und einem guten Fokus zu gelangen. Sie kommen nicht recht voran. Immer wieder stören andere Gedanken. Es gibt im Moment nicht genügend Raum.
Innere Hindernisse
Manchmal hindern wir uns selbst daran, in diesen Zustand zu gelangen, selbst wenn alle äußeren Störungen ausgeschaltet sind. Es sind innere Themen, die uns den Fokus nehmen: Wir stehen uns selbst im Weg. Timothy Gallaway bringt es so auf den Punkt: Performance = Competence – Disturbance (Performance = Kompetenz minus Störung).
In seinen Büchern über Golf- und Tennistraining zeigt es der Autor deutlich: Ein guter Spieler spielt im Zustand der fokussierten Aufmerksamkeit. Gelingt bei perfekter Technik ein Schlag nicht, dann liegt es daran, dass es innerlich zu viele Störungen gibt. Der Spieler hat die Balance aus Energie, Gelassenheit und Fokus noch nicht gefunden. Er lenkt sich immer wieder selbst ab. In diesem Zustand kann keine gute Performance gelingen.
Voraussetzungen für fokussierte Aufmerksamkeit
Und so ist das auch im Job. Wenn zu viele Dinge im Kopf hinund herwandern, ist es schwer, sich zu fokussieren. Es kann zunächst wichtig sein, ein Thema, das diesen Prozess stört, zu bearbeiten, um freie Kapazitäten zu schaffen. Manchmal reicht es auch, wenn wir mit uns selbst klären, wann wir auf dieses Thema zurückkommen. Das bewirkt oft, dass unser Arbeitsspeicher wieder frei wird.
Für diesen Zustand braucht es Energie bei gleichzeitiger Gelassenheit. Sobald Sie sich beispielsweise unter Druck setzen und unbedingt ein gutes Ergebnis erzielen wollen oder zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein möchten, kann dieser innere Druck das Gelingen stören. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist die Basis,