Diversität in der Sozialen Arbeit. Beate Aschenbrenner-Wellmann
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In einem Vortrag zum Thema »Vielfältige Hochschulen – einfältige Hochschulpolitik« am 5. Dezember 2012 (Tagung Vielfalt als Gewinn CEDIN Consult, Düsseldorf) fasste Krell gängige Vorurteile gegen Diversitätskonzepte zusammen, formulierte grundlegende theoretische und organisationale Zugänge und verwies in diesem Zusammenhang auf die »Fabrikation von Diversity als Konstrukt«. Zu häufig vorgebrachten Vorbehalten gegen Diversitätskonzepte zählen demnach Argumente wie: Diversität sei nur von und für Unternehmen gemacht, nur ökonomisch begründet, es bestehe kein Unterschied zum Gender Mainstreaming und zur Antidiskriminierungs- und Gleichstellungspolitik, Menschen würden aufgrund von Zugehörigkeiten in Schablonen gesteckt, Diversitätskonzepte seien essentialisierend und naturalisierend ausgerichtet. Dieser Gefahrenliste stellt Krell einen Katalog an Anforderungen entgegen, die bei einer theoriebasierten Auseinandersetzung mit dem Konzept Berücksichtigung finden müssen. Zunächst einmal dürfen Diversitätskonzepte nicht als fertig vorhanden, sondern müsste als diskursiv erzeugt betrachtet werden. Das bedeutet, dass unterschiedliches und widersprüchliches Wissen über Vielfalt durch Vorträge und Fachpublikationen von Expert_innen aus Wissenschaft und Praxis vermittelt wird. Es gibt also immer auch eine interessensgeleitete Wahrnehmung, Interpretation und Anpassung von Diversitätskonzepten, je nach Standort der Betrachter_innen. Diversität im Sinne von Konzepten, Politik und Strategien ist nach Krell (2012) für jede Organisation geeignet, denn mit der Grundidee, Probleme, die mit Vielfalt verbunden sind, zu reduzieren und Chancen zu realisieren, geht die Schaffung einer Organisationskultur einher, von der letztendlich alle profitieren. Merkmale dieser Organisationskultur sind in Anlehnung an Cox (2001) Pluralismus und Wertschätzung von Vielfalt, strukturelle und informelle Integration und zwar unabhängig von Zugehörigkeiten/Zuschreibungen, der gelungene Abbau von Vorurteilen und Diskriminierungen sowie das Vorhandensein von wenigen Intergruppenkonflikten.
Betrachten wir Diversität als Konstruktion, kann nach Krell (2012) einerseits auf gruppenbildende Kategorisierungen (wie Geschlecht, Alter, Nationalität, Ethnie etc.), andererseits auf individuelle Attribute oder Zuschreibungen wie Werte, Einstellungen, Interessen und Verhaltensweisen rekurriert werden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch noch einmal die Frage nach der Berücksichtigung nur der Unterschiede oder der Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie ihrer Betrachtung als quasi naturgegebene Eigenschaften oder als konstruierte Unterscheidungen und Zuschreibungen. Betrachten wir Vielfalt nur als Identitätskategorie oder auch als ungleichheitsrelevante Strukturkategorie? Gerade letztere Frage und die notwendige Positionierung ist entscheidend. Hier sollen nicht nur Diversitätsmerkmale als Beschreibungsfaktoren einzelner Menschen betrachtet werden, sondern gleichermaßen alle Strukturkategorien, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt beeinflussen.
2.1.3 Diversität außerhalb des ökonomisch-organisatorischen Kontexts: machtsensible Diversitätsansätze im Kontext des Sozialen
Obwohl der Diversitätsbegriff sowohl im deutschen als auch im angloamerikanischen Raum fest im ökonomischen und organisationalen Kontext verankert ist, haben sich besonders im letzten Jahrzehnt weitere Begriffsverwendungen herauskristallisiert. Eine Grundidee von Diversitätskonzepten ist es, die mit Vielfalt verbundenen Probleme zu reduzieren und vorhandene Chancen zu realisieren. Hierzu ist es einerseits erforderlich, Diversität als Konzept des Managements eines Umgangs mit Verschiedenheit (MD) innerhalb von Organisationen zu etablieren und Diversitätskompetenz bei Mitarbeiter_innen im Sinne einer Schlüsselqualifikation in Zeiten der Globalisierung zu stärken. DiM beschreibt die Gesamtheit der Maßnahmen, die dazu beitragen, dass Verschiedenheit in einer Organisation anerkannt und wertgeschätzt wird. Es geht somit um die Herstellung von Bedingungen, die es allen Personen unabhängig von ihren unterschiedlichen Merkmalen ermöglicht, ihr Potential positiv zur Geltung zu bringen. Dies soll sich jedoch nicht auf Organisationen beschränken, sondern in der Gesamtgesellschaft zur Anwendung kommen. »Längerfristig beinhaltet eine chancenorientierte Diversity-Orientierung die Vision von einem staatlichen und gesellschaftspolitischen Selbstverständnis einer ›Einheit in der Vielfalt‹. Der Schutz vor Diskriminierungen, ein ressourcenorientierter Potentialansatz, die Förderung von Chancengleichheit und Gleichbehandlung und wirtschaftliche Vorteile können so miteinander verbunden werden« (Merx 2013: 241).
In einer pragmatischen Annäherung an den Diversitäts-Begriff greift Schwarzer folgende verbreitete Sichtweise auf: »Durch eine Diversity-Perspektive sollen die Unterschiedlichkeiten von Menschen wahrnehmbar und diese als etwas Positives für die Gruppe, die Organisation und die Gesellschaft gesehen werden. Heterogenität wird als Bereicherung für alle und Unterschiede als Stärke gewertet« (Schwarzer 2015a: 196). Zur Beschreibung von Unterschieden wird häufig sowohl der Begriff »Vielfalt« als auch »Differenz« verwendet; in der Regel jedoch mit recht gegensätzlichen Konnotationen. »Vielfalt wird tendenziell verwendet, wenn in positiv konnotierter Form über Verschiedenheit gesprochen werden soll. Gemeint ist eine Verschiedenheit, die Unterschiedlichkeit als Teil des gesellschaftlichen Ganzen begreift. Differenz dagegen wird eher eingesetzt, um eine Abgrenzung zu markieren und wenn die Eigenständigkeit im Gegensatz zum Gesamten betont werden soll« (Brettländer/Köttig/Kunz 2015: 7). Gemeinhin wird der Diversitätsbegriff also für den positiven, wertzuschätzenden Aspekt von Vielfalt verwendet, für eine Vielfalt, die auf Zugehörigkeit ausgerichtet ist, während Differenz bestehende Unterschiede bspw. im Bereich der Klassenzugehörigkeit thematisiert, die nicht so leicht überwunden werden können oder sollen und somit als dauerhafte Bestandteile und Konstruktionsmechanismen sozialer Ungleichheit dienen.
Entsprechend eindeutig melden sich Kritiker_innen des Diversitätskonzepts zu Wort:
»Verliert sich Antidiskriminierungsarbeit […] in der Auflistung der Differenzen, in deren Bewahrung, in deren neuer Verpackung (wie es z. B. in dem Zurzeit Konjunktur feiernden Konzept Diversität der Fall ist), um diskriminierte Individuen und Gruppen noch nützlicher, sozioökonomisch noch verwertbarer zu machen, dann haben wir es mit nichts anderem zu tun als mit einer depolitisierenden verwaltungstechnischen Maßnahme, einem zusätzlichen Instrument zur Erhaltung der Herrschaft« (Bratic 2008: 158).
Diversitätskonzepte sollen deshalb, so die Empfehlung von Hormel und Scherr (2004: 212), gesellschaftlich ablaufende Normalisierungsprozesse kritisch in den Blick nehmen und vorhandene Ausschlussmechanismen nicht einfach reproduzieren.
»Vielmehr kommt es darauf an:
• Strukturen und Prozesse durchschaubar zu machen, durch die Unterschiede zwischen sozial ungleichen Gruppen hervorgebracht werden;
• zur Kritik unzulässiger Generalisierung von Stereotypen und Vorurteilen zu befähigen sowie dafür zu sensibilisieren, dass jedes Individuum ein besonderer Einzelner ist;
• begreifbar zu machen, dass Gruppenzuordnungen keine klaren und eindeutigen Grenzen zwischen unterschiedlichen Menschentypen etablieren, sondern durch übergreifende Gemeinsamkeiten und quer zu den Gruppenunterscheidungen liegende Differenzen überlagert und relativiert werden;
• Kommunikations- und Kooperationszusammenhänge zu ermöglichen, in denen die Irrelevanz etablierter Gruppenunterscheidungen erfahren werden kann.«
Erst durch eine differenzierte Betrachtung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden kann der Diversitätsansatz in einen kritisch zu betrachtenden Gesellschaftsdiskurs eingebettet werden. »Diversity zielt also auf die demokratische Öffnung aller gesellschaftlichen Räume für alle Menschen ab. Unabhängig von dem jeweiligen kulturellen Hintergrund, Religion, Hautfarbe, Alter, Geschlecht, Geschlechterrolle, sexuelle Orientierung, Klasse, körperlicher Verfasstheit etc. und unabhängig von der ›Nützlichkeit‹ des jeweiligen Menschen« (Czollek u. a. 2009: 61).
Für die Bundesregierung ist im Hinblick auf die Etablierung des Diversitätsdiskurses festzustellen, »dass es sich hierbei keineswegs primär um einen Effekt des Einflusses von politischen Strömungen und sozialen Bewegungen