Feierabend hab ich, wenn ich tot bin. Markus Väth
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Diese Werbung nennt Oliviero Toscani, der Macher hinter den umstrittenen Benetton-Werbekampagnen (in denen schon mal blutverschmierte Hemden mit Einschusslöchern gezeigt werden), schlicht »Verbrechen gegen die Intelligenz«, ein »künstliches und abgeschmacktes Reich, das uns seit bald dreißig Jahren verblödet«. In seinem furiosen Manifest gegen die herkömmliche Werbung rechnet Toscani ab: »Für Zehntausende von Dollar wird ein Supermodel in Szene gesetzt, um frischverliebten Friseusen ohne das nötige Kleingeld und schwärmerischen Sekretärinnen auf der ganzen Welt Parfums zu verkaufen. Sie alle werden heißgemacht auf einen unerreichbaren bürgerlichen Traum. Die Werbung verkauft keine Produkte oder Ideen, sondern ein verfälschtes und hypnotisierendes Glücksmodell. […] Man muss die breite Öffentlichkeit mit einem Lebensmodell blenden, dessen gesellschaftliches Ansehen es verlangt, dass man Garderobe, Möbel, Fernseher, Auto, Haushaltsgeräte, Kinderspielzeug, einfach sämtliche Gebrauchsgegenstände so oft wie möglich erneuert. […] Diese groben Vereinfachungen werden bis zum Erbrechen wiederholt.«10
Werbung soll zum Kaufen verführen. Produkte sollen mit Wohlgefühl assoziiert werden, mit Status, Exklusivität, sichtbarem Erfolg. Vielleicht glauben wir, dass ein solches Zeigen von Erfolg sexy ist. Was jedoch garantiert nicht sexy ist: den anderen mit der Nase auf die Spur des angeblichen eigenen Erfolgs stoßen zu wollen. Zur idealen Plattform für derart ichbezogene Inszenierungen haben sich soziale Netzwerke wie XING, Twitter oder Facebook entwickelt. Dort präsentieren sich manche »Jäger des verlorenen Erfolgs« mit einer Penetranz, als gäbe es kein Morgen.
Da faselt zum Beispiel eine Dame von der untergründigen Psychologie des Erfolgs – die sie natürlich exklusiv entdeckt hat – und vermarktet so ihr entsprechendes Buch. Sie lasse sich natürlich jederzeit zu einer Kontaktaufnahme herab, doch jetzt segle sie erst mal kreuz und quer durch Südostasien. Danach jedoch könne man sie gerne kontaktieren. Den Betrachtern ihres geblähten Segels will sie mit solch zartem Hinweis und der Subtilität eines Elefanten im Porzellanladen vor allem eines signalisieren: Schaut mal, wie schön, sexy und erfolgreich ich bin. Oder kürzer: Macht’s gut, ihr Luschen.
Ähnliche Augenzucken verursachende Klowand-Graffiti bei Twitter: »Wie Sie mit XING und Facebook ihre Karriere vorantreiben #Selbstmarketing #reputation«, »›Erfolg hat nur, wer etwas tut, während er auf den Erfolg wartet.‹ Thomas Edison«, »Wir zeigen Ihnen Wege zu Ihrem Erfolg, die tatsächlich funktionieren!« und ähnliche Sprüche. Man kann solch schräge Selbstdarstellungsshows, wie sie mittlerweile in sozialen Netzwerken Alltag sind, für die Auswüchse einiger stilloser Freaks halten. Ich glaube jedoch, sie sind nur die sichtbare Spitze eines Sehnsuchts-Eisbergs, endlich allen zu zeigen (und zu erzählen), wie toll man durchstartet. Wir sind besoffen vom Lockmittel Erfolg, das vom Fernseher zuerst ins Hirn und von da ins Herz sickert und wie Efeu andere Lebensmotivationen erstickt. Deshalb schnappen wir gierig nach der Luft der Personality-Shows, wollen teilhaben an der Welt der Promis und schönen Menschen, von denen wir glauben, dass sie es »geschafft haben«.
Wir sind besoffen vom Erfolg!
Inzwischen muss alles und jeder erfolgreich sein: man selbst sowieso, das Unternehmen, demnächst auch der Besuch der Katze auf dem eigenen Klosett. Vieles dreht sich nur noch um Selbstdarstellung, um Durchsetzung und Erfolg. Dafür nimmt man sogar größte Opfer in Kauf. Ein Freund von mir, der in München wohnt, erzählte mir kürzlich von dem Phänomen No rent, but car. Weil sich Münchner mit einem Durchschnittsgehalt ihre Wohnung nicht mehr leisten können, geben sie diese auf und investieren ihr Geld in ein Auto, das richtig was hermacht – BMW, Audi, Mercedes oder Porsche. Jede Nacht schlafen sie im Auto. Morgens machen sie sich dann zurecht und fahren zum Geschäftstermin, als ob nichts wäre. Einige halten eine solche Maskerade Monate, manchmal Jahre durch. Gibt es ein verzweifelteres Beispiel für unsere panikartige Angst, unseren gesellschaftlichen Status zu verlieren und zu »versagen«?
Das permanente Lechzen nach Erfolg saugt uns aus.
Was aber ist, wenn ich lieber zufrieden oder einsam oder Mönch wäre? Wenn ich nicht (nur) erfolgreich sein will? Das permanente Lechzen nach Erfolg saugt uns aus. Erfolg ist die Droge, auf die in unserer ökonomisierten Welt jeder anspringt. Bist du nicht »erfolgreich«, hast du nichts, bist du nichts, und das alles ist deine Schuld. Deswegen wollen viele so verzweifelt erfolgreich sein. Manche schaffen es, andere nicht. Bei den Schreihälsen jedoch, die uns ihren angeblichen Erfolg bei XING und Twitter um die Ohren hauen, fällt mir vor allem der alte Spruch ein: Hunde, die bellen, beißen nicht.
Aber ist Erfolg immer negativ zu sehen? Immerhin bestehen unser Leben und Lernen zu einem nicht unerheblichen Teil aus Trial and error, also dem Lernen aus Versuch und Irrtum. Was nichts anderes heißt, als dass wir »erfolgreiche« Handlungen wiederholen und »erfolglose« Handlungen sein lassen. Wie lösen wir den Widerspruch auf, dass Menschen zu allen Zeiten aus Erfolg und Misserfolg lernen (müssen), ohne dass sie sich gleichzeitig in unrealistische Ansprüche und naive Erfolgskriterien verstricken?
Für den Anfang wären wir gut beraten, das Wort »Erfolg« auf seine Grundbedeutung zurückzuführen, und diese ist: neutral. Auf eine Aktion folgt eine Reaktion, ein Feedback. Wenn ich einen Apfel fallen lasse, zieht ihn die Gravitation nach unten. Das ist weder gut noch schlecht. Es ist eine schlichte Konsequenz, es »erfolgt« zwangsläufig. Beim Apfel-Beispiel fragt sich wahrscheinlich niemand, ob der Apfel nun »Erfolg hat«, weil er auf die Erde fällt. Er tut es einfach. Ohne Bewertung, ohne Ärger, ohne Euphorie.
Erfolg ist etwas Individuelles und muss individuell bewertet werden.
Anders bei uns Menschen. Stellen Sie sich einen Projektleiter vor, der aufgrund guter Leistung befördert wird. Wir sind so konditioniert, dass wir dieses Ereignis sofort als »gut«, als positiv, bewerten: »Wow, super, endlich hat sich die Anstrengung gelohnt! Glückwunsch!« Auf eine Aktion (gute Arbeit, erfolgreiche Projekte) folgt eine Reaktion (Beförderung, mehr Geld). Und wir haben als Kollektiv gelernt, dass so etwas gut ist, also ein Erfolg im umgangssprachlichen Sinn. Wenn nun der Projektleiter durch die Beförderung von Stuttgart nach Hamburg ziehen muss und dadurch seine Frau und seine zwei kleinen Kinder nur noch an den Wochenenden sieht, trübt sich das Bild schon ein. Aus dem Erfolg wird ein Erfolg mit Fragezeichen. Wenn wir uns nun weiter vorstellen, dass die Stelle in Hamburg sich als sehr stressig herausstellt, mit nervigen Kollegen und undankbaren Aufgaben, müssen wir uns vollends fragen, ob in diesem Fall der Begriff »Erfolg« noch angemessen ist.
Was bedeutet das? Erfolg ist etwas Individuelles und erfordert darum auch eine individuelle Bewertung. Insofern wäre es ein guter Anfang, wenn Menschen erst einmal für sich Erfolg definieren würden, ohne die Einflüsterung der Medien oder die Angstmache durch die Politik. Dazu benötigen wir eine gewisse Souveränität. Nur als souveräne Wesen, die ihre Werte, ihr Können, ihre Ziele sowie ihre Stärken und Schwächen kennen, sind wir in der Lage, über Ereignisse in unserem Leben zu urteilen: Ist beispielsweise eine Beförderung nach Betrachtung aller Fakten tatsächlich ein Erfolg? Oder eher ein neutrales Ereignis, vielleicht gar ein Misserfolg? Wenn wir die Reflexionsfähigkeit, die Souveränität und den Willen haben, unseren eigenen Erfolgsweg zu gehen, kann Erfolg etwas sehr