Feenders. Jürgen Friedrich Schröder

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Feenders - Jürgen Friedrich Schröder

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sagte uns vor der Einquartierung, es sei eine Übung!« Lilli zuckte die Schultern.

      Mitten in der Scheune war ein gewaltiger Heuhaufen aufgetürmt, wohl bald vier Meter hoch. Einer der Soldaten, der mit drei oder vier jungen Katzen spielte, machte sich einen besonderen Spaß. Er nahm eine und warf sie hoch in die Luft, sodass sie auf dem Heuhaufen landete. Marijke und Lilli schauten gespannt nach oben. Zunächst passierte gar nichts. Dann erschienen dort zwei Ohren, gleich darauf zwei große Augen. Die Katze setzte sich regelrecht auf ihren Hintern und rodelte den Heuhaufen hinunter. Sie rannte gleich wieder zu dem Soldaten und schaute ihn erwartungsvoll an.

      Dieser lachte. »Noch mal?« Im nächsten Moment flog das fidele Katzenkind wieder nach oben und das Spiel wiederholte sich. Nun wurden auch die anderen jungen Katzen aufmerksam und bald darauf gab es ein munteres Katzenfliegen. Die Kleinen konnten gar nicht genug davon bekommen. Der Soldat, sicher noch keine zwanzig Jahre alt, kam aus dem Lachen gar nicht mehr heraus, bis … Die beiden Mädchen hatten den Offizier gar nicht bemerkt, der plötzlich neben ihnen stand.

      »Gefreiter Dieckmann! In drei Minuten sind Sie startklar und melden sich bei mir!«

      »Jawoll, Herr Hauptmann!«, brüllte der Soldat überrascht und salutierte – mit einer Katze in der linken Hand.

      Die beiden Mädchen bogen sich vor Lachen. Es hätte eher in den Film von Pat und Patachon gepasst, den die beiden sich kürzlich im Kino angesehen hatten. Der Offizier ging nur kopfschüttelnd wieder nach draußen, ohne ein weiteres Wort über diese tierische Grußvariante zu verlieren.

      Der Gefreite setzte schnell die Katze auf den Boden und rannte … Da sah Marijke das Motorrad, das halb verborgen hinter dem großen geöffneten Scheunentorflügel stand, und erkannte den Soldaten wieder, der sich in Windeseile anzog. Es war der Kradmelder, der sie in fürsorglicher Rauheit vom Sandweg gescheucht hatte. Das war ja noch ein großes Kind, das hier den Soldaten geben musste!

      Der junge Kerl wuchtete die Maschine vom Ständer und schob sie eilends nach draußen. Der Hauptmann erteilte den Fahrbefehl und drückte ihm einen Papierstoß in die Hand, den der Gefreite in seiner großen Umhängetasche verschwinden ließ.

      Als der Kradmelder davongebraust war, trat Marijke zu dem Offizier: »Meneer, ich möchte Sie etwas fragen!«

      »Nur zu, junge Dame! Sie sind Holländerin?«

      Marijke nickte nur. Diese Bezeichnung ihrer Nationalität war sie von den Deutschen gewohnt. Wer von ihnen wusste schon, dass ihr Heimatland die Vereinten Niederlande waren und Holland, genauer gesagt Nord- und Südholland zwei ihrer Provinzen. Aber das war lediglich eine der Feinheiten, die man nicht unbedingt erörtern musste.

      »Meneer, was machen Sie und Ihre Männer hier?«, fragte sie ihn direkt und unverblümt.

      Der Hauptmann zögerte für einen Sekundenbruchteil. »Sie wissen, dass Großbritannien und Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg erklärt haben …«

      »Nachdem deutsche Truppen Polen überfallen haben«, platzte Marijke heraus.

      »Das mag Ihre Ansicht sein. Wir sind jedenfalls hier, weil unsere Führung befürchtet, dass die alliierten Truppen die Neutralität Ihres Landes missachten und uns von dieser Seite her angreifen. Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme!«

      Marijke sah ihn an und schoss ihre nächste Frage ab: »Ich dachte, das deutsche Militär sei komplett motorisiert. Warum haben Sie so viel Kavallerie?«

      Der Offizier setzte zu einer spontanen Antwort an, stockte aber für einen winzigen Moment.

      Marijke war dies nicht entgangen. Der wusste mehr, als er zugeben wollte!

      »Daran sehen Sie, dass wir nur lautere Absichten haben. Wir nutzen die Pferde für Patrouillenritte im unwegsamen Gelände. Einen Krieg kann man mit ihnen heute nicht mehr führen.«

      »Danke, meneer. Einen friedlichen Sommer wünsche ich Ihnen – und uns allen!«

      Der Hauptmann nickte freundlich und ging langsam davon. Er sollte sie nicht für dumm halten, dachte die junge Niederländerin. Pferde für Patrouillenritte! Auf den angrenzenden Weiden hatte sie wohl mehr als hundert gesehen. So viele konnte man dafür gar nicht brauchen. Aber bei der Bodenbeschaffenheit vieler niederländischer Gebiete umso besser!

      Marijke lief es eiskalt den Rücken herunter.

      Sie ahnte nicht, unter welch merkwürdigen Umständen sie diesem deutschen Offizier Jahre später wiederbegegnen sollte.

      Beim gemeinsamen Tee im Kreise der Familie Feenders kam unter anderem – nachdem man sich allgemein über die aktuelle Lage sehr besorgt gezeigt hatte – wieder unweigerlich die Sprache darauf, wie Marijke und Lilli sich kennengelernt hatten. Und Melitta Feenders, die Großmutter, bat die beiden, die Geschichte noch einmal zu erzählen. Die alte Dame schmunzelte. »Ihr wisst ja, ich kenn das schon. Aber ich möcht es gerne noch einmal hören. Es ist einfach zu komisch.«

      »Ja«, sagte Marijke und lachte allein schon bei dem Gedanken an diese Episode. »Es war auch lustig. Also, das war so …«

      Beim Gallimarkt vor etwa anderthalb Jahren, also im Oktober 1938, hatten die beiden Mädchen bei einem der Händler ein Kleid erspäht, und zwar praktisch zur gleichen Zeit. Es hatte ihnen ausnehmend gut gefallen und es gab nur noch eines davon, und da die beiden jungen Damen dieselbe Konfektionsgröße hatten … Nun hätte man meinen können, dass sich daraus ein Streit entwickelt hätte – aber nein, keineswegs. Eine wollte der anderen den Vortritt lassen, das Vorkaufsrecht sozusagen. Das jedoch wollte jeweils die andere aus lauter Höflichkeit nicht zulassen. Geradezu blitzartig war beiderseits der Funke übergesprungen und die beiden Mädchen machten sich einen Spaß daraus, sich gegenseitig das Kleid in den höchsten Tönen anzupreisen. Weitere Besucher wurden auf die Ulkvorstellung der beiden aufmerksam, die sich geradezu bühnenreif entwickelte, worauf die Mädchen sich angespornt fühlten, jeweils noch eins draufzusetzen. Der Verkäufer lachte auch – zunächst jedenfalls, bis – ja, bis die jungen Damen fast wie aus einem Munde lachend erklärten, sie könnten sich einfach nicht einigen und müssten daher leider beide auf das Kleid verzichten. Da lachte der Händler nicht mehr, die Umstehenden dafür umso mehr. Unter großem Applaus hatten die beiden den Ort der Vorstellung verlassen.

      »Koffie klaar!«, hatte Marijke zum Ende des fröhlichen Unfugs gesagt und sich die Lachtränen aus dem Gesicht gewischt, von Lilli prustend begleitet. Lachend wie zwei übermütige Hühner waren sie einander untergehakt in das nächste Café gegangen.

      Aus dieser Begegnung hatte sich eine feste Freundschaft entwickelt. Eine sah in der anderen so etwas wie eine Schwester, die sie beide leider nicht hatten. Marijkes Mutter konnte nach einer schweren Operation, bei der die Ärzte nur unter Aufbietung aller Kunst ihr Leben retteten, keine Kinder mehr bekommen. Und Lilli, sie hatte noch eine jüngere Schwester gehabt, die bereits im Alter von drei Jahren an einer schrecklichen Lungenentzündung gestorben war. Ihren Bruder Georg liebte sie zwar herzlich, besonders wenn sie wieder eine seiner Verrücktheiten ausbügeln konnte und durfte, aber ein Ersatz für eine Schwester war dieser komische Vogel natürlich nicht.

      *

      Familie Feenders bewunderte noch ausgiebig das schöne neue Fahrrad – Georg konnte nur mit Mühe von einer Probetour abgehalten werden –, dann brach Marijke zur Heimfahrt auf.

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