Still ruht der See. Gisela Witte

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Still ruht der See - Gisela Witte

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ihn herausfordernd an.

      Er runzelt die Stirn, seine blauen Augen werden dunkel.

      »Sehr witzig! Davon höre ich jetzt zum ersten Mal. Entschuldige also, wenn ich nicht gleich wie irre losjubele. Ich habe es nicht gern, ungefragt verplant zu werden. Außerdem darfst du die Renovierungskosten von so einem Riesenkasten nicht unterschätzen. Die Schäden an einem Haus stellen sich immer erst bei der Renovierung heraus. Davon hast du keine Ahnung. Ich versichere dir, versteckte Baumängel können jeden ohne ein größeres Finanzpolster ruinieren. Bleib lieber bei Sachen, von denen du etwas verstehst. Ich garantiere dir schlaflose Nächte ohne Ende!«

      »Aber … «, setzt Kathrin an. Franks Handy klingelt. Er unterbricht sie mit einer abwehrenden Handbewegung, steht auf und geht in Richtung See. Am Ufer läuft er hin und her, und gestikuliert heftig, während er telefoniert.

      Einen Moment lang bleibt Kathrin sitzen, um Franks Standpauke zu verdauen. Dann trägt sie das Frühstücksgeschirr in die Küche. Dort schaut sie sich prüfend um. Die Speisekammer hat sie noch nicht inspiziert.

      Sie öffnet die klemmende Tür und entdeckt eine größere Anzahl von gusseisernen Kasserollen, Pfannen und Kuchenformen. Zwei Regale sind vollgestellt mit Gläsern von eingeweckten Pflaumen, Birnen und mit hausgemachter Erdbeer- und Brombeermarmelade, alle sorgfältig mit Datum versehen. Wer weiß, welche Überraschungen sonst noch im Haus auf sie warten.

      Da erscheint Frank in der Küchentür. »Das hatte ich ja schon bei unserer Ankunft angekündigt, muss jetzt nach Berlin fahren, bin wahrscheinlich abends zurück.« Er hebt abwehrend die Hand. »Bitte mach kein Theater, stehe ohnehin unter einem Wahnsinnsstress.« Flüchtig küsst er sie auf die Wange und verschwindet.

      Kathrin tritt ans Fenster und sieht ihm hinterher, wie er das Tor öffnet und mit seinem BMW hinausdüst.

      In ihren schlimmsten Träumen hat sie sich den Aufenthalt hier im Haus nicht so vorgestellt. Eine Runde durch das Haus wird sie auf andere Gedanken bringen. Sie steckt sich den großen Schlüsselbund, den ihr der Notar ausgehändigt hatte, in die Hosentasche und geht auf Entdeckungsreise. Im Erdgeschoss öffnet sie die Fenster und lässt Sonne und warme Luft herein. Nur einige der Räume sind möbliert, Ölbilder an den Wänden zeigen Landschaften oder Ansichten des Sees. Ein großformatiges gerahmtes Foto gelangt in ihr Blickfeld, auf dem die Großeltern abgebildet sind. Großmutter mit einem Stirnband um den Pagenkopf geschlungen und Großvater mit geöltem Haar und Oberlippenbart. Sie schauen sich in die Augen und tanzen mit sichtlichem Spaß Charleston.

      In dem getäfelten Wohnzimmer, dem größten Raum im Erdgeschoss, stößt sie auf den gewaltigen Eichenschrank mit geschnitzten Türen und auf ein Biedermeiersofa, daneben eine Kommode. Nur wenige Möbelstücke sind noch von der Familie erhalten geblieben. Kathrin steckt nacheinander alle größeren Schlüssel an ihrem Bund in das Schloss des Schrankes, aber keiner passt. Gerne hätte sie mehr über sein Innenleben gewusst.

      Frank hat das letzte Zimmer belegt, das an die Terrasse grenzt, mit Blick auf den See. Wie überall, wo er sich aufhält, herrscht auch hier penible Ordnung. Eine Ordnung, die sie manchmal als zwanghaft empfindet. Vor das Fenster hat er einen hellen Holztisch gestellt, den er als Schreibtisch nutzt. Zwei Kugelschreiber, ein roter Marker und der teure Füllhalter, den sie ihm zu Weihnachten geschenkt hat, liegen in Reih und Glied nebeneinander, daneben ein Schreibblock und ein blauer Terminkalender, den er offensichtlich vergessen hat. Das kleine grüne Licht an seinem Laptop leuchtet. Einen Moment gerät sie in Versuchung, seine Mails zu lesen, um mehr über seine Geschäfte zu erfahren. Aber wäre das nicht ein Vertrauensbruch?

      Bevor sie zurück in die Halle eilt, begnügt sie sich damit, die pedantische Ordnung zu stören, indem sie den Füllhalter aus der Reihe nimmt und ihn schräg auf den Tisch hinlegt.

      Auch die Zimmer im ersten Stock sind nur spärlich mit Möbeln ausgestattet. Wo sind all die Möbel geblieben, die sie hier noch vor Jahren gesehen hat? Ein Raum, mit einer Schlafcouch, zwei Sesseln, einem Tisch und einem Schrank, führt zur Terrasse. Nach einigen Versuchen gelingt es ihr, die Flügeltüren zu öffnen. Sie tritt hinaus und ist sofort überwältigt von dem Blick auf den See. Bestimmt wäre Simone auch von der Aussicht begeistert. Sie wird ihr den Raum überlassen, wenn sie zu Besuch kommt.

      Franks Terminkalender geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. Ob sie nicht doch – nur ganz kurz - hineinschauen soll?

      Sie geht die Treppe hinunter, läuft durch die Halle, durchquert alle Räume bis zu Franks Zimmer, zögert einen Moment und greift entschlossen nach dem Terminkalender auf dem Tisch. Unter dem heutigen Datum steht: »13 Uhr, Treffen mit M., Blumen«. Das Wort Blumen ist dick unterstrichen. Wer ist »M«? Einem Geschäftspartner würde er sicher keine Blumen mitbringen. Sie spürt ein Ziehen in der Magengegend. Ist das wieder eine von Franks Affären? Bisher hat er es immer geleugnet, wenn sie ihn zur Rede gestellt hat. Die Katze lässt das Mausen nicht, flüstert ihr eine hässliche Stimme zu.

      Kapitel 4

      Die vier Frauen aus Brünn warten bereits vor der Tür und winken ihr zu. Tina parkt den VW-Bus direkt vor dem Haus, steigt aus dem Auto und geht lächelnd auf sie zu.

      »Dobry dzien«, grüßt Tina auf Polnisch und anschließend mit einem »Ahoi« auf Tschechisch und gibt ihnen der Reihe nach die Hand. Tina hat eine Weile gebraucht, um sich an den tschechischen Gruß zu gewöhnen. Für sie hört es sich an, wie eine Grußformel bei der Seefahrt.

      »Wie geht`s Wo ist denn Jelena? Ist sie noch nicht fertig?«

      »Jelena nicht da. Gestern Abend sehen aus Haus gehen«, sagt Aneta, eine kräftige blonde Frau um die dreißig.

      »Dann werde ich mal nach ihr schauen, ob sie verschlafen hat.«

      Tina schließt die Haustür auf. Erst vor wenigen Monaten hat Jörg diese Bruchbude am Stadtrand von Potsdam angemietet, um die Reinigungskräfte aus Polen und Tschechien unterzubringen. Aber sie hat ja nichts zu sagen. Nur ihr Ehemann Jörg und dessen Schwester sind in der Geschäftsführung. Auf deren Wunsch wohnen die Frauen, jeweils nach Herkunft in unterschiedlichen Etagen.

      Die ausgetretenen Stufen knarren, als sie die Treppe hinaufläuft. Von der Wand bröckelt der Putz. Wie oft hat sie Jörg schon gebeten, das Haus renovieren zu lassen, um den Frauen eine menschenwürdige Unterkunft zu geben. Früher zeigte er mehr Mitgefühl mit anderen. Sie erkennt ihren Mann nicht wieder. Das ist der Einfluss seiner geldgierigen Schwester Manuela.

      Oben angekommen bleibt sie vor einer Tür stehen und klopft energisch. »Jelena?« Keine Antwort. Tina drückt auf die Klinke – die Tür ist verschlossen. Das ist nicht das erste Mal, dass Jelena nicht zur Arbeit erscheint. In den zwei Jahren, die sie für den Reinigungsservice arbeitet, ist es schon mehrmals vorgekommen. Wenn Jelena verliebt ist, vergisst sie alles andere und der Job wird zweitrangig.

      Tina steigt verärgert die Treppe hinunter. Später, nach Dienstschluss, wird sie noch einmal nach Jelena sehen.

      Die Frauen haben sich schon ins Auto gesetzt und blicken sie fragend an. Sie zuckt die Achseln.

      »Was wir machen heute?«, fragt Aneta.

      »Wir haben einen Auftrag, für ein Haus in Potsdam. Acht Zimmer. Soll schon länger leer stehen, sagte der neue Besitzer.« Tina mag derartige Aufträge nicht. Man weiß nie, welche Überraschungen ein verlassenes Gebäude bereithält. Häufig ist die Arbeit nicht an einem Tag zu erledigen.

      Nach nur zwanzig Minuten Fahrt verrät das Navi, dass sie ihr Ziel erreicht haben. Sie steigen aus. Tina hievt zwei Körbe aus dem Auto, einen davon drückt sie Aneta in die Hand.

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