Still ruht der See. Gisela Witte

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Still ruht der See - Gisela Witte

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style="font-size:15px;">      Die Tür steht offen und es ist zu dieser Zeit noch fast leer in der Bar. Zwei Männer, die an einem Tisch sitzen, mustern sie einen Moment neugierig und wenden sich wieder ihrem Gespräch zu. Tina setzt sich an die Theke. Die Barfrau, die ein schulterfreies Kleid in leuchtendem Blau trägt, nähert sich mit einem Lächeln und bringt ihr eine Getränkekarte. An ihrem Ausschnitt ist eine Brosche befestigt in Form einer Krone, auf der Nicole steht.

      »Können Sie mir einen nichtalkoholischen Cocktail empfehlen?«

      Die Frau tippt auf die Karte. »Ipanema, das ist so etwas wie ein nicht alkoholischer Caipirinha, mit Ginger Ale und Maracujasaft. Sehr erfrischend.«

      Tina nickt. »Hört sich gut an.«

      Sie beobachtet, wie Nicole Limettenviertel und Rohrzucker in ein hohes Glas gibt und stößelt, Eiswürfel hinzugibt und das Ganze mit Maracujasaft und Ginger Ale auffüllt. Zum Schluss dekoriert sie das Glas mit Minze und fügt einen Strohhalm hinzu.

      »Köstlich«, kommentiert Tina das Getränk, nachdem sie an dem Glas genippt hat. »Sie verstehen Ihr Handwerk.«

      Tina offenbart sich als Köchin, die auch Cocktails zubereiten kann, und beginnt mit Nicole über die neuesten Mixgetränke zu fachsimpeln.

      »Ich zahle schon mal. Nachher wird es sicher sehr voll.« Sie schiebt Nicole einen Fünfzigeuroschein über den Tresen. »Stimmt so. Bei der Gelegenheit möchte ich Sie etwas fragen. Diese Freundin hat mir das Blue Hour empfohlen. Kennen Sie die vielleicht?«

      Tina zeigt ihr das Foto, das sie aus Jelenas Zimmer mitgenommen hat.

      »Ja klar kenne ich die!«, ruft Nicole aus. »Die war häufiger hier. Schöne Frau, mit polnischem Akzent.«

      »Ist sie denn alleine gekommen?«

      Nicole lacht. »Nein, wirklich nicht. War immer in Begleitung. Meist mit älteren Herren.« Sie zwinkert Tina zu. »Sie machte den Eindruck einer Studentin, die sich ein paar Sugardaddys hält. War auffallend teuer angezogen. Aber ich will Ihre Freundin um Gotteswillen nicht verurteilen. Jeder soll so leben, wie er will. Was ist denn mit ihr?«

      »Sie ist von einem Tag auf den anderen verschwunden und hat nur einen Zettel hinterlassen, sie müsste zu ihrer kranken Mutter fahren.«

      Nicole lacht. »Na, wenn das mal keine Ausrede ist. Vermutlich war es ihr unangenehm zu verraten, dass sie zu einem reichen Kerl gezogen ist.« Sie hebt die Schultern, als wolle sie sagen, so ist das Leben. »Entschuldigen Sie mich jetzt bitte.« Sie wendet sich neuen Gästen zu.

      Tina rührt nachdenklich den Inhalt ihres Glases mit dem Strohhalm um. Von Jelenas Doppelleben zu hören überrascht sie. Aber wer kann es Jelena verübeln, dass sie die Chance ergreift, wenn ihr ein Mann ein Leben in Wohlstand anbietet?

      Tina stellt das Cocktailglas auf den Tresen.

      »Vielen Dank. Bis bald.« Sie schenkt Nicole ein Lächeln und verlässt die Bar.

      Jörg liegt im Wohnzimmer auf dem Sofa, ein Bierglas in der Hand und sieht sich einen Action Film an. Er mustert sie prüfend, schaut auf seine Uhr und fragt: »Wo kommst du denn zu dieser Zeit her?«

      »Ich war in einer Bar.« Tina lächelt.

      Er runzelt die Stirne und sieht sie ärgerlich an. »Erzähl nicht so einen Unsinn. Du gehst nie in eine Bar.«

      »Und wo warst du gestern Abend“, fragt Tina.

      «Wir hatten noch eine geschäftliche Besprechung.«

      »So, so. Bis in die tiefe Nacht.« Tina holt sich ein Glas Rotwein aus der Küche und setzt sich zu Jorg an den Couchtisch.

      »Jelenas Verschwinden hat mich beunruhigt. Deshalb war ich gestern Nachmittag in ihrem Zimmer. Es war alles leergeräumt und sie hat einen Abschiedsbrief hinterlassen. Den wollte ich dir zeigen.«

      Jörg zeigt sich interessiert, denn er setzt sich auf und schaltet sogar den Fernsehapparat aus.

      Sie schiebt ihm den Brief über den Tisch.

      Er nimmt ihn in die Hand, liest ihn und sagt: »Das ist ja nicht gerade die feine Art einen Abgang zu machen. Ich habe häufiger gesehen, dass sie von einem Mann abgeholt wurde. Die Geschichte mit der Mutter erscheint mir unglaubwürdig. Aber das geht uns nichts an. Die Sache ist für mich erledigt. Den Zettel werde ich in der Personalakte abheften. Das ist in meinen Augen die fristlose Kündigung einer Arbeitnehmerin.« Er sieht sie ausdruckslos an.

      »Als ich mich gestern in Jelenas Zimmer umsehen wollte, habe ich dich und Sven aus dem Haus kommen sehen. Und die Kellertür stand offen. Was habt ihr da gewollt?«

      Jörg blinzelt sie an und nimmt einen Schluck aus seinem Bierglas. Vermutlich will er etwas Zeit für seine Antwort gewinnen. »Ach das. Manuela will Ratten im Keller gesehen haben. Wir haben Köder ausgestreut.«

      Sie glaubt ihm nicht.

      Kapitel 7

      Kathrin hält mit dem Fahrrad vor dem Tor, den Korb voller Lebensmittel auf dem Gepäckständer. Im Supermarkt in Neu Seddin hat sie alles gefunden, was sie einkaufen wollte. Am Obststand hat ihr der glückliche Zufall auch noch eine Begegnung mit Tina beschert. Anschließend sind sie in ein Restaurant gegangen, um ihr Gespräch fortzusetzen. Sie war froh, mit jemandem reden zu können und Tina schien es ähnlich zu gehen.

      Drei Stunden haben sie miteinander verbracht, ohne zu merken, wie die Zeit vergeht. Kathrin fällt es nicht leicht, mit jemandem über persönliche Dinge zu sprechen. Aber sie vertraut Tina und hat ihr erzählt, was sich in den letzten Tagen Schlimmes im Haus ereignet hat. Es hat ihr gutgetan, von dem Drohbrief, dem anonymen Telefonat und dem blutigen Beil zu erzählen.

      »Hallo«, reißt sie eine Stimme aus ihren Gedanken. Es ist der Nachbar, der die Gartentür zum Kutscherhaus zuschließt und einen cremefarbenen Hund mit schwarzen Ohren und schwarzer Schnauze, von der Größe eines Kalbs an einer soliden Leine führt.

      »Hallo. Welch schöne Überraschung! Freut mich, Sie endlich kennenzulernen«, sagt er herzlich und hält den Hund, der an der Leine zerrt, mit aller Kraft fest. »Ich bin Manfred Altenhoff. Kurz bevor Ihr Onkel ins Pflegeheim musste, bin ich im Kutscherhaus eingezogen.«

      Er nähert sich mit ausgestreckter Hand. Der riesige Hund kommt ebenfalls auf sie zu, hebt schnüffelnd die Schnauze und wedelte mit dem Schwanz. Kathrin weicht einen Schritt zurück.

      »Nein, Sie müssen keine Angst vor Ali haben. Auch, wenn er ziemlich groß geraten ist. Er ist ein Kangal, ein türkischer Hütehund, lammfromm, selbst die Katzen dürfen ihn ärgern. Nur wenn jemand angegriffen wird, mischt er sich ein. Er braucht immer etwas, das er behüten und beschützen kann, und schlägt sich stets auf die Seite der Bedrängten und Verfolgten.« Er lacht und streicht dem Hund über den Kopf.

      Kathrin mustert ihn. Manfred Altenhof könnte um die sechzig sein, ein attraktiver Mann mit gepflegtem Schnauzer und vollem Grauhaar. Er trägt eine teuer aussehende beigefarbene Leinenhose, dazu einen olivfarbenen, unförmigen Pullover und italienische braune Markenschuhe. Der Pullover muss ein Lieblingskleidungsstück von ihm sein. Mit so einem abgenutzten Teil lässt man sich sonst nicht in der Öffentlichkeit sehen. Das macht ihn noch sympathischer.

      »Freut mich. Vielen Dank auch, dass sie sich um die Heizung gekümmert

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