Abara Da Kabar. Emil Bobi
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Читать онлайн книгу Abara Da Kabar - Emil Bobi страница 15
Sie presste die Lippen aufeinander und ihre Augen glitzerten. »Ich esse alles außer Schweinefett und Affenfleisch.«
»Das dachte ich mir in Wirklichkeit«, sagte ich und das stimmte auch.
Wir gingen um die Ecke und durch den Park vor der Stadthalle. Zum ersten Mal waren wir alleine. Sie fragte: »Bist du Wissenschaftsjournalist?«
»Nein. Ich mache alles, was irgendwie als relevant und aktuell hinzustellen ist. Politik, Chronik, Wirtschaft, alles. Es muss nur was los sein, über das man reden kann.«
»Aber das ist interessant«, sagte sie mit geweiteten Augen, »Menschen zum Reden bringen, ihnen die Unsicherheit nehmen, Vertrauen gewinnen, die richtigen Fragen im richtigen Augenblick stellen, sie nicht an der falschen Stelle unterbrechen, aber nachsetzen, wenn sie abweichen.«
»Du kennst dich aber aus.«
»Du magst das, oder?«
»Was. Dass du dich auskennst? Ja, sicher.«
»Nein, hör auf, ich meine das alles, diesen Beruf.«
»Ah so, ja, ich hab das am Anfang auch nicht gewusst. Ich bin da hinein, weil ich dachte, dass Journalismus etwas mit Schreiben zu tun hat und ich mir ja eingebildet hatte, schreiben zu können. Es war also ein doppelter Irrtum, der mich in diesen spannenden Beruf geführt hat.«
Sie blieb stehen und ich drehte mich zu ihr hin. »Journalismus hat nichts mit Schreiben zu tun?«, fragte sie.
»Fast nichts«, sagte ich. »Es geht nicht ums Schreiben, sondern viel mehr um das Herbeischaffen von Schreibbarem. Auftreiben und Aufbereiten von Stoff. Das Schreiben selbst passiert im letzten Augenblick schnell, schnell vor Redaktionsschluss.«
Wir gingen weiter. Weil in ihrer Frage echtes Interesse durchgeklungen war, erweiterte ich meine Antwort. Zeitungsmenschen seien meist keine Experten, sagte ich. Sie seien, auch wenn viele es selbst glaubten, keine Wissenden, sondern Wissen Einholende. »Und es geht nicht einmal darum, sich dieses Wissen selbst anzueignen, sondern nur die Leute zu finden, die es haben. Das ist Recherchieren im Journalismus. Die richtigen Leute finden und sie zu erweichen, ihr Wissen mit dir zu teilen. Kostenlos natürlich. Scheckbuch-Journalismus gibt es nur in den Köpfen verfolgungsneurotischer Medienhasser.«
»Das heißt es aber oft.«
»Eben. Das ist eines der hartnäckigen Gerüchte zum allseits beliebten Thema ›Scheißmedien‹. Viele glauben, dass man bei den Medien für jede üble Nachrede Geld bekommt und dabei anonym bleiben darf.«
Sie musste lachen.
»Aber du hast völlig recht«, sagte ich, »es geht immer um Menschen. Pure Psychologie. Solange du recherchierst, machst du pure Psychologie. Wenn du nur abschreibst, ist es einfacher, dafür brauchst du keine Menschenkenntnis. Aber die Auseinandersetzung mit Menschen und dem, was sie erreichen oder versäumen, was sie anrichten oder gutmachen, was ihnen zustößt, in die Wiege gelegt oder vorenthalten wird, diese Welt der Schicksale hat mich sehr direkt angesprochen.«
Sie nickte mit denkenden Augen. »Ja. Ich weiß.«
»So wie jetzt«, fuhr ich fort. »Ich gehe nicht jahrelang Sprachwissenschaften studieren, sondern finde dich, die du die Arbeit schon erledigt hast. Und hier ist auch mein Erfolgserlebnis. Ich mag das Tierhafte daran, reflexartig an die richtigen Personen zu gelangen. Dich habe ich in Archiv-Geschichten entdeckt und mir gedacht, wenn jemand etwas neu entdeckt, kommt er auch mit der unberührten Vergangenheit des Entdeckten in Kontakt. Weil das Unentdeckte ja irgendwie von der Gegenwart nicht erfasst war, konnte es vielleicht das Wesen seiner Vergangenheit noch in sich tragen. Ist natürlich irgendwie naiv.«
»Nein«, sagte sie.
»Nicht? Ich meine, eine falsche Annahme kann auch zum richtigen Ziel führen, wenn der Bauch es sagt.«
»Es ist nicht naiv.«
Wir näherten uns dem Ausgang des Parks. Ein ganz in schwarz gekleideter Teenager auf viel zu langen und viel zu dünnen Beinen und einem schräg zur Seite hängenden Haarschnitt überholte uns auf einem Skateboard und querte nach links, vorbei an einer alten Dame, die auf einer Bank saß und in einem Plastiksack nach Brotkrümeln für die Tauben fingerte. »Geh scheißen!«, rief er einem anderen Skater zu, der zur Antwort nur seinen Mittelfinger hochzucken ließ.
»Warum hast du mich eigentlich angerufen?«, fragte sie.
Himmel, das hatte ich ihr ja noch gar nicht erklärt. Wieder blieben wir stehen. Ich schilderte ihr geradeheraus meine Geschichte. Von einer Story-Idee über die neue Sprachkrise ausgehend sei mir aufgefallen, dass nicht der Mensch die Krise mache, sondern die Sprache, denn sie sei funktionsuntauglich.
Sie lächelte entzückt.
»Aber was ist mit der Literatur?«, fragte sie, »die funktioniert auch nicht?«
»Das ist eine sehr gute Frage«, sagte ich, »nur eine kaputte Sprache kann überhaupt das Bedürfnis nach Literatur erzeugen. Eine Sprache, die Literatur hervorbringt, kann nicht funktionieren.«
Ich gestikulierte und meine Hände schaufelten durch die Luft, als würden sie Aufräumungsarbeiten durchführen. »Literatur ist Symptom und Beweis, dass die Sprache nicht funktioniert.«
Sie schmunzelte abwartend.
»Ja sicher«, unterstrich ich. Literatur versuche sich am Unbeschreiblichen, schreibe gegen die Grenzen der Sprache an. Literatur sei die Not des Nichtausdrückbaren. Sei die versuchte Behebung dieser Not. Literatur sei Kunstfertigkeit im Umgang mit dem untauglichen Werkzeug, sie sei Folge der Kaputtheit von Sprache. Literatur sei ein Selbstheilungsversuch.
»Danke für diese Frage«, sagte ich, »ich mag es, so direkt verstanden zu werden. Literatur ist eine Erscheinungsform dessen, wovon ich die ganze Zeit rede. Sie ist eine Kunst des Umganges mit dem Nichtfunktionierenden. Ist doch sonnenklar: Wenn jeder problemlos ausdrücken könnte, was er sagen möchte, gäbe es keine Literatur. Wozu auch?«
Sie fand das wohl verrückt, aber ihr Lächeln war nicht ganz dasselbe, wie wenn ich Witze machte. Sie fand das irgendwie erstaunlich.
»Hätten wir eine funktionierende Sprache, würde sie das Bedürfnis nach Sprache löschen«, setzte ich nach. »Funktionierende Sprache würde Kommunikation beenden, sie würde Kommunikation erfolgreich abschließen und ihre Wiederholung überflüssig machen. Funktionierende Sprache würde sich selbst überflüssig machen. Sie würde etwas sagen, damit es gesagt ist und also nicht mehr gesagt werden muss.« Ich hielt inne, achtete auf ihre Reaktion, aber sie hörte nur zu. »Ursprünglich sollte Sprache ein Gegenmittel sein«, redete ich weiter, »ein Mittel gegen Unklarheiten. Und wenn die Unklarheiten beseitigt sind, wird sie überflüssig. Sie macht sich selbst obsolet wie eine Hilfsorganisation im Krisengebiet, die mit vollem Einsatz und größtmöglicher Kompetenz und Professionalität daran arbeitet, sich überflüssig zu machen. Die sich in höchste Gefahr begibt, nur, um sich obsolet zu machen. Die Sprache, ich meine, eine echte, funktionierende Sprache, wäre da, um das Sprachbedürfnis zu löschen. Aber weil unsere Sprache nicht funktioniert, muss