Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane. A. F. Morland

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Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane - A. F. Morland

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dass du ihn nicht mehr erkennst?“

      „Ich kenne diesen Mann nicht, Yvonne.“ Petras Schminke war total aufgeweicht, die Wimperntusche klebte grau um ihre Augen und an den Wangen.

      „Herrgott noch mal, das ist Walter Schmidt!“, stieß die Ärztin laut hervor.

      „Nein“, kam es dünn über Petras bebende Lippen.

      Yvonne wandte sich an Walter. „Sag ihr, dass du Walter Schmidt bist! Na los, sag es ihr!“

      Obwohl er nicht wusste, was das alles zu bedeuten hatte, nickte er und sagte: „Ja, ich bin Walter Schmidt.“

      „Aber nicht der Walter Schmidt, nicht mein Walter Schmidt“, sagte Petra Praetorius.

      „Jetzt hat sie den Verstand verloren“, stöhnte Yvonne. „Oder ich bin übergeschnappt. Walter Schmidt!“, sagte sie eindringlich. „Der Mann, dem du hundertfünfzigtausend Mark gegeben hast, damit er dir ein Kind macht!“

      „Das ist er nicht!“, behauptete Petra.

      Plötzlich spannte sich Yvonnes Kopfhaut. Großer Gott, sollte sie Walter Unrecht getan haben? „Das ... ist ... er ... nicht?“, stammelte sie.

      „Das ist ein anderer.“

      Die Wohnung begann sich vor Yvonnes Augen wie ein Kreisel zu drehen, und in ihrem Kopf überschlugen sich wirre Gedanken. „Aber ...“

      „Ein anderer Walter Schmidt“, wiederholte Petra Praetorius.

      Yvonne begriff nichts, überhaupt nichts mehr. „Aber wieso ein anderer?“

      „Der, von dem ich dir erzählt habe, ist kleiner und dünner und – jünger.“

      Als Yvonne das hörte, wurde sie zum erster mal im Leben ohnmächtig.

      Sie schlug die Augen auf und sah Petra und Walter. Er wusste inzwischen Bescheid. Petra hatte ihn informiert. Er sah Yvonne vorwurfsvoll an, aber in seinen Augenwinkeln hing ein Lächeln.

      „Eigentlich müsste ich dir jetzt sehr böse sein“, sagte er dunkel, „weil du mir so etwas Verwerfliches zugetraut hast, aber ich kann es nicht. Ich kann dir nicht böse sein, mein Herz, werde es niemals können, weil ich dich trotz allem wahnsinnig liebe.“

      Yvonne legte die Hand auf ihre Augen. „Als Petra deinen Namen nannte, hakte mein Verstand aus.“

      „Du konntest nicht wissen, dass ein zweiter Walter Schmidt in München lebt. Petra wusste es auch nicht und ich auch nicht.“

      „Aber ich hätte wissen müssen, dass du das, wozu dieser andere Walter Schmidt bereit gewesen wäre, niemals tun würdest. Ich hätte dir vertrauen müssen.“

      „Ja, das hättest du müssen“, gab Walter ihr Recht.

      Die Ärztin hielt ihre Augen bedeckt. „Oh, ich schäme mich ja so.“

      Walter baute eine Brücke der Versöhnung, indem er mit sanfter Stimme sagte: „Ich würde dir vergeben, wenn du mir versprichst, dass so etwas nie wieder vorkommen wird.“

      Sie schlang jäh ihre Arme um seinen Nacken, weinte, bedeckte sein Gesicht mit unzähligen Küssen und stammelte vor Freude und Glück: „Ich verspreche es. Ich verspreche es. Ich verspreche es – verspreche, verspreche, verspreche es!“

      Und Petra Praetorius sagte leise und traurig: „Ich will nach Hause, will zu meinem Mann. Ich werde ihm alles erzählen, und wenn Gott will, wird er mir verzeihen.“

      „Wir bringen dich heim“, sagte Dr. Yvonne Wismath und erhob sich.

      Claus Praetorius empfing seine Frau blass und verstört. „Wo bist du gewesen?“

      „Später“, sagte sie tonlos. Yvonne hatte ihr geholfen, ihr Gesicht mit mehreren Kleenex-Tüchern zu säubern.

      „Ich habe dich gesucht“, bemerkte Claus Praetorius mit belegter Stimme.

      „Ich bin wieder da“, flüsterte Petra.

      „Wer sind diese Leute?“

      Petra sagte es ihm.

      „Papa ist ...“, begann Claus Praetorius gepresst.

      Petra musterte beunruhigt sein Gesicht. „Was ist Papa? Was ist mit Papa?“

      „Er ist tot.“

      Petra riss entsetzt die Augen auf. „Tot?“

      „Er bekam heute Mittag einen Anruf in seinem Büro. Von Walter Schmidt.“ Claus sah Walter an. „Habe ich Ihren Namen vorhin richtig verstanden?“

      Walter nickte. „Ich heiße bedauerlicherweise auch Walter Schmidt.“

      Claus wandte sich wieder an seine Frau. „Dieser andere Walter Schmidt sagte zur Sekretärin deines Vaters, es gehe um dich, sonst hätte sie ihn nicht mit ihm verbunden. Was er Papa dann sagte, weiß niemand. Auf jeden Fall muss es ihn sehr aufgeregt haben, und er sollte sich doch nicht aufregen, wegen seines kranken Herzens ...“

      „Papa“, hauchte Petra traurig, und wieder rannen Tränen über ihre Wangen. Wie hilfesuchend griff sie nach den Händen ihres Mannes. Es ging fast über ihre Kräfte, zu sagen: „Ich muss mit dir reden, Claus.“

      „Wir gehen“, sagte Yvonne.

      „Versuchen Sie Ihre Frau zu verstehen, Herr Praetorius“, sagte Walter ernst, „und ... üben Sie Nachsicht.“

      Yvonne küsste Petra und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich wünsch’ dir Glück.“

      Als sie zu Walters Wagen zurückkehrten, begann Petra mit ihrer Beichte, und ihr Mann hörte ihr mit tiefer Betroffenheit zu. Er machte ihr keine Vorwürfe, sondern suchte die Schuld vor allem bei sich, denn er hatte seine Frau mit seinem – ihm nun unverständlichen – Verhalten zu dieser Verzweiflungstat getrieben.

      Mit feuchten Augen nahm der Petra dann in die Arme und bat sie, ihm zu verzeihen. Sie war völlig durcheinander. Sie sollte auf einmal ihm verzeihen ... und nicht umgekehrt.

      Ja, ja, das wollte sie. Oh, sie war ja auf einmal wieder so glücklich, und ihre Seligkeit kannte keine Grenzen, als Claus leise sagte: „Wir werden Kinder haben, mein Liebling; so viele du willst.“

      Walter Schmidt, der Grafiker, verließ München mit Petras Geld. Sie verlangte es nicht zurück, konnte es verschmerzen. Aber es brachte Schmidt kein Glück. Nur einen Monat später wurde er in Hamburg, in seiner Wohnung an der Außenalster, wegen dieser hundertfünfzigtausend Mark von einem Unbekannten erschlagen.

      Yvonne Wismaths Walter Schmidt zeigte noble Größe. Er erwähnte den Ausrutscher seiner Liebsten nie wieder, auch in ihrer Ehe nicht.

      Es war vergeben und vergessen.

      Und Yvonne dankte es ihm mit grenzenlosem Vertrauen und unendlich viel Liebe.

      ENDE

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