Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane. A. F. Morland

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Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane - A. F. Morland

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erkundigte sich der Grünwalder Arzt.

      „Nein. Mein Ex-Mann wollte sich nicht mit Kindern belasten - so drückte er sich jedenfalls aus.“

      „Was machen Sie beruflich?“

      „Ich bin Restauratorin.“

      „Und was führt Sie heute zu mir?“, wollte Sven Kayser wissen. Die Frau war ihm sympathisch. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Ehe durch ihre Schuld kaputtgegangen war.

      „Ich brauche eine Cortisonspritze gegen meinen Heuschnupfen“, sagte Irene Trömer.

      „Eine Cortisonspritze.“ Dr. Kaysers Stirn kräuselte sich.

      „Ich weiß, die wird nicht gerne gegeben“, sagte die Patientin, „aber ich bekam sie in Kayserfurt von meinem Hausarzt jahrelang, damit ich in der von Pollen belasteten Zeit nicht so leide. Sie haben doch Cortison hier, oder?“

      „Darf ich zunächst erfahren, wie sich das Leiden bei Ihnen in den vergangenen Jahren ausgewirkt hat, Frau Trömer?“

      „Als ich vor fünfzehn Jahren nach Kayserfurt übersiedelte, hatte ich irgendwann mit Beginn der Weidenblüte ein schlimmes Jucken und Kratzen im Hals. Im Laufe der Jahre wurden die Beschwerden zu diesem Zeitpunkt immer ärger. Ich musste fortwährend niesen, hatte eine verstopfte Nase, die Augen tränten, und ich bekam manchmal sogar Fieber. Mein Arzt meinte, das wäre eindeutig Heuschnupfen und gab mir eine Spritze, die mir sofort half. Inzwischen ist das Leiden so stark geworden, dass ich pro Jahr vier Injektionen brauche.“

      Dr. Kayser stand, wie viele seiner Kollegen, dem leichtfertigen Gebrauch von Cortison sehr kritisch gegenüber, denn das Präparat hatte einige gefährliche Nebenwirkungen.

      Er fragte: „Haben Sie sich schon mal desensibilisieren lassen, Frau Trömer?“

      Die Patientin nickte. „Hat nichts gebracht.“ Sie sah Sven Kayser fragend an. „Wie kommt es eigentlich, dass Blütenpollen bei manchen Menschen so peinigende Symptome verursachen?“

      „Pollen sind nur zwischen zwanzig- und vierzigtausendstel Millimeter groß, deshalb können sie problemlos in die Schleimhäute der Atmungsorgane eindringen.“

      Irene Trömers Miene verfinsterte sich. „Diese lästigen Störenfriede.“

      „Ein gesunder Mensch baut sie sofort ab.“

      „Und warum können Allergiker das nicht?“, wollte die Patientin wissen.

      „Bei denen bilden sich sogenannte Komplexe zwischen den Pollen und jenen Eiweißstoffen, die für die Abwehr im Körper verantwortlich sind“, erklärte Dr. Kayser, „und diese werden auf den Oberflächen der Mastzellen festgehalten.“

      „Was sind Mastzellen?“, fragte Irene Trömer.

      „Sie sitzen in den tieferen Schichten der Schleimhäute“, antwortete Dr. Kayser. „In ihnen befinden sich kleine histaminhaltige Körnchen, und sobald diese mit den Eiweißpollenkomplexen in Berührung kommen, entleeren sie ihren gesamten Histaminvorrat.“

      „Und dadurch wird der Krankheitsprozess in Gang gesetzt?“

      „So ist es.“ Dr. Kayser nickte. „Und deshalb sollte man das Leiden nicht mit Cortison, sondern mit einem Antihistamin behandeln. Haben Sie sich in den vergangenen Jahren mal was gebrochen, Frau Trömer?“

      „Wieso fragen Sie mich das?“ Die sommersprossige Patientin musterte den Grünwalder Arzt irritiert. „Was hat ein Knochenbruch mit meinem Heuschnupfen zu tun?“

      „Es ist leider nur wenigen Menschen bekannt, dass regelmäßige Injektionen eines lang wirkenden Cortisonpräparats die Knochen entkalken und schädigen“, erklärte der Arzt.

      „Vor zwei Jahren bin ich in der Küche ausgerutscht und habe mir das Handgelenk gebrochen“, gestand Irene Trömer. „Führen Sie das auf die Cortisonspritzen zurück, die ich bekommen habe? Hätte ich mir das Handgelenk nicht gebrochen, wenn mein Arzt mir etwas anderes gegen meinen Heuschnupfen gegeben hätte?“

      „Es kommt natürlich in erster Linie auf die Schwere des Sturzes an“, sagte Sven Kayser, „aber es ist eine Tatsache, dass cortisongeschädigte Knochen wesentlich leichter brechen.“

      Die Patientin sah Dr. Kayser unglücklich an. „Ich muss doch von nun an nicht wieder die Qualen des Heuschnupfens ertragen, oder?“

      Dr. Kayser schüttelte beruhigend den Kopf. „Dank des Fortschritts der medizinischen Forschung gibt es inzwischen schon sehr gut wirkende Antihistaminpräparate.“

      „Machen die nicht schrecklich müde?“

      „Das war bei früheren Mitteln der Fall“, erklärte der Grünwalder Arzt. „Heute sind sie gut verträglich, und wenn Sie sie während der ganzen Zeit des Pollenfluges nehmen, sind Sie auch ohne Cortison weitgehend beschwerdefrei.“

      „Ich habe mich schon oft gefragt, ob es mir in pollenarmen Gebieten besser gehen würde. Zum Beispiel im Hochgebirge. Oder auf Helgoland.“

      Dr. Kayser lächelte bedauernd. „Da muss ich Sie leider enttäuschen, Frau Trömer. Reisen in solche Gegenden bewirken nur sehr wenig.“

      „Wieso?“

      „Pollen fliegen bis zu fünfhundert Kilometer weit - und bis zu fünftausend Meter hoch“, erklärte Sven Kayser. „Da gibt es kaum ein Entrinnen.“

      Irene Trömer atmete schwer aus. „Immer wieder lässt sich die Natur eine neue Geißel für uns Menschen einfallen.“

      „Zum Glück verfügen wir über ausreichende Mittel, um uns wirksam davor zu schützen“, meinte Dr. Kayser und stellte für die Patientin ein Rezept aus. „Ich hoffe, Frau Albrecht und ihren Töchtern geht es gut“, sagte er und legte den Kugelschreiber beiseite.

      „Nun ja ...“ Irene Trömer wiegte den Kopf.

      Dr. Kayser hob die Augenbrauen. „Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“

      „Ich nehme an, Sie wissen von Renates fixer Idee“, sagte die Patientin.

      „Dass sie nicht älter wird als ihre Mutter“, sagte Sven Kayser.

      Frau Trömer nickte. „Ihre Mutter starb mit fünfundfünfzig Jahren, und Renate ist jetzt einundfünfzig.“

      „Frau Albrecht ist eine gesunde Frau.“

      Irene Trömer lächelte schmal. „Das sagen Sie. Aber glaubt sie Ihnen das auch?“

      „Ich hoffe, dass sie das tut“, gab der Grünwalder Arzt schmunzelnd zurück.

      „Sie richtet sich seelisch auf das bevorstehende Ende ein, möchte alles in Ordnung hinterlassen und ihre beiden Töchter so gut wie möglich versorgt wissen. Dazu gehört ein Plan, von dem Marina, ihre jüngere Tochter, noch nichts weiß.“

      „Um was für einen Plan handelt es sich?“, erkundigte sich Dr. Kayser.

      „Renate möchte Marina mit Ingolf Stumph, dem reichen Nachbarn,

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