Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane. A. F. Morland
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Читать онлайн книгу Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane - A. F. Morland страница 32
Es wollte alles auf einmal aus Petra heraus und blieb deshalb immer wieder im Ansatz stecken. Yvonne Wismath begriff die Zusammenhänge kaum. Petra sprach so schrecklich wirr, dass Yvonne sich ernsthafte Sorgen um Petra Praetorius’ Geisteszustand machte. Immer wieder bat sie die Verwirrte, sich doch etwas zu beruhigen, doch je länger das Telefonat dauerte, desto wilder brachte Petra alles durcheinander.
Es war der Internistin fast nicht mehr möglich, Petra Praetorius’ Wortschwall geistig zu verarbeiten. Die junge Frau war furchtbar sprunghaft, begann tausend Dinge, ohne sie zu beenden. Ein heilloser Wirrwarr war das. Winzige Fragmente, Puzzleteilchen, die Yvonne ohne Vorlage zusammensetzen musste, wenn sie sich auskennen wollte.
Vorausgesetzt, Yvonne hatte einige Elemente richtig zusammengefügt, so ergab sich vorläufig folgendes Bild: Horst Bachmann war trotz erstklassiger Klinikbefunde dabei geblieben. Nein, kein Kind für Petra! Und Claus Praetorius hielt sich an das Verbot des Schwiegervaters, woraufhin seine unglückliche Frau in ihrer Verzweiflung einem Mann einhundertfünfzigtausend Mark dafür geboten hatte, dass er mit ihr ein Kind zeugte. Der Mann war mit diesem Geschäft einverstanden gewesen.
Was ist das für ein schmutziger Kerl, der sich für so etwas hergibt?, dachte die Internistin angewidert. Sie wollte Petra nach seinem Namen fragen.
Da nannte die junge Frau ihn von selbst, und Dr. Yvonne Wismath hatte das Gefühl, von einem mächtigen Blitz getroffen worden zu sein.
Walter Schmidt! Ein Irrtum war ausgeschlossen! Yvonne hatte den Namen ganz deutlich gehört! Petra Praetorius hatte klar und vernehmlich Walter Schmidt gesagt!
Für Dr. Yvonne Wismath stürzte eine Welt ein. Walter Schmidt, ihr Freund, nach Dr. Thorsten Klenke ihre zweite große Liebe, der Mann, der sie heiraten wollte, führte ein schändliches Doppelleben, schlug Kapital aus der Not einer verzweifelten Frau, nahm Geld für eine Handlung, die mit Liebe nicht das Geringste zu tun hatte und so verabscheuungswürdig war, dass es Yvonne nicht in Worte fassen konnte.
Die wundervollen Tage, die erfüllenden Nächte, die schmachtenden Liebesschwüre – alles Lüge!, dachte Yvonne betroffen. Ich habe es geahnt. Ich habe die ganze Zeit befürchtet, dass dieses große Glück nicht halten wird. Es war einfach zu schön, um von Dauer sein zu können.
Sie starrte aus dem Fenster und beobachtete den Mann, der sie so bitter enttäuscht hatte. Ihre Augen brannten. Tränen des Zorns, der Verachtung, der Enttäuschung und des Hasses, ja, auch des
Hasses, stiegen in ihr hoch.
Wie hatte ihr Walter das nur antun können? Sie war so unendlich glücklich mit ihm gewesen. Auf zarten Flügeln war sie in ihrer Seligkeit emporgeschwebt und dabei – wie Ikarus – zu nahe an die Sonne herangekommen. Und nun? Die Flügel waren verbrannt, vermochten sie nicht mehr zu tragen, also stürzte sie ab. Sie fiel und fiel und fiel in eine unendlich schwarze Tiefe, aus der es kein Entrinnen gab.
Walter Schmidt, ich hasse dich!
24
Ein Taxi hielt vor der Seeberg-Klinik. Dr. Yvonne Wismath erschien. Ihr Freund ging ihr freudestrahlend entgegen. Sie beachtete ihn nicht. Er schien für die Luft zu sein.
Sie ist müde und abgespannt, sagte sich der Mann. Sie hat zu viel gearbeitet, ist mit ihren Gedanken vielleicht noch bei ihren Patienten.
„Yvonne ...“ Er hob die Hand, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, doch sie beachtete ihn noch immer nicht,und ihr schönes Gesicht war weiß wie Kreide.
Sie sah aus, als hätte sie geweint. Himmel was war geschehen?
Yvonne wollte in das Taxi steigen. Walter Schmidt begriff das nicht.
Sie waren doch verabredet. Sie hatten vereinbart, dass er sie von der Seeberg-Klinik abholen würde, und nun ...Wo hin wollte sie mit dem Taxi?Wieso sagte sie nichts? Wieso würdigte sie ihn keines Blickes? Er erreichte sie, bevor sie einstieg, und griff blitzschnell nach ihrem Arm.
Jetzt sah sie ihn an. Ein eiskalter, vernichtender Blick war es. Wenn Blicke töten könnten, wäre er auf der Stelle tot umgefallen.
„Yvonne, was ist los?“
„Fass mich nicht an, Walter Schmidt!“, fauchte sie aggressiv. „Lass mich augenblicklich los, Walter Schmidt!“
„Was ist passiert?“
„Du weißt es!“, zischte Yvonne Wismath hasserfüllt. Sie hatte das Taxi vor die Klinik bestellt, nachdem ihr Petra Praetorius endlich hatte sagen können, in welchem Lokal sie sich befand. Yvonne hatte versprochen, sofort zu ihr zu kommen.
Da Walter sie noch immer am Arm festhielt, riss sie sich mit einem jähen Ruck los. Er griff sofort wieder zu. Da verlor sie den allerletzten Rest von Beherrschung, gab ihm eine schallende Ohrfeige und schrie ihm ins Gesicht: „Ich habe gesagt, du sollst mich nicht anfassen!“
Die Ohrfeige war so kräftig ausgefallen, und Walter Schmidt war so unvorbereitet gewesen, dass er benommen zurücktaumelte. Rasch sprang die Internistin ins Taxi und verlangte vom Fahrer, sofort loszufahren.
Erst als die Seeberg-Klinik außer Sichtweite war, sagte Dr. Yvonne Wismath dem Mann am Volant, wohin sie wollte.
Er nickte stumm und enthielt sich jeglichen Kommentars. Die Querelen anderer Leute interessierten ihn nicht.
Petra Praetorius hatte vier Bourbon getrunken, konnte sie aber nicht bezahlen, weil sie kein Geld bei sich hatte. Yvonne Wismath löste sie aus. Sie bezahlte die Drinks und das Telefongespräch, legte sich Petras rechten Arm um ihre Schultern und verließ mit ihr das Lokal.
„Ich wusste nicht, wohin“, sagte Petra mit schwerer Zunge. „Sie waren meine letzte Hoffnung, sind es noch.“
„Du kommst erst mal mit zu mir nach Hause“ Yvonne sah in Petra Praetorius eine Leidensgenossin und hätte es albern gefunden, sie weiter zu siezen.
„Du musst in deiner Wohnung alle Spiegel verhängen“, sagte Petra jammernd.
„Warum denn das?“, fragte Yvonne. Petra war schwer, sie hängte sich ganz schön an.
„Ich kann mich nicht mehr sehen“, schluchzte Petra. „Ich finde mich zum Kotzen.“
Das Taxi wartete vor dem Lokal. Der Fahrer hörte „Kotzen“ und erschrak. „He, Ihre Freundin ist doch hoffentlich stubenrein, ja?“, rief er beunruhigt.
„Keine