Genderismus. Birgit Kelle

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Genderismus - Birgit Kelle

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sollen es Männer auch nicht tun. Willkommen in der gendersensiblen Welt von heute.

      Sicher ist der abgesagte Fensterl-Wettkampf der Uni Passau nur eine kleine Randnotiz im weltweiten Geschehen, leider aber Ausdruck eines grassierenden Symptoms und ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich falsch verstandene und schlecht gemachte Gleichstellungspolitik unter dem Label „Gender Mainstreaming“ gerade ihre Wege bis in die privatesten Bereiche und selbst in Brauchtum und Sportveranstaltungen bahnt.

      Noch scheint das europäische Gender Institut EIGE sich wenig mit absurden Sportarten in Europa befasst zu haben, sonst wäre das sogenannte „Wife Carrying“, das bereits als Weltmeisterschaft ausgetragen wird, und sich sowohl in Österreich als auch in Deutschland begeisterter Fans erfreut, längst verboten. In Anlehnung an die Legende von dem üblen Räuber Herkko Rosvo-Rinkainen, der im 19. Jahrhundert in den umliegenden Dörfern Frauen entführt haben soll, schleppen bis heute Männer eine Frau durch einen Parcours aus Rasen-, Kies-, Sandstücken und auch Wassergräben. Besonders beliebt ist dabei die Technik, bei der die Frau kopfüber am Rücken des Mannes hängt. Es gewinnt das schnellste Paar, aber auch die unterhaltsamsten und die am hübschesten kostümierten Paare bekommen einen Preis. Verschleppte Frauen! Das ist derart frauenfeindlich, sexistisch und damit genderunsensibel, man hört schon erneut den Aufschrei durch die sozialen Netzwerke hallen! Die Frau wird zum Objekt degradiert, auf dem Rücken kopfüber durch Wassergräben geschleift von Männern, womöglich noch zum anschließenden Geschlechtsverkehr, oder schlimmerem, vielleicht der Ehe. Wenn wenigstens parallel auch Frauen Männer schleppen würden, sozusagen als „Husband Carrying“, könnte man vielleicht noch einen gendersensiblen Sport daraus konstruieren. Oder wenn auch gleichgeschlechtliche Paare zum Zug kämen. Aber so besteht wenig Hoffnung für die Zukunft dieses Sports, wenn er erst einmal auf dem Radar eifriger Gender-Beauftragter auftaucht.

      Gut, dass das EU-Genderinstitut seinen Sitz im littauischen Vilnius hat, von da ist es weit bis zur Gartenanlage des Schlosses Mirabell in Salzburg. Dort befinden sich mehrere überlebensgroße Plastiken aus der Barockzeit, die mythische Gestalten beim Tragen halbnackter Frauen zeigen. Nachdem die Sprache, angeblich sexistische Wahlplakate und selbst die Bibel bereits gendersensibel dran glauben mussten, wird es nicht mehr lange dauern, bis die sexistische Darstellung von Frauen in der antiken Kunst verhüllt werden muss.

      Man wartet förmlich darauf, dass die Fußballweltmeisterschaft wegen der Geschlechtergerechtigkeit mit geschlechtsgemischten Teams ausgetragen werden muss, inklusive Unisex-Umkleidekabinen. In Katar könnte das noch zu politischen Verwerfungen führen. Wenn erst die Olympischen Spiele endlich gendersensibel stattfinden, müssen die Männer vermutlich aus Gleichstellungsgründen auch zur rhythmischen Sportgymnastik antreten und für Transgender- und Queer-Geschlechter wird ein eigener Wettkampf ausgerufen, der dann von Conchita Wurst eröffnet wird. Prämiert wird nicht nur Leistung, sondern auch das hübscheste Sport-Make-up in der B-Note.

      Geschlechtervielfalt ist das Schlagwort der Stunde. Es ist das neue Gespenst, das in ganz Europa umgeht, und sich unter dem Label „Gender Mainstreaming“ durch Verwaltungen wühlt, Universitäten kapert, die deutsche Sprache ruiniert, den Schulunterricht, Schulbücher, Kirchen, Unternehmen, Universitäten, Stiftungen, Vereine und selbst Bauvorschriften, Kinderspielplätze und Straßenverkehrsordnungen erobert. In jedem Fall aber immer Steuer-Budgets auffrisst. „Gender Mainstreaming“, es ist das Zauberwort für das Öffnen des Steuersäckels und eine unendlich große Wunschtüte, in die gerade jeder das reinpackt, was er so unter „Geschlechterpolitik“, „Geschlechtervielfalt“ oder auch „Geschlechterdiskriminierung“ versteht. Praktischer Weise versteht nahezu jeder in diesem Metier etwas anderes darunter, deswegen ergibt sich daraus eine nahezu unendliche Gleichstellungspolitik, die Probleme sieht, wo keine sind, und Probleme schafft, wo vorher keine waren.

      Wie viel Geld dafür ausgegeben wird, ist jetzt schon schwer zu beziffern. Zumindest auf EU-Ebene schwirrt die Zahl 3,56 Milliarden Euro durch den Raum. So viel wurde zwischen 2007 und 2013 für Projekte im Sinne der „Geschlechter-Gerechtigkeit“ ausgegeben. Die Summe ist vermutlich kleingerechnet, denn sie stammt von eifrigen Feministinnen auf EU-Ebene, die sich beschweren wollten, es sei viel zu wenig. So viel Gender-Ungerechtigkeit sei noch zu beheben. Wer keine Probleme sieht, dem fehlt es eben nur an Gender-Kompetenz, und die kann man inzwischen an manchen Universitäten auch mit Zertifikat erwerben. Was man dann anschließend weiß, oder mehr kann als andere, bleibt zwar ein Rätsel der sogenannten „Gender Studies“, sicher ist nur, dass durch die regenbogenfarbene Brille der Gender-Industrie offenbar Problemfelder entdeckt werden können, die weiten Teilen der Weltbevölkerung verborgen bleiben.

      Probleme zu schaffen ist für die wachsende Gender-Industrie dabei überlebenswichtig. Wohin auch mit den inzwischen über 200 Gender Studies-Lehrstühlen im deutschsprachigen Raum, den Tausenden von Gender-Beauftragten in ganz Europa, den Instituten und Gender-Experten mit ihrer „Gender-Kompetenz“, wenn es gar keine Geschlechter-Ungerechtigkeit mehr gibt? Die tatsächliche Lösung der Geschlechter-Frage erweist sich somit als Worst-Case-Szenario für den lukrativen Gender-Betrieb, und sein Milliardengeschäft entpuppt sich als Systemfehler: Bei Erfolg droht Arbeitslosigkeit. Und deswegen muss es Probleme geben, immer weitere Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen und Empörungen, um das Budget für den nächsten Jahresetat zu sichern.

      Hatte sich die Gender-Bewegung in ihren Anfängen noch auf die Frau konzentriert, ist man angesichts der rechtlichen Gleichstellung von Frauen längst weiter. Wenn die Frau nicht mehr unterdrückt ist, dann eben der Schwule. Und wenn ein prominentes Coming-Out nur noch ein Gähnen beim ermüdeten Publikum hervorruft, dann sind eben die Transgender-Menschen benachteiligt. Da selbst das angesichts einer gesamteuropäischen Conchita-Wurst-Euphorie nicht mehr wirklich als Opfermodus taugt, finden sich in der neuen Geschlechtervielfalt immer neue Opfergruppen, die noch gar nicht wussten, dass sie Opfer sind, die man aber retten will. Reicht das noch nicht aus, um die eigene Existenzberechtigung als Gender-Forscher_*In nachzuweisen, und der Frage aus dem Weg zu gehen, was man a) den ganzen Tag tut und ob man b) in den letzten Jahren irgendein verwertbares oder gar nützliches Forschungsergebnis produziert hat, dann hilft am Ende immer noch die intersektionale Genderforschung. Diese befasst sich mit Mehrfachdiskriminierungen und deren Querverbindungen. Schließlich kann ich nicht nur als Frau, sondern möglicherweise auch durch meinen Migrationshintergrund oder andere Minderheiten-Beteiligungen Diskriminierungen ausgesetzt sein. Große Chancen hat also die bisexuelle Trans-Frau mit Migrationshintergrund, dunkler Hautfarbe und körperlicher Behinderung als Forschungsobjekt. Ist sie dann noch alt, erhält sie automatisch ein Topranking auf der sich ständig erweiternden Opferskala.

      Alter scheint nämlich inzwischen auch ein Fall von Geschlechtervielfalt zu sein, glaubt man zumindest den Wiener Verkehrsbehörden, die den seniorengerechten Straßenbau bereits in die Abteilung „Gender“ verschoben und auch die Frage des richtigen Straßenbelages in Fußgängerzonen zum Gender-Problem erklärt haben. In Berlin, mit drei Dutzend Gender-Lehrstühlen und öffentlichen Unisex-Toiletten für geschlechtlich Unentschlossene das Gender-Mekka Deutschlands, fand sich tatsächlich eine Abgeordnete der Grünen, die auch dicke Frauen unter besonderen Diskriminierungs-Schutz stellen wollte, und eine Pummelchen-Quote bei Schönheitswettbewerben forderte. Wir wissen nicht, was Heidi Klum dazu sagt. Noch wissen wir auch nicht, ob Rothaarige als Minderheit demnächst ebenfalls ein eigenes Geschlecht darstellen, aber zumindest diskutiert man in Berlin bereits extra Badezeiten für Transsexuelle in öffentlichen Schwimmbädern. Sicher das drängendste Problem der deutschen Hauptstadt.

      Allein schon die Verwendung des Wortes „Geschlechtervielfalt“ bei all diesen Debatten ist jedoch bereits die erste Irreführung, der Viele unterliegen. Denn wer oder was neuerdings alles ein eigenes „Geschlecht“ darstellt, ist auf der Skala nach oben offen. Je nachdem welchen „Gender-Experten“ man befragt, ist die Zahl gar nicht mehr definiert. Zwei, vier, 60 oder 4.000 Geschlechter, ganz egal. Je länger man forscht, umso mehr Geschlechter tauchen auf. Wer sich nicht auskennt, läuft ständig Gefahr, ein Geschlecht zu diskriminieren, weil er ja von dessen Existenz gar nichts wusste. Engagierte Nutzer der sozialen Internetplattform Facebook wissen, es gibt zumindest 60 Geschlechter.

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