Tod unterm Nierentisch. Alida Leimbach

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Tod unterm Nierentisch - Alida Leimbach

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fast 20 Kilo zugenommen. Die Schneiderin hatte unentwegt zu tun, die zu eng gewordene Kleidung zu ändern. Seine Frau versuchte es bereits mit Diäten, aber er hielt nichts davon, war froh, dass es wieder genug zu essen gab, und genoss die reiche Auswahl auf dem Tisch. »Wir brauchen Mittel, um zu investieren. Die Maschinen sind nicht die modernsten und genügen den heutigen Ansprüchen in keiner Weise. Die Kunden verlangen Kunststoffmöbel, kein Echtholz mehr. Sie wollen Farben, die aussehen wie Bonbons oder Eissorten. Das schaffen wir mit unseren Maschinen nicht. Kurz gesagt, wenn schon eine Schwiegertochter, dann eine aus gutem Hause.«

      Walter Kettler lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor dem Wohlstandsbauch. Es war noch gar nicht lange her, nicht einmal zwölf Jahre, da hatte er mit leeren Händen vor seinem zerstörten Betrieb gestanden. Eine Bombe hatte das Zentrallager in Bramsche getroffen. Nichts war ihm geblieben. Und heute besaß er eine florierende Firma, die munter auf der Wirtschaftswunderwelle mitschwamm. All das hatte er selbst fertiggebracht, mit Weitsicht, Fleiß, Klugheit und einer gewissen Portion Egoismus. Sicher, die Zeit war ihm zu Hilfe gekommen, die große Nachfrage der Kunden, die Tatsache, dass er auf das richtige Pferd gesetzt und in Möbel investiert hatte. Aber vor allem hatte er es seiner Tüchtigkeit zu verdanken, dass es seiner Familie heute so gut ging. Walter Kettler hatte das richtige Gespür für die Zeichen der Zeit. Die Leute waren wie wild auf neue Möbel, Teppiche und Stoffe, um ihre Wohnungen geschmackvoll und modern einzurichten. Sie hatten auch keine Scheu mehr wie früher, auf Pump zu leben. Im Gegenteil, Ratenkauf war sehr beliebt. Deshalb würde es sich lohnen, in Werbung zu investieren. Sein Eintrag im Branchenbuch der Stadt Osnabrück war 16 Jahre alt und wirkte mittlerweile bieder und antiquiert:

      Kettler, Walter, Möbelfabrik. Vornehme, geschmackvolle Wohnungseinrichtungen von einfachster bis reichster Art in gleicher, erstklassiger Ausführung unter Verwendung nur besten Materials. Die Herstellung geschieht in eigener Fabrik, wodurch jeder persönliche Wunsch berücksichtigt werden kann. Einrichtung ganzer Häuser sowie einzelner Zimmer mit Vertäfelungen, Holzdecken und so weiter. Eigenes künstlerisches Atelier. Ständige Ausstellung von zahlreichen fertig eingerichteten Musterzimmern, in Holz und in Kunststoff, Gemälden, Radierungen, großes Stoff- und Teppichlager, Maschstraße.

      Zufrieden war er damit nicht. Er wusste, dass die Nachfrage nach Holzvertäfelungen, Holzdecken und Vollholzmöbeln stetig zurückging. Zigarettenrauch waberte durch den Salon und überdeckte Giselas Tosca-Parfüm.

      Er war auf dem Weg, ein reicher Osnabrücker Bürger zu werden. Seit bald 20 Jahren besaßen sie diese prächtige Villa am Westerberg aus der Gründerzeit. Inzwischen würde Gisela lieber einen schicken komfortablen Neubau mit Zentralheizung beziehen. Aber Walter Kettler war ein Mann mit konservativen Ansichten, der Wert auf Gediegenheit und Qualität legte. Er fuhr einen großen Wagen, seine Frau ein Cabriolet, der Junge hatte zu Weihnachten einen Volkswagen bekommen, bevorzugte allerdings immer noch das Moped, mit dem er sich verwegener fühlte, wie er stets betonte. Undankbar war die Jugend.

      »Du unterstellst Bettine etwas, ohne sie richtig zu kennen. Hast du dich mal längere Zeit mit ihr unterhalten als in den 20 Minuten, in denen sie dir die Haare schneidet?«

      »Die 20 Minuten reichen mir bereits, um mir ein Bild zu machen.«

      »Und? Welches Bild hast du dir gemacht?«

      Kurz ging er in sich. »Sie ist ein Fräulein aus einfachem Hause, hübsch, aber liederlich und flatterhaft und zudem völlig unvermögend. Der Vater ein vermisster Koch, die Mutter eine ehemalige Friseuse, nun Hausfrau. Mit einem Haufen Kindern und der Großmutter hausen sie in beengten Verhältnissen. Ich möchte nicht wissen, wie die hygienischen Bedingungen bei denen aussehen. Es heißt, wo mehr als sechs Köpfe unter einem Dach leben, sind Läuse und Krätze nicht weit. Und jetzt kommt’s: Einige Geschwister sind älter als Bettine, andere jünger. Viel jünger, um nicht zu sagen: richtig klein. Ein Windelmatz ist auch darunter. Und nun sag mir bitte, von wem sind die wohl? Vom verschwundenen Ehemann der Mutter gewiss nicht, der soll noch irgendwo in Russland sein!«

      Gisela Kettler griff nach ihrer geblümten Kaffeetasse mit Goldrand, streckte ihren kleinen Finger aus, was Walter nicht leiden konnte. »Und wenn es so wäre, Walter? Dinge dieser Art passieren nun einmal, sie geschehen öfter in unruhigen Zeiten. Wer wartet denn schon zehn Jahre auf seinen Ehemann? Das kann man nicht von einer Frau verlangen. Niemand hält das aus. Allein ist es schwer, besonders mit Kindern. Irgendjemand muss doch das Brot verdienen. Es sei ihr gegönnt, dass sie wieder einen Mann an ihrer Seite hat.«

      »Es sind uneheliche Kinder, Gisela. Mann und Frau leben in wilder Ehe zusammen, in ungeordneten Verhältnissen. Was sind das für Zustände? Das geht doch nicht! Die Kirche hat eine Onkelehe nicht gewollt und heißt sie nicht gut. Auch die Gesellschaft duldet so etwas nicht. Welcher Ruf geht diesen Leuten voraus! Es wird ein schlechtes Licht auf uns werfen, wenn Edmund sich weiter mit diesem Mädchen abgibt.« Je länger er darüber nachsann, was ihm und seiner Familie bevorstand, desto nervöser wurde er. Mit dem Fuß stupste er die Siamkatze weg, die sich gerade auf seinem Schoß niederlassen wollte. Stattdessen suchte sie nun mit beleidigtem Blick Giselas Nähe, sprang zu ihr aufs Sofa und ließ sich das weiche Fell kraulen.

      Ärgerlich betrachtete er das innige Bild, das sich ihm bot. Gisela lag mit angezogenen Beinen auf der Couch. Sie trug ein grünes, tiefdekolletiertes Abendkleid, dazu eine Perlenkette und auffälligen Ohrschmuck, der bei ihrer kurzen Lockenfrisur gut zur Geltung kam. Eine vornehme und äußerst gepflegte Frau war sie, zu der ihre Siamkatze Miranda gut passte. Seine Frau war vollauf mit sich selbst beschäftigt, vor allem damit, immer jung zu wirken. Ihr Tag spielte sich hauptsächlich in Kosmetik- und Frisiersalons ab, in teuren Modeateliers, bei Modenschauen und bei Cocktailpartys. Gisela war eine attraktive, elegante Frau, aber sie berührte ihn nicht mehr. Er fühlte keine Liebe mehr für sie. An manchen Tagen konnte er sie nicht einmal ertragen. Mittlerweile verstand er sogar Männer, die ein heimliches Techtelmechtel mit ihrer Sekretärin hatten. Schon lange träumte auch er von einer Geliebten, hatte es in der Firma zwei-, dreimal bei den Schreibfräuleins versucht, leider ohne Erfolg. Die Damen trugen ihre Nasen heutzutage höher als ihre Brüste.

      »Du kannst nicht ernsthaft wollen«, sagte er, »dass unser Sohn in so eine Familie einheiratet. Wie stünden wir da? Reden würden die Leute, verspotten würden sie uns! Die Kunden kaufen dann bei der Konkurrenz. Willst du das? Möchtest du anderen Möbelhäusern in die Hände spielen und unser Familienglück riskieren, nur um ein kleines Enkelkind im Arm zu halten? Lass nicht immer dein Herz sprechen, Gisela, das war noch nie der richtige Weg. Romantische Gefühle sind unsinnige Gefühle, sie haben keinen Bestand. Was allein zählt, ist der Erfolg. Vergiss nie: Bei allem, was du tust, bei jedem Schritt, den du gehst, überlege, ob es im Sinne unserer Firma ist.«

      Ihr Gesicht verdüsterte sich.

      »Na siehst du«, interpretierte er ihre nachdenkliche Stimmung, »ich wusste, dass du nicht naiv bist. Rede mit Edmund. Überzeug ihn davon, dass sein Weg nicht der richtige ist. Auf dich wird er eher hören als auf mich. Eines Tages wird er uns dankbar sein.«

      »Wie hast du es eigentlich erfahren?«, wollte Gisela Kettler wissen und rauchte nervös.

      »Was denn, Liebling?«

      »Na, die Nachricht von ihrer Schwangerschaft.«

      Er räusperte sich. »Beim Haareschneiden war das. Sie hat wortwörtlich gesagt: ›Guten Tag, Herr Kettler, wissen Sie, dass Sie bald Großvater werden? Und sehr wahrscheinlich sogar mein Schwiegervater?‹ Da hat es mir förmlich die Sprache verschlagen. Demnächst werde ich mir Herrn Schmalstieg persönlich vorknöpfen. Ich werde ihm ein Angebot unterbreiten, das er nicht ausschlagen kann.«

      Es klopfte. Katharina brachte auf einem Silbertablett die warme Zwischenmahlzeit. »Ich hoffe, es ist recht so«, sagte sie mit verkniffenem Mund und stellte das Tablett auf einer Anrichte ab. »Vielen Dank, Katharina.«

      Mit

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