Diversität in der Sozialen Arbeit. Beate Aschenbrenner-Wellmann

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Diversität in der Sozialen Arbeit - Beate Aschenbrenner-Wellmann

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alle Menschen – in dieser Veröffentlichung sind besonders Studierende und Fachleute der Sozialen Arbeit angesprochen – erweiterte Kompetenzen für einen professionellen Umgang mit Diversität und zwar jenseits einer Dramatisierung und Zuspitzung (»Vielfalt zerstört unseren Zusammenhalt«) oder einer Schönfärberei nach dem Motto »Bunt ist beautiful«. Denn unumstritten ist, die reflexive Gestaltung von vielfältigen Begegnungssituationen erfordert ein umfangreiches und systematisches Hintergrundwissen, genauso wie eine offene und zugewandte Haltung für die Spezifika von Vielfaltsbegegnungen und bedeutet sicherlich eine fortlaufende diversitätsgerechte Verständigungsarbeit von allen Beteiligten. Um einen erfolgreichen Verlauf der notwendigen gesellschaftlichen und organisationalen Veränderungsprozesse begleiten und steuern zu können, haben wir für die Leser_innen drei miteinander verknüpfte Grundlagenteile formuliert.

      Im ersten Teil werden zunächst unterschiedliche Lesarten von Diversität im angloamerikanischen und deutschsprachigen Bereich aufgezeigt, um auf dieser Begriffsdiskussion aufbauend Bedeutungsdimensionen von Diversität im Sinne eines prozessanalytisch-reflexiven Erklärungsmodells zu entwickeln (image Teil I). Diversität wird dabei systematisch aufgeschlüsselt und mit relevanten Diskurslinien wie dem Anerkennungs- und Gerechtigkeitsdiskurs, der Auseinandersetzung mit sozialer Ungleichheit oder der Bedeutung des gesellschaftlichen Zusammenhalts verknüpft. Für die Leser_innen wird dadurch deutlich, welchen konkreten Erklärungswert und welche Reichweite Diversität für normativ-regulierende, integrationspolitische oder ungleichheitskritische Argumentationen haben kann. Im Anschluss daran beschreiben wir den professionellen Umgang mit Diversität auf den verschiedenen Ebenen der Vielfalt: Individuum, Gruppe, Organisation, Sozialraum und Gesellschaft. Darauf aufbauend werden anerkennende Strategien und Praxen des Umgangs mit Vielfalt erörtert, um eine zielführende Theorie-Praxis-Verknüpfung herstellen zu können. Grenzen von Vielfalt sowie Widersprüche und Herausforderungen werden dabei nicht ausgespart, sondern analysiert; so wird zum Nachdenken über bestehende Interdependenzen anhand von lernbegleitenden Fragestellungen angeregt.

      Teil II widmet sich den Entwicklungen vom Interkulturellen Lernen zum diversitätsorientierten Lernen mit heterogenen Gruppen am Beispiel der Gemeinwesenarbeit (image Teil II). Im Zentrum stehen dabei wesentliche Themenfelder dieser Lernprozesse, wie bspw. die hierfür erforderliche Kompetenz und Haltung, Partizipation und Teilhabe als notwendige Rahmenbedingungen und die Bedeutung von Interkulturellen Begegnungen mit den entsprechenden Kommunikationsverläufen sowie Konzepte der Antidiskriminierungsarbeit. Ausgangspunkt ist dabei die Devise »Nicht Kulturen begegnen sich, sondern Menschen«, denn nur unter Berücksichtigung dieser Leitlinie führen Lernprozesse zu effektiven und förderlichen Veränderungen und verhindern Stereotypen- und Vorurteilsbildung. Am Beispiel der Gemeinwesenarbeit werden dann Chancen und Grenzen interkultureller und diversitätsorientierter Lernprozesse aufgezeigt und systematisch auf die Ebene von Fachkräften sowie auf strukturelle und intermediäre Ebenen übertragen, denn Integration und Zusammenhalt finden wesentlich im lokalen Bereich statt. Beispiele zur Durchführung einer interkulturellen Lerneinheit runden dieses Kapitel ab und ermöglichen einen erleichterten Praxistransfer.

      Im abschließenden Teil III werden unter dem Titel »Diversität in Organisationen – ein Change-Prozess von der Monokultur zur Inklusiven Diversität« zunächst zentrale Indikatoren einer Organisationsentwicklung dargestellt und anschließend der Frage nachgegangen, wieviel Vielfalt Organisationen benötigen, um erfolgreich in globalen Zeiten agieren zu können (image Teil III). Antworten auf diese Fragestellung werden sowohl durch ein theoriebasiertes Erklärungsmodell für den Veränderungsprozess von Organisationen, der von der Exklusiven über die Integrative hin zur Inklusiven Diversität verläuft, als auch forschungsbasiert durch eine Erhebung in unterschiedlichen Non-Profit-Organisationen (NPOs) gegeben. Dabei erfolgt eine Verknüpfung der theoretischen Grundannahmen zum Verlauf des Change-Prozesses mit den Ergebnissen ausgewählter Expert_inneninterviews. Zielsetzung dieses Kapitels ist es, Verantwortliche in Organisationen für die Chancen und Grenzen von Vielfalt zu sensibilisieren und zu einer strukturierten Analyse des Ist-Zustands ihrer Organisation im Sinne eines Auditierungsverfahrens einzuladen. Hierdurch wird ein Prozess der Organisations-, Personal- und Qualitätsentwicklung ermöglicht, der allen Mitarbeiter_innen die gleiche Teilhabe an den Entwicklungen der Organisation eröffnen kann.

      Die vorliegende Veröffentlichung betrachten wir als einen Beitrag zur Förderung eines professionellen, weltoffenen und respektvollen Umgangs mit Vielfalt, Verschiedenheit und Unterschiedlichkeit, verbunden mit dem Ansatz möglichst vielen Menschen eine Partizipation an den gegenwärtigen gesellschaftlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen zu ermöglichen. Diversität sollte zunehmend als gesellschaftliche »Normalität« anerkannt und wertgeschätzt werden. In diesem Prozess der Anerkennung darf es weder um das Festschreiben von Unterschieden noch um ein Aufheben von Differenz gehen, sondern um eine reflektierte und analytische Gestaltung der notwendigen Veränderungsschritte bei Einzelnen, Organisationen und der Gesamtgesellschaft.

      »Nun aber, da diese Tage böse sind, genügt für den Augenblick die Mahnung, dich nicht ganz und nicht immer deinen Tätigkeiten zu widmen, sondern einen Teil deiner Person, deines Herzens und deiner Zeit für die Wertschätzung aufzusparen« (Bernhard von Clairvaux, De consideratione, zitiert nach C. Pelluchon 2019: 9).

      Denn es ist das individuelle Bewusstsein, das über das Schicksal von Gesellschaften entscheidet (ebd. 11).

Herbst 2020Beate Aschenbrenner-Wellmann, Lea Geldner

      Literatur

      Charim, Isolde, 2019. Ich und die Anderen. Wie die neue Pluralisierung uns alle verändert. Wien: Paul Zolnay.

      Hall, Stuart, 2018. Das verhängnisvolle Dreieck. Rasse, Ethnie, Nation. Berlin: Suhrkamp.

      Pelluchon, Corine, 2019. Ethik der Wertschätzung. Tugenden für eine ungewisse Welt. Darmstadt: wbg Academic.

      Reckwitz, Andreas, 2020. Ein Zurück zur Gemeinschaft ist eine Illusion. Süddeutsche Zeitung Nr. 147 vom 29.06.2020, 12.

      Verschwele, Lina, 2020. Der Fremde in der Praxis. Süddeutsche Zeitung Nr. 187 vom 14.–16.08.2020, 31.

      Wulf, Christoph, 2006. Anthropologie kultureller Vielfalt. Interkulturelle Bildung in Zeiten der Globalisierung. Bielefeld: transcript.

Teil I Von den klassischen Differenzkategorien zu Bedeutungsdimensionen und Ebenen der Diversität – die Entwicklung eines analytisch-reflexiven Modells

      Einleitung Teil I

      Der Terminus »Diversität« als Bezeichnung für die Verschiedenheit von Menschen, Gruppen oder Organisationen hat mittlerweile den Mainstream gesellschaftspolitischer Debatten erreicht und ist als Diversitätsmanagement (DiM) in vielen Profit- und Non-Profit-Organisationen etabliert worden. Aus Sicht der Sozialen Arbeit kann es jedoch nicht um ein rein funktionales Verständnis von Vielfalt als ökonomisch relevantes Faktum oder um den politisch-rechtlichen Antidiskriminierungsdiskurs, der bspw. im AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) selektiv einzelne Vielfaltsmerkmale wie Alter, Geschlecht oder Herkunft aufgreift, gehen. Vielmehr muss in einer analytisch-reflexiven Weise die Bedeutung von Diversität bspw. im Sinne einer normativ-regulierenden Einflussgröße bezüglich vorherrschender Normalitätsvorstellungen bei der Anerkennung von Vielfalt und deren Grenzen oder bezüglich der vorherrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen innerhalb der Gesellschaft ins Blickfeld genommen

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