Diversität in der Sozialen Arbeit. Beate Aschenbrenner-Wellmann

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Diversität in der Sozialen Arbeit - Beate Aschenbrenner-Wellmann

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von Individuum, Gemeinwesen oder Gesellschaft für ein umfassendes und praxisorientiertes Verständnis von Vielfalt entscheidend. Die systematische Kombination von Bedeutungsdimensionen und Ebenen der Relevanz stellt von daher den Kernbestand dieses einleitenden Kapitels dar. Diese Vorgehensweise unterscheidet sich bewusst von anderen Publikationen im Kontext von Diversität und Sozialer Arbeit, die vor allem die Beschreibung von Vielfalt in den einzelnen Differenzkategorien fokussieren, und ist insofern als weiterführende Betrachtungsoption zu sehen. Denn die Frage nach einem professionellen Handeln in Kontexten der Verschiedenheit durchzieht gleichermaßen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Sozialer Arbeit. Dies gilt sowohl für innergesellschaftliche Verschiedenheit wie bei der Verteilung von Reichtum und Armut als auch für den gesellschaftsübergreifenden, globalen Zusammenhang in den Bereichen Migration und Flucht.

      Diversität wird in dieser Publikation als analytisch-reflexives Modell konzipiert, das die Akteur_innen der Sozialen Arbeit dabei unterstützt eigene Vorstellungen von »Normalität« und Praktiken der Normalisierung kritisch zu hinterfragen und wertschätzend auf die vielfältigen und spezifischen Bedürfnisse und Ressourcen von Menschen einzugehen. Es leistet somit einen Beitrag zur Weiterentwicklung und zum Erhalt eines demokratischen Gemeinwesens im Sinne der Förderung der Teilhabechancen Einzelner und ist dem Anspruch verpflichtet, dass kein Mensch aufgrund seiner Herkunft, seines Geschlechts oder ganz allgemein der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen Nachteile und Exklusion erfahren darf.

      Im nachfolgenden Modell werden im Sinne eines Überblicks die ausgewählten Bedeutungsdimensionen (image Abb. 1) mit den Ebenen der Wirksamkeit von Diversität sowie möglichen Strategien des Umgangs mit Vielfalt verflochten. Die im Eingangskapitel formulierte Entwicklung des Modells dient als Orientierungsrahmen für theorie- wie praxisorientierte Leser_innen und findet in den Folgekapiteln II und III ihre Anwendung im Kontext von Lernprozessen in heterogenen Gruppen sowie im Bereich der Diversität in NPOs.

Images

      Bevor auf die verschiedenen Bedeutungsdimensionen, Ebenen und Strategien des Modells im Einzelnen eingegangen wird, werden zunächst im Sinne einer theoretischen Fundierung Rahmenbedingungen und Begriffsannäherungen zu Diversität in der Sozialen Arbeit dargestellt.

      1 Rahmenbedingungen der Diversität

      In Anlehnung an U. Beck 2004 geht man davon aus, dass im Zeitalter der reflexiven Moderne bzw. der Postmoderne die Wirklichkeit selbst kosmopolitisch und global ausgerichtet worden ist, sich nationalstaatliche Grenzen und Unterschiede zunehmend auflösen und für diese Welt ein neuer Standpunkt seitens der Beobachter_innen gefunden werden muss, der »kosmopolitischer Blick« genannt werden kann. Was bedeutet das genau?

      »Weltsinn, Grenzenlosigkeit. Ein alltäglicher, ein historisch wacher, ein reflexiver Blick, ein dialogischer Blick für Ambivalenzen im Milieu verschwimmender Unterscheidungen und kultureller Widersprüche. Er zeigt nicht nur die ›Zerrissenheit‹, sondern auch die Möglichkeiten auf, das eigene Leben und Zusammenleben in kultureller Melange zu gestalten« (ebd.: 10).

      Im einleitenden Kapitel werden wesentliche Rahmenbedingungen für diesen veränderten Blick, in dem das hier entwickelte, analytisch-reflexive Modell seine Wirksamkeit entfalten kann, skizziert.

      Durch zahlreiche Phänomene der Postmoderne wie Globalisierung, Migration oder Individualisierung wird unsere Gesellschaft vielfältiger und heterogener. Doch wie gehen Gesellschaften, Organisationen oder Einzelpersonen mit der »Andersartigkeit« und mit Grenzverschiebungen und -ausweitungen um? Beck (2004: 77ff) nennt hier als Umgangsmodi »Universalismus«, »Relativismus«, »Ethnizismus«, »Nationalismus«, »Kosmopolitismus« und »Multikulturalismus«. Während im Universalismus andere als prinzipiell gleichwertig respektiert, also die Grenzen zu kulturell Fremden aufgehoben werden, konstruieren relativistische Herangehensweisen neue Grenzen und heben Unterschiede sogar hervor. Die verschiedenen Strategien im Umgang mit Andersheit schließen sich nicht aus, sondern ergänzen oder korrigieren sich. Im Kern geht es beim Kosmopolitismus um die Anerkennung von Andersheit im Inneren der Gesellschaft wie nach außen, ohne hierarchische Anordnung der Unterschiede, und um Akzeptanz des Verschiedenen. Diese Betrachtungsweise hat Konsequenzen für die Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft und zwar in Theorie und Praxis. Daher müssen Wege aufgezeigt werden, wie mit Diversität adäquat umgegangen und ihre Anerkennung in der Gesellschaft gefördert werden kann, denn die Achtung und Wertschätzung von Vielfalt stellt einen zentralen Aspekt der Sozialen Arbeit dar. So definiert der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH):

      »Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen.

      Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit.

      Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit, der Human- und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen.

      Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei bindet sie Strukturen ein« (DBSH 2016).

      Die wesentlichen Aufgaben der Sozialen Arbeit liegen darin, »individuelle Verwerfungen bei sog. Globalisierungsverlierer_innen auszugleichen, Verbesserungen von Lebenslagen zu bewirken, Verstehensprozesse zu initiieren und voranzutreiben und weltweite Veränderungsprozesse mit lokalen Betroffenheiten in Verbindung zu bringen« (Aschenbrenner-Wellmann 2009: 212). Um dies umzusetzen, benötigt es neben Wissen, Haltungen, Einstellungen und Handlungsfähigkeiten auch einen angemessenen Umgang mit Vielfalt, Verschiedenheit und Ungleichheit auf individueller, gruppenbezogener und gesellschaftlicher Ebene. Diese Fähigkeit kann als Diversitätskompetenz bezeichnet werden (ebd.).

      Häufig wird Diversität als Konzept für den Umgang mit Unterschiedlichkeit eingesetzt. Sie kann aber auch als Haltung betrachtet werden, »die mit der bewussten Wertschätzung aller unterschiedlicher Attribute von Menschen und deren Einfluss auf die zwischenmenschlichen Beziehungen verbunden wird« (ebd.: 213). So ist es möglich, Diversitätskompetenz mit den Schlagwörtern Respekt, Wertschätzung, Akzeptanz und Einbeziehung zu beschreiben. Ziel dieser Kompetenz ist es, einen gesellschaftlich verbesserten Zustand zu erreichen, indem man ohne Angst verschieden sein kann.

      Je nach Betrachtungsweise kann Verschiedenheit in der Sozialen Arbeit als Unterschiedlichkeit, Ungleichheit oder Vielfalt wahrgenommen werden. Die verschiedenen Lesearten von Diversität führen wiederum zu diversen Handlungsanforderungen an traditionelle und innovative Querschnitts-Arbeitsfelder innerhalb der Sozialen Arbeit. Da der Alltag von Sozialarbeiter_innen geprägt ist von unterschiedlichen Adressat_innen, die fremd sind, andere Kulturen und Äußerungsformen besitzen und aus einem anderen Milieu oder einer anderen Lebenswelt stammen, ist eine Neuausrichtung der Sozialen Arbeit erforderlich: Die Vorstellung, dass Anderssein bedeutet, Defizite zu haben, oder dass Verschiedenheit eine Bedrohung darstellt, muss einer Vorstellung der Wertschätzung von Verschiedenheit weichen (Aschenbrenner-Wellmann 2009: 216).

      Um dies zu verdeutlichen, soll ein bereits früher erstelltes Schaubild herangezogen und für das neue analytisch-reflexive Modell weiterentwickelt werden (in Anlehnung an Aschenbrenner-Wellmann 2009b: 69) (image

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