Tod unterm Nierentisch. Alida Leimbach

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Tod unterm Nierentisch - Alida Leimbach

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      Conradi blickte auf die Knödel und lächelte. Ihre Frage ließ er unbeantwortet im Raum stehen. Er wollte mit ihr nicht über seine Gefühle sprechen, nicht an diesem Tag.

      Nebenan hörte er jemanden niesen.

      »Oh, Verzeihung, Herr Conradi, eine Sache habe ich glatt vergessen. Ich habe Ihnen gar nicht erzählt, dass lieber Besuch da ist.« Sie ging in den angrenzenden Raum. Als sie zurückkam, brachte sie eine junge Frau mit.

      »Das ist Fräulein Hubschmied, meine Nichte«, sagte sie strahlend. »Sie ist ab heute Ihre Zimmernachbarin, wohnt direkt gegenüber. Machen Sie sich doch mal gegenseitig bekannt! Ich will Ihnen noch schnell ein Geheimnis verraten: Für Sie beide habe ich zum Nachtisch eine Buttercremetorte im Keller stehen!«

      »Nein! Frau Westermann, ich muss doch sehr bitten«, sagte er mit einem Seitenblick auf die junge Frau, »Sie mästen mich! Schauen Sie mich mal an, mein Hemd spannt bereits!«

      »Da haben Sie nicht ganz unrecht. Aber mein Karl-Heinz war auch gut gepolstert. Mir gefällt das! Da hat man was zum Anpacken, ich will doch nicht harte Rippen zu fassen kriegen! Na ja, inzwischen hat sich das erübrigt. Aber früher war ich kein Kind von Traurigkeit.«

      Erst jetzt fiel ihm auf, dass er die junge Dame ungeniert angestarrt hatte. Wenn der erste Eindruck zählte, dann gefiel sie ihm nicht. Eine markante Hornbrille dominierte das schmale Gesicht. Ihre mittelblonden Haare hatte sie am Hinterkopf zusammengesteckt, was ihr ein strenges Aussehen verlieh. Ihre Kleidung war bieder, sah noch sehr nach 40er-Jahre aus. Sie trug einen fast knöchellangen Faltenrock, einen kurzärmligen Pullover mit Puffärmeln und altmodische Schuhe. Steif streckte sie ihm die Hand entgegen, und er stand auf, um sie mit einer knappen Verbeugung zu ergreifen. Ihre Haut war kalt und feucht.

      »Pauline Hubschmied«, sagte sie kühl. »Sekretärin, aber derzeit leider arbeitslos.«

      Conradi nickte höflich, kam um den Tisch herum, um ihr einen Stuhl zurechtzurücken. Dann nahm er seinen Platz wieder ein und räusperte sich nach einem kurzen Blickwechsel mit seiner Vermieterin.

      »Sie freuen sich sicherlich, dass Sie nun etwas Gesellschaft haben, nicht wahr?« Die alte Dame füllte zwei weitere Gläser mit italienischem Wein. »Dann wollen wir mal auf Ihren Geburtstag anstoßen«, sagte sie feierlich und hob ihr Glas. »Zum Wohl, lieber Herr Conradi, auf Ihre Gesundheit!«

      »Von mir auch«, sagte Pauline Hubschmied schüchtern. Sie prostete ihm zu.

      Johann Conradi bedankte sich höflich, trank einen Schluck und nahm dann sein Besteck auf. Der Wein schmeckte süß, zu lieblich für seinen Geschmack.

      »Sie haben schon gegessen?«, wandte er sich an die junge Frau.

      »Vor mehr als drei Stunden«, meinte sie lächelnd. Aber von der Buttercremetorte würde ich noch ein Stück nehmen.«

      »Gefällt Ihnen Ihr Zimmer?«, begann er schwerfällig die Konversation. Lieber hätte er seine Ruhe gehabt. Er war müde nach dem langen Tag und verspürte nicht die geringste Lust auf belanglose Gespräche.

      »Ich bin froh, dass ich es habe. Meine Eltern leben nicht mehr. Ich habe eine Weile bei Verwandten in Hamburg gelebt, wollte aber lieber zurück nach Osnabrück. Zum Glück hat meine Tante noch ein Zimmer frei gehabt.«

      »Meine Abstellkammer«, sagte Hedwig Westermann augenzwinkernd, »aber meine Nichte ist genügsam. Meine Koffer und die Kiste mit dem Weihnachtsschmuck durften sogar drinbleiben.«

      Johann Conradi suchte etwas in Pauline Hubschmieds Augen, etwas, das ihn fesselte, reizte, seine Neugier weckte, aber da war nichts. Sie wirkte zu bemüht und angestrengt, um locker mit ihm zu plaudern. Sie hatte nichts Interessantes zu erzählen und stellte ihm keine Fragen, die ihn unter Umständen angeregt hätten, von sich zu berichten. Er seinerseits war zu abgespannt nach den ersten Ermittlungen, die der neue Fall mit sich gebracht hatte.

      Beim zweiten Glas Rotwein zeigte sie dann doch Interesse. Ihre Tante ging in den Keller, um die Torte zu holen.

      »Sie sind Kommissar, habe ich gehört«, sagte Pauline. »Was macht ein Kommissar den ganzen Tag? Gibt es viele Verbrecher in Osnabrück?«

      Er schmunzelte. »Wo gibt es die nicht?« Niemals redete er über einen Fall, das hatten sie ihm in der Polizeischule eingetrichtert.

      »Als der Krieg vorbei war, dachte ich etwas naiv, wir wären endlich in Sicherheit«, sagte sie, »aber das war trügerisch, da ging es erst richtig los mit Plündereien, Wohnungseinbrüchen und so weiter. Wer von Bombenangriffen verschont geblieben war, wurde plötzlich Opfer von Straftaten. Es hört nicht auf. In den Köpfen vieler Menschen ist immer noch Krieg. Sie morden und rauben und tun sich gegenseitig Gewalt an. Und die Polizei sieht tatenlos zu! Die Mörder laufen frei herum, gehen ihrem Alltag nach und tun so, als hätten sie alles richtig gemacht.«

      Conradi schwieg betroffen. Pauline hatte leider recht. Die Besatzer machten ihnen das Leben schwer, mischten sich in ihre Belange ein und wollten überall mitreden. Die Polizei war nicht mehr das, was sie mal gewesen war. Sie müsste sich von Grund auf neu strukturieren. So schnell würde sich nichts ändern. Und ausgerechnet heute hatte sich eine weitere Gewalttat ereignet. Er würde sich hüten, davon zu erzählen. Wenigstens war die Polizei wieder bewaffnet. Auch das war kurz nach dem Krieg verboten gewesen.

      »In meinem Zimmer in Hamburg wurde ich nachts überfallen«, fuhr Pauline fort. »Ein maskierter Mann hat mir das Wenige genommen, was mir geblieben war. Er hätte mir sogar Schlimmeres angetan, wenn meine Nachbarin nicht wach geworden wäre. In Osnabrück soll es nicht viel besser aussehen. Wann hört das endlich auf?«

      Johann Conradi faltete seine Serviette und legte sie ordentlich neben dem Teller ab. »Wir geben uns Mühe, glauben Sie mir bitte, Fräulein Hubschmied. Leider waren wir in den ersten Nachkriegsjahren unterrepräsentiert. Viele ehemalige Kollegen kommen jetzt erst aus der Gefangenschaft zurück oder sind noch nicht rehabilitiert. Auch war es so, dass der britische Sektor uns ins Heft diktieren wollte, wie wir uns zu strukturieren hatten. Es ging drunter und drüber, das muss ich zugeben. Wobei ich selbst erst seit wenigen Wochen zurück im Dienst bin. Wir sind guten Mutes. Wir werden uns neu sortieren und in naher Zukunft von den Besatzungsmächten emanzipieren. Eine Weile wird das leider noch dauern, bis es so weit ist. Aber dann wird Osnabrück wieder ein sicherer und guter Ort zum Leben sein. Das verspreche ich Ihnen!«

      »Schön, dass Sie sich rehabilitieren konnten«, sagte sie und griff nach ihrem Weinglas. »War es schwer? Konnten Sie den Engländern beweisen, dass Sie eine weiße Weste haben?«

      »Nun, ich konnte zumindest beweisen, dass ich kein Nazi war. Ich wollte mit denen nichts zu tun haben. Das war nie meine Welt.«

      »Ich glaube Ihnen sogar«, sagte Pauline. Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: »Ich würde Sie gerne einmal unter vier Augen sprechen.«

      »Tun wir das nicht gerade?«

      »Länger als im Moment. Wäre das möglich?«

      »Gewiss«, sagte er unmotiviert. »Wir werden die Gelegenheit dazu sicher bald haben. Heute war ein anstrengender Tag, ich bin in Gedanken noch bei der Arbeit.« Er milderte seine kleine Abfuhr mit einem Zwinkern ab.

      Hedwig Westermann kehrte zurück, schaufelte großzügig bemessene Tortenstücke auf Kuchenteller und stellte sie vor sie hin. »Lassen Sie es sich schmecken!«

      Das taten sie, wobei Conradi ab der Hälfte mit der zuckrigen, buttrigen

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