Schwarzwaldjunge - Weltenbummler. Gerhard Moser
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Da ich nun keinem mehr Rechenschaft abgeben musste, lebte ich frei und ungebunden. Mein Tag war durch die Ausbildung strukturiert. Entweder hatten wir morgens Dienst auf der Station und nachmittags Unterricht, oder umgekehrt. Zwei halbe Tage pro Woche und jedes zweite Wochenende hatten wir frei. Die meisten meiner Mitschüler mussten diese Zeit nutzen, um zu lernen. Ich kam direkt von der Schule und hatte somit keine Schwierigkeiten, meine Hefte gleich im Unterricht korrekt zu führen. Das Gelernte hatte ich schnell verinnerlicht. Nach einem Jahr machte ich das Examen und auch das Anerkennungsjahr war schnell vorbei. In dem kleinen Dachzimmer mit 8 qm Wohnfläche und Dachschräge fühlte ich mich sehr wohl. Im neu eröffneten Alten- und Pflegeheim bekam ich die Stelle einer stellvertretenden Stationsleitung und im Personalheim ein großes Appartement. Zwei Leute teilten sich Küche und Bad und jeder bewohnte ein großes Zimmer. Nun fühlte ich mich wie in einem Palast.
Der erste Kontakt zu einem Mann
Beim Spaziergang im Stadtpark lernte ich Mani kennen. Er drehte sich nach mir um und zwinkerte mir zu. Mein Herz begann zu rasen. Sollte es tatsächlich noch mehr Jungs geben, die sich nach anderen Jungen umdrehten? Ich lächelte zurück und wir kamen ins Gespräch. Tatsächlich kannten wir uns aus dem Schulbus, mit dem ich täglich zur Schule in die Stadt gefahren war. Mani kam aus dem Nachbarort und fuhr damals oft im gleichen Bus. Wir gingen in ein nahes Café und unterhielten uns lange. Für den nächsten Tag verabredeten wir uns in meiner Wohnung. Da ich wusste, dass mein Mitbewohner Spätschicht hatte, trafen wir uns gegen 15 Uhr. Es folgte eine aufregende Zeit, in welcher ich Dinge erlebte, die ich mir nie erträumt hätte. Sex mit einem anderen Jungen, bisher ein Tabuthema, wurde in dieser Zeit für mich zu einer normalen und sehr aufregenden Sache, die mein Leben bereicherte. Mit Spannung erwartete ich jedes Mal Manis Besuch. Obwohl er nur ein Jahr älter war, wusste er viel mehr über die körperliche Liebe. So ging es fast ein halbes Jahr. Dann lebten wir uns auseinander. Da ich in verschiedenen Bibel- und Glaubensgruppen aktiv tätig war, hatte ich neben dem Beruf viel zu tun und kaum mehr Zeit, mich mit Mani zu treffen. Er zog dann ohnedies nach Mannheim.
Meinen ersten Urlaub im Pflegeheim nutzte ich dazu, durch das badische Land zu trampen. Es war toll, einfach per Anhalter durch die Gegend zu fahren, in Jugendherbergen oder einfach bei Bekannten zu übernachten. Die zwei Wochen gingen viel zu schnell vorbei. Da es damals noch keine Handys gab, war eine vorherige Verabredung kaum möglich. Die Menschen waren, so scheint es mir heute, dadurch viel flexibler. Zu Hause hatte ich von meiner Reise nichts erzählt, da meine Eltern es mir bestimmt untersagt hätten. Erst später erzählte ich ihnen, was ich in den zwei Wochen alles erlebt hatte. Sie waren zunächst schockiert, gewöhnten sich aber daran, dass ich jetzt auf eigenen Beinen stand.
Glaube, Hoffnung, Liebe…
Durch die verschiedenen Glaubensgruppen kam ich viel herum. So war ich einen Abend bei einer Zeltmission am Kaiserstuhl. Dort wurde ich von einem mir bekannten Missionar aufgefordert, aus meinem Leben mit Gott zu erzählen. Spontan sagte ich zu und redete ohne Vorbereitung fast eine halbe Stunde vor über 1.000 Menschen. Was und worüber ich sprach, weiß ich nicht mehr. Die Menschen waren begeistert.
Im nächsten Urlaub lebte ich zwei Wochen in einer Kommune der (damals sehr bekannten) Jesus People. Eine tolle Erfahrung. Bei ihnen lernte ich die „Taufe des Heiligen Geistes“ kennen. Jahre später wurde mir klar, dass dies nur eine Form der Selbstsuggestion war. Vielleicht war es auch mit einer Selbsthypnose zu vergleichen. Für mich in jedem Fall eine positive und stärkende Erfahrung, die ich in keiner Weise schlecht reden möchte. Ich ging mit ihnen in den verschiedenen Kleinstädten des Schwarzwaldes auf die Märkte. Wir sangen, predigten und verteilten christliche Traktate. Nach den zwei Wochen war mir klar, dass dies nicht meiner Vorstellung von christlichem Leben entsprach.
Auf einem der Treffen lernte ich die Gen Bewegung, eine Jugendbewegung der Fokolare kennen. Sie begeisterten mich direkt und ich fing an, mich in deren Jugendarbeit zu engagieren. Ab da war ich noch mehr unterwegs. Oft fuhr ich mit der Bahn viele Kilometer, um am Abend ein Jugendtreffen mitzugestalten, mit Jugendlichen über die Bibel und deren praktischer Umsetzung im Alltag zu diskutieren, oder einfach mit ihnen zu singen und zu beten.
Die Fokolare Bewegung gründete sich in den Kriegsjahren, 1943 in Trient. Ihre Gründerin, Chiara Lubich, erlebte in den Bunkern, wie belebend das Evangelium für sie und ihre Glaubensgeschwister war. Daraus entstand eine der führenden, christlichen Aufbruchsbewegungen des 20. Jahrhunderts mit heute weltweit mehr als 140.000 Mitgliedern in mehr als 180 Ländern.
Für mich waren es sehr lebhafte, interessante Jahre. Schon während der Ausbildung zum Altenpfleger war ich viel unterwegs. Alleine in Rom war ich in den folgenden zehn Jahren 16 Mal. Meist zu internationalen Jugendtreffen der Gen Bewegung. Jugendliche aus 80 Ländern trafen sich im Zentrum der Fokolare Bewegung, diskutierten, tauschten sich aus und hörten Vorträge. Mittwochs hatten wir dann oft auch Termin zur Papstaudienz. So habe ich fast alle Päpste erlebt, die zu meiner Lebenszeit an der „Macht“ waren.
Es begann mit Paul VI, der bis 1978 die katholische Kirche führte. Ihn konnte ich mehrfach erleben. So erlebte ich 1975 auch die Öffnung der Heiligen Pforte am Petersdom in Rom. Ein tiefgreifendes Erlebnis. Damals begleitete ich als Jugendleiter einen Sonderzug mit über 500 Mädchen und Jungen aus ganz Deutschland. Untergebracht waren wir in Klöstern und Jugendherbergen. Rom quoll über von Touristen. Die Stimmung im ganzen Zug war unvorstellbar. Überall wurden Lieder gesungen, begleitet von unzähligen Gitarren. Im Zug waren nur Gruppen aus der Fokolare und Gen Bewegung. Viele kannte ich persönlich, was dazu führte, dass ich die 18 Stunden bis Rom kaum zum Schlafen kam.
1978 folgte der sogenannte 33-Tage-Papst, Johannes Paul I.
Auch ihn konnte ich sehen, da genau in diesen Tagen ein internationales Jugendtreffen mit Papstaudienz stattfand. Als ich dann in Heidelberg zurück war und ein Patient mir in der Frühschicht erzählte, dass der Papst tot sei, konnte ich ihm erklären, dass doch längst ein Neuer an der Regierung sei.
„Nein, der neue Papst ist gestern Nacht gestorben.“ Da war ich tief betroffen, da ich ihn nur wenige Tage zuvor fit und voller Elan erlebt hatte. Es kamen Zweifel in mir auf, ob da vielleicht etwas schiefgelaufen war. Er hatte so viele Ideen und plante Änderungen, die ihm wichtig erschienen. War es der Kurie zu viel moderne Kirche? Schließlich wurden andere Päpste vor ihm bereits auf diese Art und Weise „abgesetzt“.
Mehrfach konnte ich danach Johannes Paul II. sehen und hören. Leider hat er in seiner langen Amtszeit nicht das bewegt, was ihm möglich gewesen wäre. Benedikt XVI konnte ich – mehr zufällig – zweimal in Köln sehen, als er zum Weltjugendtag kam. Er wurde gefeiert wie ein Star. Das Ufer des Rheins war voll mit jungen Leuten, die zum Teil bis zur Hüfte im Wasser standen, nur um das Schiff zu sehen, auf welchem er vorbeifuhr. Ein zweites Mal stand ich am Straßenrand und ärgerte mich, dass ich die Straße trotz grüner Ampel nicht überqueren durfte. Ein Polizist stand mit Motorrad da und sperrte ab.
„Der Papst kommt…“, ging ein Raunen durch die wartende Menge. Und tatsächlich kam ein dunkler Mercedes mit herabgelassener