Tod unterm Nierentisch. Alida Leimbach

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Tod unterm Nierentisch - Alida Leimbach

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fragte sie schnell. Sie rieb ihre Fingerknöchel, bis sie weiß wurden. »All die Jahre, ohne etwas von dir hören zu lassen. In Russland?«

      Otto griff nach seiner Teetasse und nickte. »Fast zehn Jahre Gefangenschaft. Ich habe dir geschrieben, sehr oft sogar. Hast du meine Briefe nicht bekommen?«

      »Anfangs ja. Ich habe zurückgeschrieben, aber irgendwann hast du nicht mehr geantwortet. Was ist passiert, Otto?«

      »Ich möchte nicht darüber reden.«

      Sie rührte die Kandisbrocken in ihrer Teetasse um, immer wieder, bis sie sich langsam auflösten. Eine Weile war nur das knisternde Geräusch zu hören, das der Löffel beim Umrühren der Zuckerstücke in ihrer Tasse verursachte. »Ich muss dir etwas sagen«, sagte sie und atmete tief durch. »Du würdest es ja doch erfahren.« Kurz sah sie zu ihm hin, es fiel ihr sichtlich schwer zu sprechen, aber es half nichts. »Ich habe zwei weitere Kinder bekommen. Sie sind noch sehr klein, Karin und Peter, sechs Jahre alt und fast drei. Sie geht schon zur Schule, ist Ostern eingeschult worden. Ihr Mund steht den ganzen Tag nicht still. Der Kleine hat erst spät angefangen zu laufen, ist noch etwas unsicher auf den Beinen. Meine Mutter ist mit ihnen unterwegs. Ich rechne jede Minute damit, dass sie zurückkommen.«

      Er erstarrte. »Mit ihm? Mit diesem Friseur?« Er deutete mit dem Daumen in Richtung Küchentür. Pure Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als erfasse er erst jetzt das Ausmaß der Katastrophe. »Es ist also vorbei mit uns?«

      Sie nickte traurig. »Ja, Otto. So ist es. Rolf und ich sind ein Paar, wir leben zusammen wie Mann und Frau. Endlich ist es raus. Es bleibt dir nichts anderes übrig, als dich damit abzufinden.«

      »Du kommst nicht zurück zu mir? Ist das endgültig?«

      »Ja, Otto.«

      »Seid ihr verheiratet?«, presste er atemlos hervor.

      »Noch nicht. Aber wir werden es wohl bald sein.«

      »Und wir? Was ist mit uns?« Seine Stimme brach. Seine Augen wurden rot und schienen vor Erschöpfung zufallen zu wollen.

      »Es tut mir so leid. Ich dachte, du würdest nie wiederkommen, und deshalb habe ich mir ein neues Leben aufgebaut. Zusammen mit Rolf.« Draußen ratterte die Straßenbahn vorbei. Sie wartete, bis es ruhiger wurde. »Was hätte ich denn tun sollen? Mit den Kindern allein bleiben? Wie hätte ich sie ernähren sollen? Die Kinder brauchen einen Vater und ich brauche einen Mann! Ich bin nicht geschaffen für ein Leben als alleinstehende Frau. Das wollte ich nicht, Otto.«

      »Und in diesem Leben habe ich keinen Platz«, schlussfolgerte er. »Darin habe ich nichts mehr zu suchen.« Er streifte seinen Ehering ab und legte ihn auf den Küchentisch. »Den brauche ich wohl nicht mehr. Er passte sowieso nicht so gut wie am Anfang, war mir zu weit geworden.«

      »Bitte versteh doch und verzeih! Wenn ich wenigstens gewusst hätte, dass du noch lebst! Ich kann es nicht ändern, Otto, auch wenn ich wollte! Es ist zu spät! Ich habe mit Rolf zusammen eine neue Familie. Mach es uns nicht schwerer, als es ist!«

      »Dann werde ich jetzt gehen«, sagte er traurig und nahm seine Kappe. »Ich habe hier nichts mehr verloren.« Er trank den Tee aus, nahm sein Gepäck und ging, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.

      »Komm bitte nicht wieder, hörst du? Glaub mir, es ist am besten so. Du wirst eine andere Frau finden und mit ihr glücklich werden, bist ja noch jung genug«, rief Lieselotte ihm hinterher, aber er antwortete nicht.

      Auf der Stiege begegnete er seiner Noch-Schwiegermutter Wilma, die ein Kleinkind auf dem Arm trug. Schnell zog er seine Kappe tiefer ins Gesicht und murmelte einen Gruß. Hinter ihr tauchte ein Mädchen mit hellem Bubikopf auf. Sie sang mit ihrer hellen Kinderstimme ein Lied, das er gut kannte, denn seine Schwiegermutter hatte es auch mit den älteren Enkeln oft gesungen: »Im Frühtau zu Berge wir ziehn, fallera«. Das Mädchen stoppte sofort, als sie ihn erblickte. »Oma, wer ist dieser fremde Mann?«, fragte sie und schaute ihn mit großen Augen an.

      »Ich weiß es nicht«, sagte Wilma, erwiderte aber kurz seinen Gruß.

      Unten angekommen, drehte Otto Korittke sich um und sah der kleinen Gruppe hinterher. Wilmas Haare waren weiß geworden, und die der Kleinen waren blond, nicht braun wie die der anderen vier Kinder. Mit hängenden Schultern durchquerte er den Salon. Hinten öffnete sich eine Tür, und heraus kam Karl. Er erkannte ihn sofort. »Karl«, rief er, »Karl!« Kurz standen sie sich gegenüber. Karl war inzwischen ein paar Zentimeter größer als er. Er hatte eine aufgeplatzte Augenbraue, eine rote Wange und einen frischen Erguss unter einem Auge. Otto zuckte erschrocken zurück. »Was ist los?« Er wollte ihn am Arm festhalten, aber Karl schien nicht zu wissen, wer er war, machte sich los und ging, ohne ein Wort zu sagen, an ihm vorbei in Richtung Privatwohnung.

      3. Kapitel

      Johann Conradi war froh, dass der Tag endlich seinem Ende zuging. Lang und kräftezehrend war er gewesen, Probleme mit seinem Chef, Vorwürfe, er würde seine Arbeit nicht genau genug nehmen, habe sich nicht gründlich genug eingearbeitet – dabei war er schon seit mehr als vier Wochen auf seiner neuen Dienststelle in Osnabrück. Auch sei er mit seinen Gedanken oft woanders. In diesem Punkt musste der Kriminalkommissar seinem Vorgesetzten leider recht geben. Er dachte oft an Frederike, seine Frau, und vermisste sie schmerzlich. Noch nie in seinem Leben hatte er einen Menschen so sehr vermisst wie sie.

      Frau Westermann, bei der er zur Untermiete wohnte, hatte ihn im Treppenhaus abgefangen und zum Essen eingeladen. Sie habe ein paar Bratkartoffeln mit Bohnen und Speck übrig. Aber er hatte dankend abgelehnt, weil ihm nicht nach Gesellschaft war. Inzwischen bereute er seine Entscheidung. Das bisschen, was er in seinem Regalfach von gestern Abend übrig hatte – etwas Brot, Gewürzgurken und eine Büchse Ölsardinen –, würde nicht reichen. Aber nun hatte er sich entschieden, und dabei blieb es auch. Der Kriminalkommissar suchte im Radio nach einem Klassiksender. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, nahm einen Schreibblock zur Hand und tauchte seinen Füllfederhalter ins Tintenfass.

      Liebe Frederike,

      ich sitze am Fenster, höre Radio und denke an dich. Stell dir vor, ich wohne wieder in der Lotter Straße. Es war ein großer Zufall. Aus alter Gewohnheit habe ich bei Feinkost Remme ein Heringsbrötchen gekauft und mitbekommen, dass eine ältere Dame einen Untermieter für ein möbliertes Zimmer suchte. Wie du dir denken kannst, habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt und sie angesprochen. Ich muss wohl einen guten Eindruck hinterlassen haben, denn sie hat mich sofort mitgenommen.

      Die Miete von 20 Mark im Monat ist nicht zu viel verlangt, finde ich. Es ist ein hübsches Zimmer mit Dachschrägen, zwar ohne fließendes Wasser, aber für den Anfang geht es. Es hat eine Rosentapete und Vorhänge mit Rosenmuster. Das ganze Jahr grünt und blüht es hier. Manchmal scheint es mir, als könne ich die Rosen sogar riechen. Was du wohl dazu sagen würdest? Über meinem Bett hängen weiße Tauben in einem Blumenbouquet und daneben starrt mich ein röhrender Hirsch im Herbstblätterwald an. Beide Bilder stecken in vergoldeten Rahmen, solche verschnörkelten, du weißt schon. Ich weiß, du hättest die Tiere abgehängt, aber ich bringe es nicht übers Herz.

      Was dir ebenfalls nicht gefallen würde: Es gibt kein Badezimmer wie bei uns früher. Weißt du, was Frau Westermann mir zur Antwort gab, als ich sie danach fragte? »Mit der Linie eins kommen Sie bequem zum Badehaus am Pottgraben. Dort gibt es Duschen und Wannenbäder für zwei Groschen!« Ich habe mir ein Lachen verkniffen, denn ich wollte sie nicht beleidigen. Vielleicht finde ich bald eine Unterkunft mit fließend warmem Wasser, das wäre komfortabler. Zwar bin ich Luxus nicht mehr gewohnt, aber kaum lebe ich wieder zivilisiert, möchte ich am liebsten sofort an unser früheres

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