Die Goldminen von Midian. Richard Francis Burton
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Goldminen von Midian - Richard Francis Burton страница 7
Das lange schmale Felsmassiv, dessen Konturen und Blöcke aus silbern getupften Berggipfeln und Felsspitzen sich mitunter bis auf 8000 Fuß erheben, war das letzte für uns sichtbare Stück Land auf unserem Weg. Es bot uns all seine Schönheit dar, die auf ihre Weise sogar dem unübertroffenen alpinen Charme einer intensiv strahlenden Sonne und des funkelnden Schnees gleichkommt: Goldstaub regnete auf den reinsten Hermelinpelz, und die ganze Szenerie hob sich ab vor dem mittelländischen Blau, während das Meer zur Musik der Winde tanzte. Mit dem tief empfundenen Wunsch, dass Kreta – welches im Jahre des Herrn 1680 von Mohammed IV., dem letzten Sultan, der persönlich im Felde stand, annektiert wurde – sich am Abend seiner Tage über die Wiedervereinigung mit dem Christentum und der Fahne des heiligen Georg glücklich schätzen möge, entboten wir der Insel ein zärtliches Lebewohl und wunderten uns, den Seeweg so von Schiffen verlassen zu sehen. Am 8. März warfen wir Anker im alten Eunostos, dem neuen Hafen von Alexandria, welcher ein vortreffliches Werk und Ägyptens größter Tage würdig ist. Wir Reisende hielten jetzt Ausschau nach einer Gepäck-Anlandungsgesellschaft, die uns vor den Kasteiungen des kreischenden Bootsverleihers und des habgierigen Dragomans bewahren sollte.
Der »libysche Vorort« – die Stadt sowohl des Propheten Daniel, Alexanders des Großen und des Apostels Markus – ist nicht mehr wie im Jahre 1853 eine Stadt falscher Bezeichnungen, wo die Trockendocks immer nass und die marmornen Springbrunnen ewig trocken sind; deren »Nadel der Kleopatra« weder mit Kleopatra verbunden noch eine Nadel ist; deren »Säule des Pompeius« nie den geringsten irdischen Bezug zu Pompeius aufwies und deren »Bäder« der Kleopatra, wahrheitsliebenden Reisenden zufolge, von jeher alles andere als Bäder waren.
Doch es ist ihr unerfreuliches Schicksal, von jedem Reisenden beschimpft zu werden. Nie verbrachte ein Tourist mehr als wenige Stunden im Abbat’s oder im Hôtel de l’Europe, aber jeder wirft einen kleinen Stein auf sie. Selbst die »Gewöhnlichkeit des Westens« wirft man ihr vor! Vom Meer aus betrachtet, verlangt das große Emporium (Handelszentrum), das wir in Karatschi entrüstet ablehnen, einigen Respekt. Die in anderen Mittelmeerhäfen, insbesondere in Triest, »Verbesserungen« genannten Misserfolge sprechen für Alexandria: Die vormals schwierige und gefährliche Einfahrt ist sicher mit Bojen markiert; der das Ufer beschützende vortreffliche Wellenbrecher benötigt nur einen besseren Leuchtturm an diesem Punkt; das Innere des alten Hafens wurde mit Molen und Docks ausgestattet; der Landungsplatz wird vertieft, indem man – vielleicht ein wenig zu sehr – die küstennahen Untiefen auffüllt, und schließlich werden breite, mit Steinplatten gepflasterte Kais entlang des Hafens in absehbarer Zeit Transit und Verkehr erleichtern.
»Semper Libya novi aliquid parit«, sagt der Historiker – und niemals hat Libyen etwas glücklicher hervorgebracht als jenen neuen Hafen.
Besagte Verbesserungen, die in Alexandria wirklich diesen häufig missbrauchten Begriff verdienen, finden sich vor allem um die Place de Consuls, jetzt Méhémet-Ali-Platz genannt. Im Jahr 1853 war dieser große rechteckige Platz eine kahle, von Winden gepeitschte, unfruchtbare Wildnis, die abwechselnd von Staub und dunklem Schlamm bedeckt wurde. Seitdem nun Europa die Sache in die Hand genommen hat, entwickelte er sich zu einem hochgeschätzten Ort, gesäumt von Bürgersteigen und Gehwegen aus Stein. Die den Spaziergängern vorbehaltene innere Fläche, wo der Turban tragende Napoleon inmitten von grünenden Bäumen und fließendem Wasser auf seinem arabischen Ross sitzt, ist von Pfählen und Ketten eingefasst, und allenfalls der verschwenderische Umgang mit Metall dürfte hier als sündhaft bezeichnet werden: Sie sind massiv genug für den Notanker eines Panzerschiffes, und die mächtigen Spitzen erinnern gruselig an die Mamelukenbeys und ihre bevorzugte Bestrafungsart, welche – ohne Musurus Pascha zu nahe treten zu wollen – nicht gänzlich aus der Mode gekommen ist. Den runden weißen Bassins mangelt es nicht länger an Wasser. Es gibt kioskartige Musikpavillons, wo Musik die schönen Sommernächte belebt; die englische Kirche erscheint weniger hausbacken-hässlich, als ihr gewöhnlich nachgesagt wird, und der hellblaue Palazzo Tositza am östlichen Ende beherbergt eine hinlänglich funktionierende Stadtverwaltung sowie den Gerichtshof. Obwohl es die britische Art ist, außerhalb der Stadt zu leben, sind die alten, nach Norden gerichteten Palazzi groß und komfortabel, da sie die Meeresbrise einfangen und zugleich die Sonne ausschließen.
Aber Alexandria wird, gleich Damaskus und ähnlichen Orten, mehr von dem Land-Reisenden geschätzt, der auf anderem Wege eintrifft, wie auch von dem Zurückkehrenden, der die Stadt von Süden her betritt. Die Kairo-Eisenbahnlinie zeigt sich allen anderen weit überlegen: Selbst die von Einheimischen benutzten Bummelzüge sind pünktlich, und die Postzüge legen ihre 131 Meilen in viereinhalb Stunden zurück. In der warmen Jahreszeit ist die erste leichte Meeresbrise so erfreulich wie das erste Glas Nilwasser, und der Anblick des Máryút-Sees erfrischt Orientalen und Abendländern gleichermaßen das Auge, das unter dem blendenden Licht von Kairo und der Wüste gelitten hat. Die Hauptstraßen sind ebenfalls nach der Mode italienischer Städte mit großen Steintafeln aus jenem eolithischen Sandstein gepflastert, mit dem Triest noch immer einen schwunghaften Handel treibt. Die Häuser sind nummeriert, obwohl die Hauptverkehrsstraßen keine Namen haben.
Die europäischen Geschäfte präsentieren sich wie Kaufläden – nicht wie die erbärmlichen französischen Marktbuden der Hauptstadt, wo einem für drittklassige Artikel erstklassige Pariser Preise berechnet werden. Das »Einkaufen« ist in der Tat in ganz Ägypten ein teurer und unbefriedigender Zeitvertreib: Bei Ebners Buchhandlung in Kairo wurde ich um zehn Franken für die letzte Druckschrift meines Freundes Brugsch-Bey erleichtert, welche Leipzig für fünfeinhalb Franken verkauft, während die Zentralapotheke mir vier Franken für Augentropfen – ein halbes Quäntchen Borax in einer Rosenwasser-Phiole – abverlangte.
Der »Kanal der zwei Meere« (Suezkanal) war das erste Unglück für Alexandria, welches einmal so stolz auf seine Vorrangstellung als Hafen-Hauptstadt der Levante war. Der Hafen hatte sich zum erfolgreichen Rivalen von Algier und Smyrna entwickelt. Dem folgte am 19. April ein weiterer Schock, als der Süßwasserkanal »El Ismaelíyyeh«, der den Nil bei Kairo mit dem Timsáh-See verbindet, das Gebiet mit seinen Importen und Exporten auf den absolut kleinsten Umkreis beschränkte. Die Stadt ist arm, und ihre Armut greift um sich.
Ihr bleibt nun nichts anderes übrig, als Fisch aus dem Fieber ausbrütenden Máryút-See gegen Getreide, Wein und Öl zu tauschen, wie es mehr als eine englische Handelsgesellschaft vorgeschlagen hat. Das schwindende Fahrgastaufkommen jedoch macht die Hotels weit angenehmer und bequemer als ehedem.
Doch leider muss ich sagen, dass die Aussicht auf Bankrott keineswegs dazu angetan war, die Lebensgeister von Alexandria zu wecken. Die »Araber«, wie die Ägypter genannt werden – wahrscheinlich weil so wenig arabisches Blut in ihren Adern fließt –, sind mürrisch, und der umtriebige Stamm der Levantiner ist noch verdrießlicher. Bei einem Dschihad, einem heiligen Krieg, und dem drohenden Entfalten des Chirqa Scheríf – des heiligen und apostolischen Banners – werden die Muslime Schutz gegen die Christen anfordern. Kairo ist in Glaubensfragen immer schon gleichgültig gewesen, während Suez nach wie vor fanatisch »gläubig« ist.
Die neue Polizei in Alexandria hat einiges zur Verminderung der Plage getan, welche jeder Fremde in der »düsteren und herzbedrückenden Stadt« des Jahres 1852 zu beklagen hatte. Als der Handel mit Baumwolle und Getreide den Hafen bereicherte, verkam sie zum Diebesnest – zur gewöhnlichen Gosse für all den Abschaum und Auswurf des Mittelmeeres. Ab und an wurden energische Maßnahmen gegen die griechischen und italienischen Proleten mit ihren schnellen Messern ergriffen: Man wies sie aus, aber irgendwie gelang es ihnen, immer wieder zurückzukommen. Während meiner letzten zwei Besuche bemerkte ich jedoch eine deutliche Verbesserung in dieser Hinsicht, und zweifellos wird die Zeit das Ihre dazu tun.
Der Zustrom von Ausländern birgt gewiss Nachteile – dennoch dürfen wir unsere Augen nicht vor der Kehrseite der Medaille verschließen.