Diversität in der Sozialen Arbeit. Beate Aschenbrenner-Wellmann

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Diversität in der Sozialen Arbeit - Beate Aschenbrenner-Wellmann

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eigenständigen analytisch-reflexiven Modell weiterentwickelt.

      2.1 Begriffsannäherungen

      Der Begriff Diversität stammt wie viele Konzepte der Gegenwartssoziologie (z. B. auch Hybridität) aus der Pflanzenbiologie. Dort bezeichnet er ursprünglich unter dem Terminus Biodiversität die Vielfalt von Arten und Ökosystemen. Auch wenn der Gebrauch der Begriffe Diversität, Diversity oder Vielfalt noch relativ neu ist, kann angemerkt werden, dass sich die Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften schon seit langem mit der Frage auseinandergesetzt haben, wie Differenzierungsprozesse in Gesellschaften analysiert werden können. »Sei es in der Frage nach der Entwicklung totalitärer Regime wie etwa bei Hannah Arendt (1951) oder des Ausbruchs von Revolutionen bei Theda Skocpol (1979), der Ausgleich divergierender Interessen – und damit die Frage nach Kohäsion – steht im Zentrum der Analyse« (Salzbrunn 2014: 13).

      Heute bezeichnet der Begriff »Diversität« sowohl ein Konstrukt als auch Konzepte des ›richtigen‹ Umgangs mit dieser Vielfalt und Unterschiedlichkeit.

      »Auch aufgrund der unterschiedlichen disziplinären Herkünfte und Zugehörigkeiten der Teilnehmenden handelt es sich bei der wissenschaftlichen Erkundung von Diversity nicht um eine gemeinsame Expedition. Die Teilnehmenden starten von diversen Ausgangspunkten, zu diversen Zeitpunkten mit diversen An- und Absichten sowie Schwerpunktsetzungen« (Krell 2013: 62–63).

      Im Folgenden soll deshalb zunächst auf die Entwicklung des Begriffs im angloamerikanischen Raum und dann im deutschsprachigen Bereich eingegangen werden.

      2.1.1 Diversität im angloamerikanischen Raum mit Fokussierung auf Managing Diversity (MD)

      Obwohl es nicht den Erfinder oder die Erfinderin des DiM gibt, lassen sich einige Grundlagenpublikationen auflisten, die die Debatte und Theorieentwicklung im Bereich Diversität stark beeinflusst haben.

      Roosevelt R. Thomas gründete bereits 1983 das American Institute for Managing Diversity; er machte in den amerikanischen Diskursen schon früh darauf aufmerksam, dass Affirmative Action Programme nicht mehr ausreichen, um das Potential heterogener Mitarbeiter_innen ausreichend zum Einsatz zu bringen und wertzuschätzen. In seinem Beitrag »Beyond Race and Gender« (1991) weist er darauf hin, dass es nicht genügt, sich mit den genannten offensichtlichen Diversitätsmerkmalen auseinanderzusetzen, sondern dass auch andere, nicht so leicht wahrnehmbare Differenzmerkmale wie z. B. Bildung, sexuelle Orientierung oder persönliche Werte beachtet werden müssen. In seinem weiterführenden Beitrag »Redefining Diversity« von 1996 spricht er sich für eine sehr breite Diversitätsdefinition aus: »Diversity refers to any mixture of items characterized by differences and similarities« (1996: 5).

      Der bewusste Umgang mit Diversität, das MD, bedeutet für Thomas vor allem eine Veränderung der Organisationskultur: »Managing diversity is a comprehensive managerial process for developing an environment that works for all employees« (Thomas 1991: 10). MD wird hier als Konzept der Organisationsentwicklung verstanden und fokussiert vor allem die Frage, wie das vorhandene Potential der Vielfalt für den Erfolg der Organisation genutzt werden kann. Auf individueller Ebene bezeichnet Thomas die zu erreichende personale Kompetenz als »Diversity-Reife« und meint damit sowohl Wissen über Vielfalt und die entsprechenden Konzepte und Dynamiken als auch eine positive Einstellung zu Vielfalt und ein produktiver Umgang mit dieser.

      Ebenso wie Thomas ordnen auch M. Loden und J. Rosener (1991) die Entstehung von Diversitätsansätzen in ihrem grundlegenden Artikel »Diversity as a Vital Resource« den Veränderungen auf dem US-Arbeitsmarkt zu. Ein besonderes Augenmerk fällt dabei auf Aspekte des demografischen Wandels und auf die zunehmende Heterogenität der Mitarbeitenden in den Unternehmen.

      »Die vielfältig gelagerten Unterschiede, betonen die Autorinnen, werden von den ArbeitnehmerInnen zunehmend bewusster wahrgenommen und sollen nicht mehr – im Sinne von Anpassung – verleugnet werden. Daraus ergibt sich für Führungskräfte die Anforderung sich mit den daraus entstehenden Herausforderungen auseinander zu setzen resp. auf diese angemessen zu reagieren« (Schür 2013: 97).

      Im Sinne des DiM ergeben sich dabei für die Autorinnen die folgenden drei Schritte:

      • Zunächst geht es um die Wahrnehmung der enormen kulturellen und ethnischen Vielfalt an amerikanischen Arbeitsplätzen,

      • In einem nächsten Schritt soll das ganze Spektrum an Vielfalt wertgeschätzt werden,

      • Im sich anschließenden Stadium sollen dann Gemeinsamkeiten gefunden werden auf deren Grundlagen vertrauens- und respektvolle Beziehungen entstehen (vgl. Loden/Rosener 1991).

      Allerdings bestehen auf dem Weg zur Umsetzung der Strategie, Diversität als vitale Ressource zu sehen, einige Hindernisse. Bspw. neigen Menschen dazu, sich mit anderen Personen zu umgeben, die ihrer Kernidentität möglichst ähnlich sind. Zusätzlich besteht eine lange Tradition darin, Vielfalt eher als bedrohlich und störend zu empfinden statt als schätzens- und anerkennenswert; diese Betrachtungsweise bestimmt nach Ansicht der Autorinnen auch noch unser derzeitiges Verständnis und den Umgang mit Vielfalt. Loden und Rosener sprechen hier vom sog. Homogenen Ideal, das in vielen Organisationen vorherrscht. In diesem Zusammenhang werden zahlreiche Praktiken und Mechanismen entwickelt, die der Aufrechterhaltung und Förderung der Homogenität dienen und in ihrer Folge die Anpassung von Angehörigen von Minderheitenkulturen an die Werte und Leitbilder der dominanten Gruppe erfordern. Als weiterer Störfaktor für die Erreichung eines respektvollen Miteinanderumgehens erweisen sich vorhandene Stereotype, Vorurteile und Rassismen, die Kommunikation und Begegnungen beeinflussen.

      Wesentlich für einen produktiven Umgang mit Vielfalt ist für die Autorinnen auch die Unterscheidung in primäre und sekundäre Dimensionen von Diversität. Primäre Dimensionen wie bspw. Hautfarbe, Geschlecht oder sexuelle Orientierung haben demnach einen entscheidenden Einfluss auf das Selbstbild der Menschen und auf ihr Gruppenverhalten, da persönliche Erfahrungen, Gefühle etc. entscheidend durch diese Faktoren geprägt werden. Die sekundären Dimensionen (Bildungshintergrund, Einkommen, Status usw.) werden dagegen als grundsätzlich veränderbar betrachtet, geben dem jeweiligen Selbstbild seine Konturen, sind aber nicht so bedeutsam für die Kernidentität der Person. Trotz dieser Unterscheidung verweisen die Autorinnen auf zahlreiche Interdependenzen zwischen den Dimensionen und damit zumindest implizit auf das Phänomen der Intersektionalität.

      Einen weiteren Meilenstein bei der Klärung des Diversitätsbegriffs und zur Beachtung der mit ihm verbundenen Komplexität stellen die Ausführungen von L. Gardenswartz und A. Rowe (1998) zu den »Four Layers of Diversity« dar. Die beiden Organisationberaterinnen gehen – ähnlich wie R. Thomas – von einem Verständnis von Diversität als Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten und Verbindendes zwischen den Menschen aus. In ihrem Vier-Schichten-Modell unterscheiden sie zwischen den Ebenen »Personality«, »Internal Dimensions«, »External Dimensions« und »Organizational Dimensions« (image Abb. 3).

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      Die Persönlichkeit, als einzigartiger Kern jedes Menschen, durchdringt dabei alle weiteren Ebenen des Modells. Unter den inneren Dimensionen werden Faktoren wie Geschlecht, Alter oder Hautfarbe angeführt, die wenig beeinflussbar sind, aber gleichzeitig große Auswirkungen auf

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