Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane. A. F. Morland
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Читать онлайн книгу Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane - A. F. Morland страница 10
Claus kräuselte die Nase. „Ist ein bisschen weit für ein Wochenende, meinst du nicht auch?“
„Dann in die österreichischen Alpen“, schwenkte Petra sofort um.
Claus nickte. „Bin schon überredet. Ein Kunde von uns besitzt in der Nähe von Zell am See eine hübsche Berghütte. Da könnten wir wohnen. Wenn du willst, rufe ich ihn gleich mal an.“
Petra war einverstanden.
Claus ging telefonieren und kam fünf Minuten später händereibend wieder. „Alles geritzt. Ein Bote bringt mir morgen die Hüttenschlüssel ins Büro. Zwei wundervollen, unvergesslichen Tagen in den Bergen steht somit nichts mehr im Wege.“
6
Das Theaterstück schleppte sich träge dahin, das Publikum musste sich jeden Beifall höflich abquälen. Die Schauspieler bemühten sich zwar redlich, aber aus der matten Komödie war einfach nicht mehr zu machen.
Sie saßen in der vierten Reihe: Dr. Sven Kayser, Solveig Abel, Dr. Ruth Seeberg und Dr. Ulrich Seeberg. Als Ulrich Seeberg sich vorbeugte und den Blick an seiner Frau und an Solveig Abel vorbei auf Sven Kayser richtete, hob dieser bedauernd die Schultern.
„Tut mir leid“, sagte Sven. „Das Stück wurde mir von einem Patienten empfohlen. Er sagte, er habe sich köstlich amüsiert.“
„Einen seltsamen Humor muss der Mann haben.“
„Seine nächste Empfehlung werde ich ignorieren.“
Ulrich Seeberg winkte ab. „Mach dir nichts draus, Sven. Ruth und ich hatten für heute Abend sowieso nichts Besseres vor.“
„Vielleicht erholt sich das Stück noch“, meinte Solveig Abel, die attraktive Hotelbesitzerin, die seit Jahren mit Dr. Kayser verbandelt war, optimistisch.
„Ich glaub’s nicht“, gab Dr. Seeberg zurück.
Die Frau, die vor ihm saß, drehte sich ärgerlich um und zischte: „Möchten Sie nicht endlich still sein?“
„Entschuldigung“, murmelte der Klinikchef und konzentrierte sich wieder auf die Aufführung, obwohl sie es nicht wert war.
„Wollen wir gehen?“, fragte Dr. Kayser in der Pause im Theaterfoyer. „Niemand zwingt uns, bis zum Schluss zu bleiben.“
Ruth wollte nicht gehen. „Wenn ich mir einen Film ansehe, möchte ich wissen, wie er ausgeht“, sagte sie. „Und genauso verhält es sich mit einem Theaterstück.“
„Ist ein Standpunkt, den man akzeptieren muss“, nickte Sven.
„Ich habe Durst“, sagte Solveig. Sie trug ein dunkelblaues Kaschmirkleid und eine mehrreihige Perlenkette.
„Wie wär’s mit Sekt-Orange für die Damen?“, fragte Sven.
„Klingt verlockend“, lächelte Ruth Seeberg.
Sven sah Dr. Seeberg fragend an. „Du auch etwas?“
„Wir gehen anschließend doch noch essen, hm?“
„Selbstverständlich. Der Tisch ist bereits bestellt.“
„Da zisch’ ich dann ein, zwei Bierchen“, sagte Ulrich Seeberg.
Sven nickte und entfernte sich. Er wühlte sich durch die Menge. Der Rückweg mit den vollen Gläsern würde unvergleichlich schwieriger sein.
„Vorsicht! Achtung! Darf ich bitte durch? Sehr liebenswürdig. Danke“, sagte Sven ununterbrochen.
„Sven!“, rief plötzlich jemand freudig überrascht aus. „Sven Kayser!“ Eine sympathische Frauenstimme, Sven blickte sich suchend um – und einen Moment später strahlte er
„Yvonne! Meine Güte, bist du’s wirklich?“ Yvonne Wismath war eine Studienkollegin von ihm gewesen. Eine sehr gute. Sie hatte summa cum laude promoviert und damit die idiotische Behauptung, schöne Blondinen seien dumm, ad absurdum geführt.
Yvonne strahlte genauso wie Sven. Sie hatten sich nach der Uni aus den Augen verloren. Yvonne war mit einem bekannten Herzchirurgen nach Brasilien gegangen, und Sven hatte eigentlich nicht damit gerechnet, sie jemals wiederzusehen. Um so mehr freute es ihn, dass sie jetzt so unverhofft vor ihm stand. Man sah ihr ihre fünfundvierzig Jahre nicht an. Sie war schlank, vollbusig und immer noch bildschön.
Die blonde Fülle ihres seidigen Haares umrahmte in weichen Wellen ein sonnengebräuntes Gesicht mit himmelblauen Augen. Sven war einst – wie wohl jeder Student – in sie verliebt gewesen, aber es hatte nie zwischen ihnen gefunkt, obwohl die Bereitschaft auf beiden Seiten vorhanden gewesen wäre. Doch wenn Sven frei gewesen war, hatte Yvonne gerade einen Freund gehabt, und wenn sie allein gewesen war, hatte er eben erst eine vielversprechende Beziehung begonnen.
Sie hatte sich kaum verändert. Die Reife tat ihrem Aussehen gut. Eine bemerkenswerte Frau mit den allerbesten Chancen beim starken Geschlecht.
„Machst du Urlaub zu Hause?“, erkundigte sich Sven.
„Nein, ich lebe wieder in München.“
Sven staunte. „Seit wann?“
„Seit einem Jahr.“
Sven bedachte die schöne Kollegin mit einem vorwurfsvollen Blick. „Und da hast du dich noch nicht bei mir gemeldet? Ich glaube nicht, dass ich dir das verzeihen kann. Wieso lebst du jetzt wieder in Deutschland? Hast du das Heimweh nicht mehr ausgehalten?“
Yvonne schlug die himmelblauen Augen nieder. „Ich hatte nach Thorstens Tod keinen Halt mehr. Thorsten Klenke, du erinnerst dich?“
„Dr. Thorsten Klenke, der Herzspezialist, natürlich. Heißt du noch Wismath?“
Yvonne nickte. „Ja, Thorsten und ich haben nicht geheiratet. Wir wussten auch so, dass wir zusammengehören.“
„Tut mir leid für dich, dass er gestorben ist“, sagte Sven ernst. Er wusste, dass Dr. Klenke zwanzig Jahre älter als Yvonne gewesen war. „Woran ist er ...“
„Die Überfälle räuberischer Jugendbanden nehmen in Brasilien erschreckend zu. Man hat Thorsten in einen Hinterhalt gelockt und brutal zusammengeschlagen.“
„Schrecklich.“ Sven war ehrlich erschüttert.