Diversität in der Sozialen Arbeit. Beate Aschenbrenner-Wellmann

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Diversität in der Sozialen Arbeit - Beate Aschenbrenner-Wellmann

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2). Zielsetzung ist dabei die jeweils angesprochenen Aspekte von Diversität zu fokussieren und in den Praxisalltag einzubeziehen.

      1.2 Ambivalenz und Vielfalt in der Postmoderne

      Wie zuvor beschrieben, sind postmoderne Gesellschaften zunehmend »von mehrdeutigen (ambigen) Phänomenen gekennzeichnet. Die Ein- und Zuordnung dieser Ambiguitäten mit den Instrumenten traditioneller sozialwissenschaftlicher Theorien und Klassifikationssysteme scheint ein zunehmend schwieriges Unterfangen zu sein und gelingt oft nur unzureichend« (Effinger 2012: 255). Für Z. Bauman (2000) sind diese Ambivalenzen untrügliches Kennzeichen der postmodernen Zeiten oder der »verflüssigten Moderne«. Ambivalenzen stellen nicht nur Theorien vor Herausforderungen, sondern auch die Suche nach Bewältigungsstrategien für die Praxis des Umgangs mit Vielfalt, Unterschiedlichkeit und Ungleichheit.

      Eine Vielzahl von Theorien versucht, die komplexen Wandlungsprozesse zu erfassen: Moderne, postmoderne Gesellschaft (Etzioni), postindustrielle Gesellschaft (Bells), Postmoderne (Welsch), reflexive Moderne (Beck/Giddens), flüchtige Moderne (Bauman) stellen unterschiedliche gesellschaftstheoretische Konzepte dar, die die Lebenssituation der Menschen beschreiben (Vahsen/Mane 2010). Bei einer Analyse der Lebensbedingungen wird dabei zunehmend eine staatenübergreifende transnationale und transkulturelle Perspektive notwendig (Pries 1997).

      Die Grenzen zwischen Moderne und Postmoderne verlaufen dabei fließend. Der Begriff Postmoderne wird ab den 1960er Jahren vor allem in der Kunst, Architektur und Literatur verwendet und bedeutet in diesem Kontext vor allem die Vielfalt von Konzeptionen und die sich daraus ableitenden Kombinationsmöglichkeiten. Im Anschluss daran entwickeln sich die philosophisch-wissenschaftstheoretischen und die gesellschaftstheoretischen Diskurse der Postmoderne. In diesen Denkbewegungen werden diskriminierende Macht und Herrschaftsprozesse, Fortschrittsgläubigkeit und Machbarkeitsvorstellungen in Frage gestellt. Postmoderne umfasst hier einen Prozess und ein (vorläufiges) Ergebnis der Veränderung der Grundannahmen und Aussagen der Moderne (Frankenberger 2007). Stellvertretend für die Diskurse in der Philosophie, kann die poststrukturalistische Machtanalyse und Vernunftkritik von Foucault (Foucault/Martin 1993) genannt werden; der Aspekt der Postmoderne als gesellschaftliches Phänomen wird mit den Autoren Bell (1975), Sennett (2002) oder Beck (Beck/Bonß 2001) in Verbindung gebracht.

      Kennzeichen der postmodernen Gesellschaft sind demnach:

      • Enttraditionalisierung, Auflösung überkommener Sozialstrukturen, Werte-, Normen- und Verhaltensmuster;

      • Pluralisierung von Werten, Normen, Lebensformen, Kulturen;

      • Emanzipation, Infragestellung geschlechterspezifischer Aufgaben- und Rollenverteilung;

      • Globalisierung von Wirtschaft, Politik, Kultur;

      • Zunahme der Kommunikationsmöglichkeiten, Technisierung, Digitalisierung etc.;

      • Krise von Erwerbsarbeit und Wohlfahrtsstaatlichkeit;

      • Flexibilisierung, Mobilisierung von Arbeit, sozialen Beziehungen und Lebensorten;

      • neue Formen der Spiritualität und Religiosität;

      • Neofundamentalismus, vernetzter Rechtsextremismus und globalisierter Terrorismus.

      Und genau für dieses Agieren in postmodernen Gesellschaften wurde das hier vorliegende analytisch-reflexive Modell von Diversität entwickelt, das neben der notwendigen Klarheit und Struktur auch Ambivalenzen und Irritationen zulässt.

      Für Welsch (1987/2008) ist neben intensiver und extensiver Pluralität vor allem Hybridität das Strukturmerkmal der Postmoderne und Irritation ihr wichtiges Ziel. Handelt es sich um Phänomene, die »durch Unbestimmtheit, Unklarheit, Neuheit, Offenheit, Komplexität, Überdeterminiertheit, Widersprüchlichkeit oder Paradoxie gekennzeichnet sind« (Jekeli 2002: 95f), wird in diesem Zusammenhang von Ambivalenz oder Mehrdeutigkeit gesprochen. In den soziologischen Diskursen wird immer häufiger auf das Konzept der Ambivalenz verwiesen, das sich allerdings schon als Grundelement in der Soziologie Georg Simmels findet. Er geht dabei davon aus, dass durch die Vergesellschaftungsprozesse der Moderne eine Zunahme an sozialer, psychischer, ontologischer und erkenntnistheoretischer Ambivalenz resultiert, die für bestehende soziologische (Ordnungs-)Theorien als Herausforderung betrachtet werden muss. Auch von Bauman (1995) wird Ambivalenz als Möglichkeit definiert, einen Gegenstand oder ein Ereignis mehr als einer Kategorie zuzuordnen. Jede Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Phänomenen ist dann eine Beschäftigung mit den ihr innewohnenden Ambivalenzen und der Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Ordnung und Chaos. Der Übergang von der Moderne zur Postmoderne ist demnach mit einem Verlust an kultureller Deutungsmacht, mit dem Pluralismus der Kulturen, kultureller Diversität verbunden. Es entsteht eine Vielfalt an Deutungsmöglichkeiten mit Spielräumen für Einzelne, aber auch Verunsicherung und dem Wegfall einer institutionellen Ordnungsgarantie (Junge 2000: 197). »Ambivalenzen sind aufgrund des notwendigen Versagens der Nenn-Trenn-Funktion der Sprache ein dauerhaftes Merkmal von Vergesellschaftungsprozessen und stellen nicht nur eine Bedrohung der Ordnungshaftigkeit dar, sondern sie gelten auch als Chance der Emanzipation von der tendenziellen Univalenz kultureller Ordnung« (Junge 2000: 199). Ambivalenz wird somit zu einer Alltagserfahrung der Menschen in der Postmoderne, da sich in der Lebenssituation häufig gleichzeitig vertraute und bekannte Phänomene und Prozesse mit neuen und unbekannten Entwicklungen überschneiden.

      In diesem Sinne erfordert ein reflexiver Umgang mit dem Diversitätsbegriff und die Entwicklung eins sozialarbeitswissenschaftlichen und alltagstauglichen Konzepts von den Verfasserinnen die Einnahme einer Perspektive experimenteller Multiperspektivität. Dies bedeutet bspw. die Rücknahme universaler theoretischer Geltungsansprüche und eine Deutung lediglich als mögliches Interpretationsangebot – und der bewusste Verzicht auf konkrete Handlungsempfehlungen im Sinne von Rezeptwissen für die Praxis der Sozialen Arbeit.

      2 Lesarten und Bedeutungsdimensionen von Diversität

      Das Phänomen Diversität einheitlich zu bestimmen oder zu verstehen, ist in vielerlei Hinsicht weder möglich noch wünschenswert, denn »people define diversity in different even conflicting ways. Consequently, an increasing diverse workforce is variously viewed as opportunity, threat, problem, fad, or even nonissue« (Dass/Parker 1999: 68). Diversität als Begriff und Konzept ist nicht einfach vorhanden und beschreibbar, sondern wird diskursiv erzeugt, d. h., in Fachartikeln oder Vorträgen von Expert_innen aus Wissenschaft und Praxis wird unterschiedliches und oft auch widersprüchliches Wissen über Diversität, wesentliche Kategorien oder wirksame Umsetzungsmaßnahmen vermittelt (Krell/Riedmüller/Sieben 2007).

      In diesem Kapitel soll dennoch der Versuch unternommen werden, mit Hilfe von Begriffsklärungen in einer internationalen und interdisziplinären Perspektive sowie durch die Konstruktion relevanter Bedeutungsdimensionen – trotz vorhandener Komplexität und Ambivalenz des Phänomens – eine klare Analysestruktur für die Leser_innen zu ermöglichen. Ein diesbezüglicher Strukturierungsversuch liegt von Scherr vor. Er unterscheidet:

      • »ein funktionales Verständnis von Diversity als ökonomisch relevantes Faktum, das für das Personalmanagement ebenso relevant ist wie für die Produktplanung

      • ein politisch-rechtlicher Anti-Diskriminierungsdiskurs, der selektiv bestimmte Aspekte von Ungleichbehandlung akzentuiert

      • eine kritische Perspektive, die die Verschränkung sozialer Klassifikationen mit sozioökonomischen Ungleichheiten sowie politischen Macht- und Herrschaftsbeziehungen in den Blick rückt« (Scherr 2011: 84).

      Nach einer

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