Herbst in Nordkorea. Rudolf Bussmann

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Herbst in Nordkorea - Rudolf Bussmann

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mit der Publikation des Buches Corea, the Hermit Nation von William Elliot Griffis 1882 setzte sich im Westen die Vorstellung von Korea als Einsiedlernation fest.4

      Unterstützung von außen wurde Korea auch während der japanischen Kolonialisierung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum zuteil. Die koreanischen Widerstandskämpfer waren weitgehend auf sich gestellt; die junge Volksrepublik China griff in den Koreakrieg offiziell erst 1951 ein, als sie ihren Einfluss im Norden Koreas bedroht sah. Die Erkenntnis, sich nur selbst helfen zu können, prägte das Staatsverständnis Nordkoreas von Anfang an. Revolutionsführer Kim Il-sung lehnte sich wirtschaftlich und politisch zwar an den Ostblock an, steuerte aber einen von China und der UdSSR unabhängigen Kurs. Unmittelbar nach der Befreiung von der japanischen Besetzung und noch einmal Mitte der fünfziger Jahre schloss er die prochinesischen und die prosowjetischen Fraktionen in den Führungsgremien aus der Partei der Arbeit Koreas aus und ließ ihre Mitglieder hinrichten. Seine Chuch’e-Ideologie, auf die noch zurückzukommen sein wird (ausgesprochen dschudsche), sah vor, das Land aus eigener Kraft zu entwickeln, es mit einer starken Armee kampfbereit zu halten und es hinter einer Führerpersönlichkeit zu vereinen. Von diesen Prinzipien ist die Demokratische Volksrepublik Korea seither nicht abgerückt.

      Im hinteren Teil des Restaurants in Rajin ist für uns ein kleiner Saal reserviert, in dem ein gedeckter Tisch steht. Der Blick fällt im Vorbeigehen in die Küche und in andere Räume, teils leer, teils mit chinesischen Touristen besetzt. Die Gruppen speisen voneinander und von den nordkoreanischen Gästen getrennt. Kaum haben wir uns gesetzt, werden die ersten Schalen hingestellt, eine Pilzsuppe, Maisnudeln, Kimch’i, Fisch. Auf einmal wird es ruhig im Raum, der Fernseher ist ausgefallen. Erst da bemerken wir, dass er gelaufen ist. Wir starren auf den leeren Monitor. Kurz darauf fällt das Licht aus. Eine Strompanne. Die Kellnerinnen, drei junge Frauen, stellen die Schüsseln auf der Anrichte ab und kommen mit Kerzen und Öllampen herbei, die sie im abgedunkelten Raum auf dem Tisch, in Nischen und auf den Fenstersimsen verteilen. Die Beleuchtung hat so rasch und routiniert gewechselt, dass man meinen könnte, es handle sich um eine geplante Aktion zur Unterhaltung der Gäste. Die Panne wird als vollkommen selbstverständlich hingenommen, niemand hält sich darüber auf. Man bemerkt kaum, dass die Deckenbeleuchtung, die wieder aufgeflackert ist, aufs Neue ausfällt. Das elektrische Licht ist nichts mehr weiter als eine Untermalung des Kerzenscheins und der Öllampen.

      Die Maisnudeln sind dünn und zart, sehr fein im Geschmack. Alle essen mit Appetit, nur der Fahrer rührt sie nicht an. Er hat die Schale weggestellt und bestellt Reis. Am Mittag Maisnudeln zu essen, sei für ihn nicht gut, sagt er. Hat er Verdauungsprobleme? Nein. Es habe nichts mit seinem Magen zu tun. Am Abend esse er Maisnudeln wie jedermann. Aber am Mittag … er wolle das Schicksal nicht herausfordern. Wir schauen ihn erstaunt an.

      Herr Kang reagiert als Erster, er wendet sich an uns. »Unser Genosse«, sagt er, »hat eben schlechte Erfahrungen gemacht. Er isst besser Reis.« Herr Lee nickt. Sein Nicken ist so bestimmt, dass sich weitere Fragen verbieten. Vermutlich wissen er und Herr Kang auch nicht mehr über das Geheimnis der Maisnudeln. Aber sie haben begriffen, dass der Fahrer ein Tabu mit sich herumträgt, das es zu respektieren gilt.

      Wir werden gerade Zeugen davon, wie sie mit dem Einfall des Unsagbaren, das dem rationalen Verstand als Aberglaube erscheint, umgehen. Sie behandeln ihn wie einen Stromausfall, sie nehmen ihn zur Kenntnis und sprechen nicht darüber. Er wird in den Alltag integriert. Reis statt Maisnudeln. Der Fahrer gerät bei seinen Kollegen, die sich alle als Genosse anreden, nicht unter Verdacht. Er hätte die Schüssel auch stillschweigend übergehen können. Dass er das Tabu in unserer Gegenwart auf den Tisch gebracht hat, ist auch ein Vertrauensbeweis den Fremden gegenüber.

      Von diesem Moment an ändert sich das Bild, das ich von den drei Männern habe. Sie sind nicht nur Reiseleiter, Aufpasser und Bewacher, sondern auch Teil eines Volkes, dessen spirituelle Wurzeln weiter zurückreichen als Konfuzianismus und Buddhismus, ja weiter zurück als die Idee von Korea – in eine Zeit, wo die Menschen ihre Geschicke von Naturgöttern und verstorbenen Seelen bestimmt wussten. Diese Wurzeln beeinflussen den Alltag noch immer; sie behalten, Kim hin, Partei her, ihre Wirksamkeit. Auch in der verbreiteten Praxis, sich die Zukunft lesen zu lassen, halten sich Spuren eines schamanischen Glaubens, ebenso in der Verehrung der Toten, die, wie wir von Geflüchteten wissen, in den Familien weitherum gepflegt wird.

      Der zufällige Einblick in einen Winkel der koreanischen Seele, den die stehen gelassenen Maisnudeln erlaubt haben, ist für mich überraschender als für Yu-mi. Sie kennt Ähnliches aus ihrer südkoreanischen Heimat. Unversehens sitze ich mit vier Koreanern am Tisch, Vertretern eines Volks, dessen lange, wechselvolle Geschichte die bis jetzt siebzigjährige Trennung in zwei feindliche Staaten als Episode erscheinen lässt.

      _______________

      3Einen Überblick über die Zone von Rasŏn gibt Rüdiger Frank in Nordkorea, S. 235–239, 402–406.

      4Zur Selbstisolation Nordkoreas vgl. Rüdiger Frank, Nordkorea, S. 27–36.

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