Blaulichtmilieu. Stefan Mühlfried
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Читать онлайн книгу Blaulichtmilieu - Stefan Mühlfried страница 4
»Wenn er hier nicht bald wegkommt, nützt ihm das nichts.« Tim zählte leise die Symptome auf. Die Ärztin nickte und legte dem Patienten ein rotes Armband ums Handgelenk. »Hohe Transportprio. Aber ihr fahrt ihn nicht, ich brauche euch hier. Gebt ihm Ketanest und Dormicum, dann meldet euch bei mir.«
Ein Feuerwehrmann kam heran. Auf den Armen trug er den leblosen Körper einer jungen Frau. Kopftuch und Kleid waren blutdurchtränkt. »Leichenablage?«
Die Ärztin wies flüchtig zur Rückseite der Halle und lief zu einem anderen Team, das mit einer Wiederbelebung beschäftigt war. »Lasst das«, rief sie. »Die Zeit haben wir nicht. Da, kümmert euch um den!«
Der Kollege mit der Toten ging. Tim sah ihm nach, wie er die Leiche zu einer Reihe anderer legte und einen Moment verharrte, bevor er aufstand und zur Einsatzstelle zurückkehrte.
»Wenig Todesopfer«, sagte er.
»Das bedeutet viele Verletzte. Los, mach hin!«
Tim zog die Medikamente auf, während Mark Wundauflagen aus ihren sterilen Verpackungen riss, sie auf die Brandwunden legte und Kochsalzlösung aus einem Infusionsbeutel darüber goss, um die verbrannte Haut feucht zu halten.
»Halt!«, rief eine Frauenstimme.
Mark sah kurz auf. Eine Gruppe stand vor ihm, teils uniformierte Polizisten, teils in Zivil. Tim ignorierte sie und steckte die Spritze an den Adapter der Infusionskanüle.
»Ist er das?«, fragte die Frau.
»Ja, ich glaube schon«, sagte eine andere Frau.
»Sie beide, wir müssen mit dem Mann reden.«
»Habt ihr sie noch alle?«, fragte Mark. »Ihr könnt uns doch nicht einfach in die Behandlung pfuschen.«
»Wollen Sie den Mann gerade in Narkose legen?«
»Was dagegen?«, fragte Tim und drückte auf den Kolben der Spritze. Langsam ließ er die Medis in die Vene des Patienten laufen.
»Stopp!«, rief die Frau.
Nun schaute auch Tim auf – und blickte in ein sommersprossiges Gesicht unter rotblonden Locken. Dieses Gesicht so schnell wiederzusehen, hatte er nicht erwartet.
»Oh nein«, sagte sie. Schon wieder.
»Oh doch«, antwortete er und drückte den Kolben ganz durch. Die Unruhe des Patienten legte sich, der Kopf fiel zur Seite.
»Das kannst du …« Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Das können Sie …«
Tim stand auf. »Hör mal, erzähl uns nicht, wie wir unsere Patienten behandeln sollen, okay? Wir sagen euch auch nicht, wie man Strafzettel schreibt.«
Die LNA stellte sich zu ihm. »Gibt’s Probleme?«
»Ich weiß nicht«, sagte Tim und schaute die Polizistin an. »Gibt es Probleme?«
Diese zog den blauen Dienstausweis aus der Gesäßtasche ihrer Jeans. Tim konnte nicht anders, als daran zu denken, was sich unter dem straff gespannten Stoff befand. Er riss sich zusammen und trat zur Notärztin, um den Namen auf der blauen Karte zu lesen: Marie Schwartz, Kriminaloberkommissarin. Marie, richtig. Tim erinnerte sich.
»Es ist für unsere Ermittlungen sehr wichtig, dass wir so früh wie möglich Spuren und Aussagen sichern«, sagte sie, »und es besteht Grund zur Annahme, dass dieser Mann uns wertvolle Hinweise geben kann.«
»Erst einmal gebe ich Ihnen einen wertvollen Hinweis«, fauchte die Notärztin und schien eine Handbreit zu wachsen. »Der Patient ist schwerst verletzt, und wenn die beiden Jungs ihre Arbeit nicht verdammt gut gemacht hätten, könnten Sie da drüben versuchen, eine Aussage zu bekommen.« Sie deutete zur Leichensammelstelle. »Wenn Sie den Mann so dringend brauchen, dann sollten Sie dafür sorgen, dass der nächste freie Hubschrauber ihn ins Krankenhaus bringt. Und jetzt stehen Sie hier nicht im Weg herum.«
Maries Kieferknochen mahlten, aber sie hatte der Notärztin nichts entgegenzusetzen. Der Kerl von letzter Nacht hielt die Spritze hoch und lächelte freundlich. »Auch eine? Entspannt ungeheuer.«
So ein Idiot. Sie drehte sich um und stapfte davon. Egal wohin, Hauptsache weg.
»Ich kann dir den Namen geben«, rief er ihr nach.
»Danke«, rief sie zurück, ohne sich umzudrehen. »Im Gegensatz zu dir habe ich ihn mir gemerkt.«
»Nicht meinen, Dummkopf. Den vom Patienten.«
Sie blieb stehen, schloss die Augen und spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Sie öffnete sie wieder, vermied es sorgfältig, ihre Kollegen anzusehen, und drehte sich um. »Also?«
Er stand immer noch da wie zuvor, die Spritze in der erhobenen Hand wie James Bond seine Walther PPK. Sie zog das Notizbuch heraus und entnahm den Stift. »Ich höre.«
»Wolfgang Boskop.«
»Boskop wie der Apfel?«
»Ich denke schon.«
»Geburtsdatum?«
Er wies auf das Feuerwehrwappen an seiner Jacke. »Sehe ich aus wie das Einwohnermeldeamt?«
Sie notierte den Namen und klappte das Notizbuch zu. »Sorgen Sie dafür, dass er am Leben bleibt.«
»Das hatte ich vor. Aber danke für den Hinweis.«
Sie drehte sich um und ging, ohne auf ihre Kollegen zu warten.
Harald schloss zu ihr auf. »Was war das denn gerade? Oder besser: Wer war das?«
»Frag nicht. Bitte.«
»Zumal er recht hat. Was ist in dich gefahren, die Retter herumzukommandieren?«
»Ich mache nur meinen Job.«
Harald blieb stehen, griff nach ihrer Schulter und drehte sie zu sich. »Vergiss nicht, dass ich 20 Jahre mehr auf dem Buckel habe als du. Du bist eine brillante Ermittlerin, aber in Sachen Menschenkenntnis stecke ich dich in die Tasche. Also?«
Sie fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht. »Ach, ich weiß auch nicht. Das hier ist einsatztaktisch der pure Horror.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Einsatztaktisch.«
»Ja, und ansonsten auch, klar. Und ich bin … nicht richtig fit heute. Sieh dich doch um – wie soll ich hier jemals den Überblick bekommen? Überall Opfer, Spuren, Hinweise, und sie werden schneller zertrampelt, als wir sie sichern können. Du weißt so gut wie ich, dass es mit jeder Sekunde schwieriger wird. Wir können nicht einmal den Tatort vernünftig absperren. Der Mann ist die beste Spur, die wir haben.«
Er drückte ihre Schulter. »Dein erster Einsatz in dieser Größenordnung, was?«
»Bei den Mordermittlern, ja. Im Streifendienst ging’s da eher mal rund. Ich habe es immer gehasst.«
»Ich weiß. Es