Robust!. Gerald Moser
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Robust! - Gerald Moser страница 8
Die geschlossenen oder gescheiterten Unternehmen leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Überleben des gesamten Systems. Süffisant könnte man sagen, dass sie einen Heldentod sterben. Sie nehmen den eigenen Tod in Kauf, um der Gesamtheit zu helfen. Jetzt ist es aber so, dass diese »gescheiterten« Unternehmer keinen Preis dafür bekommen. Sie bekommen keine Medaille, kein Ehrengrab, keine Entschädigung, nichts, gar nichts erhalten sie. Ganz im Gegenteil, die Kultur des Scheiterns ist in unseren Gefilden eher unterentwickelt. Die Bank möchte das Haus oder die Wohnung des Unternehmers haben, um ihren Schaden gering zu halten. Die Familie ist entsetzt, weil die wirtschaftliche Existenzgrundlage verloren gegangen ist. Die enttäuschten Mitarbeiter haben ihren Arbeitsplatz verloren. Dem Unternehmer geht es höchstwahrscheinlich schlecht, weil er bis zum Konkurs schon viel Ärger hatte und die Abwicklung des Konkurses noch einmal jede Menge Probleme bedeutet. Dazu kommen die schlechte Presse und die üble Nachrede im Ort. Und dann startet die ganze Arbeit für den Unternehmer von vorne. Jetzt darf er nämlich damit beginnen, eine neue Existenz aufzubauen. Und das alles deshalb, weil dieser Unternehmer den Heldentod gestorben ist! Ich frage Sie: Wollen Sie ein Held sein? Wollen Sie wirklich den Heldentod sterben? Wohl hoffentlich eher nicht! Die Helden mögen bitte die anderen sein! Seien Sie in dieser Hinsicht egoistisch und lassen Sie anderen in puncto Konkurs den Vortritt! Ihre Familie, Ihre Mitarbeiter, Ihre Bank und einige andere Menschen in Ihrem Umfeld werden es Ihnen danken.
Und für den Fall, dass Sie sich nicht angesprochen fühlen, da Ihr Unternehmen beste Umsätze macht, gut verdient und Sie als Unternehmer wirtschaftlich sicher dastehen? Vielleicht sollten Sie trotzdem weiterlesen, zumindest bis zu der Geschichte mit dem Truthahn.
Weshalb Sie sich nicht am Durchschnitt orientieren sollten
Die KMUs, also jene Unternehmen, die zwischen einem und 249 Mitarbeitern beschäftigen, sind, wie wir schon wissen, das Rückgrat der Wirtschaft. Eine besonders wichtige Rolle spielen dabei die Kleinst‐ und Kleinunternehmen, also jene Unternehmen, die zwischen einem und 50 Mitarbeitern beschäftigen. Rund 95 Prozent +/‐ aller Unternehmen quer durch Europa sind Kleinst‐ und Kleinunternehmen, also fast alle. Diese Gruppe von Unternehmen beschäftigt etwa die Hälfte aller unselbstständig Beschäftigten. Die anderen 50 Prozent der unselbstständig Beschäftigten sind in den mittelgroßen und großen Unternehmen zu finden.. Jetzt kommt es aber!
Nur rund 35 Prozent +/‐ des gesamten Umsatzes in allen Wirtschaftsunternehmen wird von den Kleinst‐ und Kleinunternehmen erwirtschaftet! Der Umsatz, der pro Mitarbeiter erzielt wird, ist also in den kleinen Unternehmen deutlich niedriger als in den mittleren und in den großen. Das ist jetzt noch nicht so beunruhigend. Schließlich geht es ja nicht um den Umsatz. Viel wichtiger als der Umsatz ist der Gewinn. Die primäre Aufgabe eines Unternehmens ist es nun aber nicht, Gewinn zu erzielen. Die Aufgabe eines Unternehmens ist eine völlig andere. Damit werden wir uns später noch beschäftigen. Aber ein Unternehmen braucht die Gewinne, damit es seine Aufgaben erfüllen kann.
Nun fragen Sie sich vielleicht, wie hoch der Gewinn sein soll. Das ist auf jeden Fall eine gute Frage! Die Antwort hängt von vielen Faktoren ab, aber als Faustregel würde ich sagen, im Durchschnitt 7 Prozent, mit einer Bandbreite von +/‐ 3 Prozent. Gemeint ist damit der Gewinn vor Steuern in Prozent vom Umsatz (nach Abzug des Unternehmerlohns). Der Gewinn sollte also im Laufe der Jahre zwischen 4 Prozent und 10 Prozent pendeln. Mehr ist natürlich besser, weniger schlechter – und das alles hängt natürlich auch von der Branche ab.
In Europa liegt die durchschnittliche Gewinnmarge der Kleinst‐ und Kleinbetriebe zwischen 4 und 6 Prozent. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Zwischen 10 und 25 Prozent der Betriebe, abhängig von Land und Branche, macht Verluste und etwa die gleiche Anzahl der Unternehmen liegt unter 4 Prozent Umsatzrendite. Das muss man sich einmal vorstellen. Zwischen einem Drittel und beinahe der Hälfte der Unternehmen verdienen also nicht genug, um ihre Aufgaben dauerhaft erfüllen zu können. Sie sind eigentlich in erster Linie mit dem eigenen Überleben beschäftigt.
Eine Frage der Robustheit:
Wo auf dieser Skala der Umsatzrentabilität liegen Sie mit Ihrem Unternehmen?
– 10% ‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐ + 4% ‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐ >+ 10%?
Wenn Sie nun links der + 4‐Prozent‐Marke liegen, dann haben Sie die Gewissheit, dass Sie nicht alleine sind. Wenn Sie rechts davon liegen, können Sie trotzdem weiterlesen.
Aus dem (Unternehmer)Leben
Nach meinem eigenen Konkurs ging es mir gar nicht gut. Ich hatte nicht nur selbst viel Geld verloren. Ich hatte auch das Geld von Investoren, Banken und Förderstellen verloren. Hinter diesen Institutionen standen Menschen, die mir vertrauten und auf mich gesetzt haben. Ich hatte das Gefühl, dass ich der einzige Idiot auf Erden bin, der mit seinem Unternehmen gescheitert ist. Als ich dann langsam wieder Tritt fasste, wagte ich es auch, meine Geschichte zu erzählen. Und siehe da! Eine überraschend große Anzahl an Unternehmern pflichtete mir bei: »Ja, wissen Sie, jetzt, wo Sie das erzählen, kann ich Ihnen ja auch anvertrauen, dass es mir ebenfalls schon einmal genauso ergangen ist« oder eine Variante davon: »… mir wäre es fast genauso gegangen, aber ich hatte Glück, weil …« Das hat meinen Gemütszustand nicht unbedingt verbessert, aber es hat mich schon ein wenig erleichtert. Mein Eindruck, dass wesentlich mehr Unternehmen kämpfen, als ich jemals gedacht hatte, verstärkte sich, als ich begann, mir die Jahresabschlüsse von unterschiedlichsten Unternehmen näher anzusehen. Bei Kapitalgesellschaften ist das relativ einfach möglich. Dadurch wurde mir erst so richtig klar, wie viele Unternehmen links der 4‐Prozent‐Schwelle liegen müssen. Die endgültige Bestätigung erhielt ich dann, als ich die EU‐Statistiken über die wirtschaftliche Lage der Kleinst‐ und Kleiunternehmen las. Danach war eindeutig klar, dass zwischen einem Drittel und der Hälfte der Kleinst‐ und Kleinunternehmen vor sich hin wursteln. Das sind auf jeden Fall wesentlich mehr, als man jemals vermuten würde.
Mit dieser Erkenntnis erhielt meine Reflexion über mein eigenes Scheitern eine neue Dimension. Schließlich war ich ja immer davon ausgegangen, dass mein Unternehmen robust gewesen wäre. Und ich war fest davon überzeugt, dass mir und meinem Unternehmen nichts passieren könnte. Schließlich lagen wir ja rechts der Schwelle. Und dann kam das Erdbeben. Fukushima war die Störung, die das Ende meines Unternehmens einleitete. Eigentlich absurd, oder? Ein Ereignis, das vollkommen außerhalb meiner Kontrolle lag. In der Folge aber sind zugegebenermaßen auch genügend andere Dinge schiefgelaufen, die ich hätte kontrollieren können. Wenn also mein Unternehmen aufgrund dieser Ereignisse so schnell aus dem Tritt kommen konnte, wie geht es dann erst einem Unternehmen, das sich links der 4‐Prozent‐Schwelle befindet?
Damals dämmerte mir langsam, dass es mehr braucht als bloß gegenwärtigen wirtschaftlichen Erfolg, um wirklich robust zu sein! Ich verstand damals: Die Robustheit eines Unternehmens hat auch sehr stark etwas mit der Unternehmerpersönlichkeit und mit der Art und Weise, wie diese das Unternehmen führt, zu tun.
Fassen wir also unsere bisherigen Erkenntnisse zusammen: Das System der Kleinst‐ und Kleinunternehmen ist ein stabiles System. Es ist unter anderem deshalb stabil, weil es viele Systemmitglieder hat. Für das System als Ganzes ist es gut und sogar notwendig, wenn immer wieder einzelne Mitglieder scheitern und das System verlassen. So kann sich das System weiterentwickeln. Für Sie als einzelnes Systemmitglied wäre es aber – salopp ausgedrückt – nicht so gut, wenn ausgerechnet Sie derjenige sind, der das System verlässt. Damit nicht Sie der unbedankte Held sind, sollte Ihr wirtschaftlicher Erfolg besser sein als der Durchschnitt. Aber nicht einmal das reicht