Tod unterm Nierentisch. Alida Leimbach

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Tod unterm Nierentisch - Alida Leimbach

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hinter der Rolf Schmalstieg gerade Geld zählte. Die Scheine knisterten in seinen Händen. Es musste ein guter Tag gewesen sein. Die Blicke der beiden Männer begegneten sich.

      »Geschlossen!«, sagte Schmalstieg mit frostiger Miene. »Wir haben geschlossen. Ich bin nur noch nicht dazu gekommen, abzusperren.«

      »Das macht nichts«, sagte der Besucher. Seine Stimme klang selbst in seinen Ohren fremd. Er war vorhin schon mal da gewesen, nur wenige Minuten war das her. Er musste sich zwischendurch ein wenig frische Luft verschaffen. Nun war er sich sicher. Nicht mehr denken, nur noch handeln. Keine Gefühle mehr. Er war eine Maschine. Und die hatte zu funktionieren. Schnell und reibungslos.

      Mit einer langsamen Bewegung tauchte er seine Hand in die Jackentasche und fühlte den geriffelten Griff der Pistole. Sein Herz klopfte. Es hatte nicht zu klopfen.

      »Ich bitte Sie, zu gehen!«, sagte Rolf Schmalstieg eisig. »Und kommen Sie nicht wieder! Ich will Sie hier nicht noch einmal sehen.«

      Jetzt. Na los. Es wird nicht lange dauern. Nur wenige Sekunden, dann wäre alles vorbei.

      Zwei Schritte nach vorne, die Finger am Abzug.

      Der Friseur öffnete seinen Mund, schwieg aber.

      Die Finger fest am Metall. Die Hand, die die Pistole aus der Tasche zog. Schwer war sie. Und gefühllos, wie der ganze Mensch in diesem Augenblick. Nur das Herz klopfte. Es klopfte, als hätte es etwas zu sagen. Kurzer Wechsel in die andere Hand.

      Ein Auge zu, das rechte fixierte das Ziel.

      Dann fiel ein Schuss. Es gab einen dumpfen Schlag, als der leblose Körper gegen die nierenförmige Theke sackte. Sonst kein Geräusch, kein Schrei, kein Klagelaut, nichts.

      Ein blutiges Rinnsal. Er konnte nicht hinsehen.

      *

      Lieselotte Korittke nahm eine Zigarette aus dem fächerförmigen Spender und zündete sie an. Sie trug noch immer ihre schwarzen spitzen Pumps mit den Bleistiftabsätzen und den Satinschleifen, obwohl ihre Füße schmerzten. Aber Hausschuhe tolerierte sie nur, solange sie noch im Morgenmantel war. Rolf mochte es nicht, wenn sie sich gehen ließ. Ihm gefiel es, wenn Frauen mit ihren Reizen spielten, wenn sie sich Mühe gaben mit ihrem Erscheinungsbild, wenn sie zeigten, wie wichtig ihnen der Mann war. Heute trug sie ein flaschengrünes, weit ausgeschnittenes Kleid mit auffälliger Brosche am Revers. Der Ansatz ihrer Brüste war sichtbar. Rolf gefiel das.

      Inzwischen war sie beim zweiten Glas Erdbeerbowle angelangt. Die Kinder tranken auch Erdbeerbowle, allerdings ohne Alkohol.

      »Langsam werde ich unruhig«, sagte sie. »Mein Gefühl sagt mir, dass etwas nicht stimmt. Wo bleibt nur Rolf? Wir haben uns solche Mühe gegeben, all die feinen Sachen hier vorbereitet.« Ihr Blick fiel auf die Teller und Schüsseln, aus denen sich vor allen Dingen die Kinder bedienten. Sie nahm einen tiefen Zug von der Zigarette und blies den Rauch langsam aus. »Ich habe dich schon vor einer halben Stunde gebeten, nach ihm zu sehen«, sagte sie und warf ihrer Tochter Bettine einen vorwurfsvollen Blick zu.

      »Wenn ihn das Spiel interessieren würde, wäre er längst da, oder? Wahrscheinlich hat er Wichtigeres zu tun, Abrechnung oder so. Ich möchte nichts verpassen. Rolf ist schließlich kein kleines Kind, dem man hinterherrennen muss. Wenn er keine Lust auf das Spiel hat, ist das seine Sache.«

      »Sei nicht so frech! Du bist bald wie Karl, mit dem gibt es auch nur Ärger! Und sag gefälligst Vater oder Vati und nicht Rolf, hast du verstanden? Ich bin die Einzige, die ihn beim Vornamen nennen darf!«

      »Er ist nicht mein Vater.«

      »Er ist es, zum Donnerwetter! Wenn du ihn ablehnst, brauchst du dich nicht zu wundern, wenn er die Kleinen bevorzugt.«

      »Also gut, dann sage ich dir klipp und klar, dass es mir egal ist, ob Rolf da ist oder nicht!«

      Lieselotte hob die Hand, nahm bereits Schwung zum Ausholen, senkte sie aber wieder, als sie Wilmas strengen Blick wahrnahm.

      »Komm, Kind, rede dich nicht um Kopf und Kragen«, sagte die Großmutter ruhig zu Bettine, »geh doch einfach runter und sieh nach, was er macht. Ärgere deine Mutter nicht.« Wilma saß in ihrer angestammten Sofaecke und hatte wie immer Strickzeug in den Händen. So wie es aussah, sollte es ein Pullover für Peter werden, den Jüngsten. Er wuchs so schnell und wollte die kratzigen Sachen nicht anziehen, die sein großer Bruder Karl in dem Alter getragen hatte.

      Bettine trollte sich beleidigt.

      Der Friseursalon lag im Erdgeschoss, sie musste nur die steile Treppe hinuntergehen, die von einer winzigen Funzel ausgeleuchtet wurde. Kühl und feucht war es an dieser Stelle des Hauses, auch im Sommer, da niemals ein Sonnenstrahl ins Treppenhaus drang. Unten angekommen, schob sie den dicken grünen Samtvorhang beiseite, der den privaten von dem öffentlichen Bereich trennte.

      Schon beim Betreten des Geschäftes hatte sie das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Der Salon war hell erleuchtet, wirkte aber wie ausgestorben. Es war vollkommen still, auch von oben drangen keine Geräusche hinunter. Selbst von der Straße, auf der es tagsüber oft dröhnte und rumorte, wenn ein Lastwagen oder ein Pferdefuhrwerk über das Kopfsteinpflaster rumpelte, hörte sie keinen Ton. Die Weltmeisterschaft fegte ganz Osnabrück leer. Jeder sah zu, die Spiele entweder im heimischen Wohnzimmer oder in einer Wirtschaft zu verfolgen.

      Es roch seltsam. In die üblichen Düfte des Salons nach Seife und Haarspray mischte sich ein unangenehmer Geruch, metallisch, ekelerregend, nach Blut oder Urin oder beidem. Übelkeit stieg in ihr hoch. Als sie sich dem Kassenbereich näherte, sah sie etwas Rotes, das unter der Theke hervorquoll. Sie schlug beide Hände vor den Mund und war sekundenlang wie erstarrt.

      5. Kapitel

      »Ich muss mit Ihnen reden«, sagte Drescher, »setzen Sie sich bitte. Wir müssen uns kurz über Ihre Situation unterhalten.« Drescher war Mitte 30 und in den Rängen der Polizei rasch aufgestiegen. Er war nicht sehr groß und viel zu zierlich für einen Mann.

      Mit einem mulmigen Gefühl nahm Conradi Platz. Was wollte der Chef von ihm? Beim Hinsetzen warf er einen verschämten Blick auf seine Uhr. Er ärgerte sich, dass er aufgehalten wurde. Ihn zog es nach Hause, so schnell wie möglich, zu seinem abgewetzten Ohrensessel am Fenster und dem neuen Radio mit dem erstklassigen Empfang. Zwei Flaschen Bier hatte er in seiner Waschschale bereits kaltgestellt. Wenn er die Straßenbahn in 20 Minuten erwischte, wäre er noch rechtzeitig vor dem Spiel zu Hause. Aber im Moment sah es nicht danach aus. Albert Drescher fing an und hörte nicht mehr auf. Er redete und redete. Johann Conradi hörte kaum zu. Er beobachtete, dankbar für jede Ablenkung, einen Marienkäfer, der sich am Rand der Schreibtischplatte von seinem Flug erholte. Gerade hob der Winzling seine Beinchen und putzte die rotgepunkteten Flügel.

      »Es geht um Sie, Herr Inspektor Conradi«, stellte Albert Drescher klar, nahm seine Brille ab und polierte sie mit einem karierten Taschentuch. »Ihre Zukunft als Polizist steht auf dem Spiel. Ich habe Sie gerade gefragt, und das nicht zum ersten Mal, warum Sie oft so gleichgültig wirken und unkonzentriert. Ich lese in Ihrem Gesicht, dass es Sie keinen Funken interessiert, was ich Ihnen erzähle.« Mit einer fahrigen Handbewegung setzte er die Brille wieder auf. Die Gläser wirkten nun verschmierter als zuvor. Sein Gesicht hatte bereits die schlaffen Züge eines älteren Mannes.

      »Verzeihung«, sagte Conradi räuspernd. Er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, was er von dem zwölf Jahre jüngeren Chef hielt, der seine rasche Beförderung Gerüchten zufolge einem Onkel zu verdanken hatte. Jeder auf der Etage beneidete ihn um sein

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