Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane. A. F. Morland
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„Beunruhigt Sie das?“, fragte Sven Kayser.
Die Patientin schüttelte den Kopf. „Nein, das nicht, und auch nicht die typischen Unterleibsschmerzen. Damit habe ich mich abgefunden, damit kann ich leben. Was mir Sorgen macht, ist meine Gemütsverfassung in dieser Zeit. Ich bin leicht reizbar, bin wegen jeder Kleinigkeit sofort auf Hundert, bin unbeherrscht und unberechenbar. Meine Umwelt leidet darunter, und das bedaure ich sehr, aber ich kann es nicht abstellen. Wenn ich meinen Zyklus habe, macht es mich verrückt, in einen Verkehrsstau zu geraten; oder wenn ich in einem Kaufhaus nicht sofort bedient werde, explodiere ich. Ich kann mich in diesen lägen selbst nicht ausstehen, und das finde ich doch sehr bedenklich.“
„Manche Frauen neigen vor und während der Regelblutung zu seelischen Verstimmungen“, erklärte Dr. Kayser. „Bei den einen kann sich das in Aggressionen äußern, andere dagegen bekommen Depressionen.“
„Kann man das denn nicht abstellen, Herr Doktor?“, fragte Petra Praetorius.
„Ich werde Ihnen eine Antibabypille mit einer anderen Hormonzusammenstellung verschreiben“, antwortete Sven Kayser.
„Sie meinen, das hilft mir?“
„Leider stellt sich nicht immer der gewünschte Erfolg ein“, musste Dr. Kayser zugeben. „Doch selbst das braucht Sie noch nicht zu entmutigen.“ Der Grünwalder Arzt riet seiner Patientin, an der Volkshochschule einen Kurs für autogenes Training zu belegen. „Dort lernen Sie, Aggressionen abzubauen und sich in kritischen Situationen zu entspannen und innerlich zur Ruhe zu kommen. Allerdings geht so etwas nicht von heute auf morgen. Sie müssen schon etwas Geduld aufbringen.“
„Autogenes Training.“ Petra Praetorius nickte zustimmend. „Das interessiert mich, schon lange. Ich denke, das versuche ich mal. Vielen Dank für den Tipp, Herr Doktor.“
„Damit jene, die unter Ihren seelischen Spannungen leiden, Verständnis für Ihre schlechte Gemütsverfassung aufbringen, sollten Sie mit ihnen ein intensives Gespräch führen“, meinte Dr. Sven Kayser. „Wenn sie nämlich wissen, dass Ihr sensibles Hormonsystem für Ihre innere Verstimmungen verantwortlich ist, werden sie leichter darüber hinwegsehen können.“
Sven stellte das Rezept für eine andere Pille aus und gab es der Patientin. Sie bedankte sich dafür, verabschiedete sich und verließ die Grünwalder Arztpraxis. Sie war keine glückliche Frau – war es nicht mehr. Und schuld daran waren ihr Mann und ihr Vater. Petra Praetorius wäre so furchtbar gerne Mutter geworden, doch Claus, ihr Mann, weigerte sich strikt, ihr diesen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, obwohl er immer wieder beteuerte, dass er sie abgöttisch liebe.
Sie lebte in einem goldenen Käfig, war umgeben von Luxus und konnte sich nahezu jeden Wunsch erfüllen. Claus trug sie auf Händen.
Nur, wenn sie von einem Kind sprach, blockte er ab, machte er sofort alle Schotten dicht und wollte nichts hören. Verantwortlich dafür war Petras Vater. Er hatte Claus in der Bank schon vor der Hochzeit zu seiner rechten Hand gemacht und ließ dem tüchtigen jungen Mann, dem er bedingungslos vertraute, einen beachtlich großen Spielraum.
Die beiden verstanden sich blendend. Claus schaute zu seinem erfolgreichen Schwiegervater wie zu einem Gott auf und eiferte ihm in allem nach. Sie waren ein Herz und eine Seele, und Claus Praetorius konnte jederzeit mit allen Problemen zu Horst Bachmann kommen, konnte mit ihm stets über alles reden. Nur in einem Punkt ließ Horst Bachmann niemals eine Diskussion zu: Petra, seine einzige Tochter, durfte auf keinen Fall schwanger werden!
Der Bankier hatte, wie er meinte, einen sehr triftigen Grund, seinem Schwiegersohn das Versprechen abzuringen, seine Frau unter keinen Umständen zu schwängern: Petras Urgroßmutter, die Großmutter und die Mutter waren bei der Geburt ihres ersten Kindes gestorben, und Horst Bachmann wollte nicht, dass es seiner Tochter genauso erging. In seinen Augen wäre es vorsätzlicher Mord gewesen, wenn Claus mit Petra ein Kind gezeugt hätte. Bachmann hätte das seinem Schwiegersohn niemals verziehen. Er hätte seine ganze Energie und seinen großen Einfluss eingesetzt, Claus Praetorius beruflich und gesellschaftlich zu vernichten.
Selbstverständlich wollte auch Claus seine geliebte Frau nicht verlieren, deshalb lehnte er es beharrlich ab, ihr ihren größten Wunsch zu erfüllen.
Und Petra Praetorius wurde immer unglücklicher. Sie kam sich so nutzlos vor, ihr Leben war so leer, so unausgefüllt ohne ein Kind, deshalb klammerte sie sich immer verzweifelter an die Hoffnung, eines Tages doch noch den heißersehnten Mutterfreuden entgegensehen zu dürfen.
Sie fuhr nach dem Besuch in der Grünwalder Praxis ohne Umweg nach Hause. Theresia, das Mädchen, brachte ihr einen Eistee auf die Terrasse, auf der sie es sich in einem Liegestuhl bequem gemacht hatte.
„Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Frau Praetorius?“, erkundigte sich das Mädchen aufmerksam.
„Nein. Danke, Theresia.“
Das Mädchen deutete einen Knicks an und entfernte sich.
„Theresia!“
„Ja, Frau Praetorius?“
„Bringen Sie mir das Telefon.“
„Sofort, Frau Praetorius.“
Das Mädchen brachte ein weißes Funktelefon, und Petra Praetorius rief ihren Mann in der Bank an. Er freute sich, ihre Stimme zu hören.
„Hallo, Liebling, wie geht es dir?“
Petra seufzte. „Ich habe Langeweile.“
„Oh, das tut mir leid.“
„Kannst du heute etwas früher nach Hause kommen, Claus?“
„Ich denke schon, dass sich das einrichten lässt.“
Petra nahm einen Schluck vom Eistee. „Danke.“
„Warst du bei Dr. Kayser?“
„Ja“, antwortete Petra einsilbig.
„Kann er dir helfen?“
„Wir reden darüber, wenn du heimkommst.“
„In Ordnung. Vielleicht schaffe ich es in einer Stunde. Glaubst du, dass du es so lange ohne mich aushältst?“
Sie lachte leise. „Ich werde es versuchen.“
Eine Stunde später nahm Claus Praetorius seine Frau in die Arme und küsste sie zärtlich. „Du siehst wundervoll aus, mein Schatz. Ich liebe dich.“
Sie erzählte ihrem elegant gekleideten, blonden Mann von ihrem Besuch in der Grünwalder Arztpraxis und von dem Rat, den ihr Dr. Kayser gegeben hatte.
„Autogenes Training“, sagte Claus begeistert. „Ich finde, das ist eine fabelhafte Idee. Darauf hätten wir aber auch selbst kommen können. Liegt doch auf der Hand, dass einem das bei seelischen Verspannungen hilft, nicht wahr?“
„Ich würde mit dir gerne wegfahren, Claus.“
„Wegfahren? Wann?“