Feenders. Jürgen Friedrich Schröder

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Feenders - Jürgen Friedrich Schröder

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konnte machen und denken, was sie wollte. Der Gedanke an dieses seltsame Ding auf den Gleisen zog sie geradezu übermächtig an. Fast wie von allein fuhr das fiets mit ihr wieder denselben Weg zurück. Kurz vor Erreichen der Leda schaute sie nach rechts. Weiden, Felder, weit hinten hohes Gestrüpp, eine gewaltige Hecke. Dahinter in einem leichten Geländeeinschnitt musste die Bahnlinie sein, das Nebengleis, das seltsame Ding. Wie sollte sie dort hinkommen? Über Gräben und Zäune? Ihr Blick fiel auf eine alte Feldscheune, halb von den Zweigen der Hecke verdeckt. Ein Weg, fast zugewachsen, führte dorthin. Marijke schob ihr Rad und lehnte es an die Rückwand des halbverfallenen Gebäudes. Ihr schlug das Herz jetzt bis zum Hals. Sie arbeitete sich so leise wie möglich durch den Bewuchs. Blutige Kratzer, egal. Jeden Schritt, jede Bewegung bedachte und plante sie genau. Wahrscheinlich waren da noch mehr solcher Kerle wie der Brückenposten.

      Schließlich hatte sie es geschafft. Sie konnte von ihrem Platz aus nur einen Teil dieses seltsamen Dings in Augenschein nehmen. Es war tatsächlich ein Zug. Aber so einen hatte sie noch nie gesehen. Sie befand sich direkt neben der Lokomotive, erkennbar nur an den Speichenrädern, Schornstein und Führerhaus. Dieses Gefährt war komplett mit Panzerplatten versehen. Vorneweg, wenn sie in Richtung der Leda schaute, drei Waggons, ebenfalls gepanzert. Nur schmale Sehschlitze gaben Sicht nach außen. Auf dem ersten Waggon befanden sich zwei flache Kanonentürme, aus den beiden anderen ragten kleinere Waffen. Hinter der Lok – aber das konnte sie wegen des dichten Gestrüpps nicht recht erkennen – befanden sich noch weitere Waggons. Aus dem Führerstand der Lok waren plötzlich Stimmen zu vernehmen. Marijke erschrak. Wenn man sie entdeckte? Nicht auszudenken, was die mit ihr machen würden. Sie hatte in der letzten Zeit schlimme Dinge gehört. Gesehen hatte sie ohnehin genug – das war ein Panzerzug! Dieses Ding sah aus wie ein Schlachtschiff, das an Land gegangen war.

      Von der Bahnlinie, die über die Leda in Richtung Papenburg und weiter nach Rheine führte, zweigte wenige Kilometer hinter der Flussbrücke eine eingleisige Strecke ab. Und diese führte über die Emsbrücke bei Weener, die sie auf der Herfahrt genommen hatte, in einem weiten Bogen in die Niederlande, durch Nieuweschans!

      Marijke hörte ihren eigenen Herzschlag, es rauschte in ihren Ohren. So rasch und leise wie möglich arbeitete sie sich wieder durch das Gestrüpp und griff ihr Fahrrad. Nicht noch einmal am Ledabrückenkopf vorbei! Daher raste sie, als wäre der Teufel hinter ihr her, ein weites Stück zurück, durch Leer und Richtung Ems nach Leerort. Sie hatte Glück, die Fähre legte gerade an. Der nahe Militärposten nahm kaum Notiz von ihr. Marijke schob ihr Rad auf das Fahrzeugdeck und bezahlte ihren Obolus bei einem der Fährleute.

      Dieser schaute sie fast besorgt an. »Mädchen, was ist denn mit dir geschehen? Du siehst ja ganz zerkratzt aus! Hat dich etwa einer …?«

      »Nee, nee, alles in Ordnung!« Sie wollte nur weg, nach Hause.

      Beim Verlassen der Fähre auf dem westlichen Emsufer versperrte ihr einer der Wachposten den Weg: »Dein Licht!«

      Ach herrje, daran hatte sie gar nicht gedacht. Durch ihr Abenteuer und diese halbe Rückfahrt war es viel später geworden, als sie eigentlich geplant hatte. Es wurde schon dunkel.

      »Ik heb mijn aansteker vergeten!«

      Der Soldat stutzte für einen Moment: »Ach so, du hast dein Feuerzeug vergessen! Kein Problem!« Er zog eines aus der Tasche, öffnete die Karbidlampe an Marijkes Rad und entzündete den Brenner.

      »Bedankt!« Marijke schenkte ihm ihr freundlichstes Lächeln, das der Posten erwiderte. Dann hatte sie freie Fahrt.

      Es war schon völlig dunkel, als sie, ein letztes Mal von Deutschen kontrolliert, den Ortseingang von Nieuweschans erreichte.

      »Stop, bliejf staan!« Ein Soldat mit dem Gewehr in Anschlag kam auf sie zu. Ein weiterer leuchtete ihr mit seiner Lampe ins Gesicht. War denn die ganze Welt verrückt geworden?

      »Oh, Marijke! Zo laat?«, sagte der Posten überrascht. »Je kunt doorgaan!«

      »Ik moet met een officier spreken – onmiddellijk!« Sie war von ihrem eigenen Tonfall überrascht. Der Soldat grinste und salutierte: »Ja, mevrouw generaal!«

      Marijke machte ihm unmissverständlich klar, dass dies keineswegs ein Witz, sondern sehr wichtig sei.

      »Unser Kapitein ist in der Baracke«, antwortete der Soldat und hob die Handlampe.

      In seiner Begleitung trat sie in das kleine Holzgebäude. Der Offizier schaute erstaunt auf.

      »Kapitein, ich habe Ihnen etwas Wichtiges zu berichten!«

      Der Gesichtsausdruck des niederländischen Offiziers wurde sehr ernst.

      »Von dem vielen Militär wissen wir. Aber ein Panzerzug bei den Deutschen? Und Sie versichern mir auf Ehre und Gewissen, dass dies stimmt?«

      »Ja, was glauben Sie, weshalb ich unbedingt mit einem Offizier sprechen wollte und warum ich so aussehe?« Sie wies auf ihre Schrammen im Gesicht und an den Händen.

      Der Offizier griff zum Telefon und ließ sich mehrfach durchstellen: »Ja, Colonel Weemstra, snell!« Endlich hatte er den Gesuchten erreicht und gab den Bericht des Mädchens einschließlich ihres Namens weiter. Gleich darauf drückte er der überraschten Marijke den Hörer in die Hand.

      »Colonel Weemstra, Koninklijke Landmacht … Marijke Dijkstra ut Nieuweschans?«

      Das Mädchen bejahte. Der Offizier wollte auch die letzten Details wissen, ob die Lokomotive unter Dampf gestanden habe … und … und … und.

      Marijke versuchte, alle Fragen so gut wie möglich zu beantworten.

      »Sei vielmals bedankt. Das war sehr wichtig für uns!«

      Das Mädchen war regelrecht erschöpft, endlich lag der Telefonhörer wieder auf der Gabel.

      Schließlich traf sie zu Hause ein.

      »Marijke, endlich, da bist du ja wieder. Wir waren so besorgt!«

      *

      Unter dem Eindruck der furchtbaren Ereignisse im Deutschen Reich am 9. November 1938 verfasste der niederländische Dichter Eduard Hoornik (1910–1970) wenige Tage später das Gedicht »Pogrom«.

      Er, der Deutschland, und vor allem Berlin, gut kannte, thematisierte darin die antisemitischen Ausschreitungen und die brennenden Synagogen. Dem Leser, der sich zunächst in Berlin wähnt, wird in ebenso erschreckender wie hellsichtiger Art und Weise das Schicksal vor Augen geführt, welches den niederländischen Juden droht, denn …

      … Amsterdam liegt nur zehn Zugstunden von Berlin entfernt!

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