Die Rose im Staub. Sarah Skitschak

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Rose im Staub - Sarah Skitschak страница 18

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Rose im Staub - Sarah Skitschak

Скачать книгу

ihr wahrzunehmen vermochte, dass ich sogar die einzelnen Noten von Kräutern, von schwitzenden Pferden und getrockneten Wüstenrosen in mir aufnehmen konnte. Durch die fehlende Distanz waren Einblicke von außen kaum möglich.

      »Zwei Kellen«, las ich den nicht vorhandenen Pass, als steuerte eine fremde Macht meine Lippen. »Signatur des Senators Rhodon. Siegel. Stempel. Alles in Ordnung.«

      Die Augen der Frau weiteten sich auf die Größe von Wagenrädern, als sie die laut verlesenen Worte vernahm und die Intention des Theaters bei sich verstand. Sie schien den Mund zu einer Antwort zu öffnen, löste die Hand von ihrem Waffengürtel und schloss letztlich die Lippen, ohne je eine Erwiderung gegeben zu haben.

      Ich blinzelte.

      Sie nickte.

      Dann nahm sie weiterhin wortlos den Wasserschlauch entgegen und stahl sich an mir vorbei in Richtung des Brunnens. Als mein Blick abermals durch die Massen auf dem Marktplatz ging … entdeckte ich drei weitere Männer in Kutten. Drei Männer, die das Spektakel sehr genau verfolgten.

      Ein echter Hüne.

      Zwei kleinere neben ihm.

      Auch Wasserdiebe, dachte ich noch.

      Und gleich darauf …

      Schockschwerenot, was habe ich gerade getan?

Image

      Kapitel 4

      Nakhara

      Land der Namenlosen

      Die Nachmittagssonne entsandte ihre flirrende Hitze über die Dünen und verwandelte die Hänge am Horizont in schunkelnde Sandgiganten, deren Abbilder sich im Takt der Wärmewellen bewegten. Wie Kinder der Weite jagten sich die Sandwirbel über das Blau des Firmaments, lösten den oberen Schopf der Steppenberge und trugen die Dünenkronen sanft mit dem Wind. Mit wilden Pinselbewegungen zeichnete die Luftströmung Silhouetten von Staubfiguren in die Höhe und verwarf sie mit einem einzigen Atemzug wieder. Die Böen verwehten die tanzenden Wirbel in Schweigen. Eine allumfassende Stille schien sich über den Ort zwischen den Wüstenwogen zu legen. Als wollten selbst die singenden Sandwesen über meinen Aufenthaltsort schweigen – als wollten sie das Geheimnis meiner Oase bewahren und sich keinerlei Lieder über den Platz ersinnen, den ich seit frühester Jugend zu meinem Eigen erkoren hatte.

      Zum wievielten Male mich jene Dünen wohl sahen?

      Ob sie mich so manches Mal ebenfalls schmerzlich vermissten?

      In Kindertagen war mir die Steppensenke zwischen den Versandungen des Ostens immer ein Anlaufpunkt gewesen, hatte mich selbst über den Tod meiner Eltern in tröstender Sicherheit gewogen und mir stets eine Heimat jenseits des Nomadenlagers geboten. Obgleich die Dünen selbst als Nomadenvolk fortdauerten und wie mein Stamm über die Jahre weiterwanderten, so war mir bei der Rückkehr an ebendieses Fleckchen stets ein Platz unter dem großen Felsen zu meiner Rechten geblieben.

      Da sollte man meinen, einem Kind der Wüste seien keine Lieblingsorte vergönnt, pah!

      So saß ich nun.

      Ich saß auf den Knien; die Hände in der höheren Sandschicht begraben.

      Saß wortlos dort, lauschte den Winden und genoss es, den festeren Grund unter den losen Schichten zu fühlen.

      Das rote Gestein zu meiner Seite trotzte wie jeher den Partikeln der Weite, warf seinen kühlenden Schatten auf meinen Körper und bewahrte mich vor den erbarmungslosen Fängen der Sonne. Wie ein schützendes Dach schwebte der größte Felsbrocken über mir und klammerte sich doch untrennbar an die Säule des Muttersteins, als könnte ihn kein Sandsturm der Jahrtausende jemals aus seiner Position lösen. Beinahe wollte ich an göttliche Fügung glauben, dass mir ein nahezu geheimer Hort wie ebendieser zuteil geworden war.

      Für mich blieb es mehr als ein Versprechen auf echten Schatten.

      Es war mein Reich. Mein Ort. Mein ganz eigenes Stück Steppe.

      Allein die Präsenz dieses Ortes ließ mich zur Ruhe kommen, schlang sich wie eine behütende Decke um meinen Körper und beruhigte meinen Herzschlag auf ein erträgliches Maß. Nach den Ereignissen des Wasserdiebstahls in Gwerdhyll hatte ich nicht mehr daran geglaubt, der Muskel würde je wieder einen normalen Rhythmus einschlagen können … oder zumindest ein anderes Tempo als den Jagdgalopp kennen. Zwar verfolgte mich das Trauma des Unfalls nicht mehr, doch blieb die vermeintliche Erlösung von den Gedankenbildern bloß ein Teil der Verdrängung. Eine Verdrängung durch andere Erlebnisse, die meinen Geist erschüttert hatten.

      Dieser Mann …

      Der Soldat aus Gwerdhyll.

      Das Bildnis eines Städtersoldaten bohrte sich förmlich in meinen Schädel, ließ jegliches Unfallgeschehen auf das Maß einer Nichtigkeit schrumpfen und nahm den Hauptteil meiner Gedankenwelt ein.

      Er hat mich nicht getötet.

      Er …

      Das Antlitz des Kriegers eroberte wahrlich meine gesamte Aufmerksamkeitsspanne und war nur schwerlich aus meiner Vorstellung zu tilgen, als hätte sich der Mann mit seiner unerwarteten Handlung in meinen Fantasien festgefressen. Ja, als hätte seine gänzlich unangemeldete Gnade meine Welt in ihren ureigenen Grundfesten erschüttert und mein Bild von Städtern wie Soldaten infrage gestellt, sah ich doch für gewöhnlich die Völkermörder hinter den Mauern in ihnen. Noch immer fiel es mir schwer zu glauben, was auf dem Marktplatz von Gwerdhyll geschah.

      Ich war als Wasserdiebin in die Stadt gekommen. Den Schlauch in der Hand. Die Kumpane im Nacken. Jharrn und die anderen am Rande des Platzes.

      Der Wassermeister hatte mich auf meinen ausdrücklichen Wunsch den heiligen Akt des Diebstahls durchführen lassen, sodass ich mit Mut im Herzen an den Brunnen herantrat … bloß, um sogleich von besagtem Städtersoldaten nach meinem Wasserpass gefragt zu werden. Zunächst war ich den Impulsen der Panik erlegen und hatte die Hand an den Dolch gelegt, mich letztlich jedoch mit dem Tod gut Freund gestellt, um die anderen Wasserdiebe vor den Soldaten zu schützen und meine Familie nicht durch mein Verhalten in Gefahr zu bringen.

      Es musste wohl ebendieser Moment gewesen sein. Der Herzschlag. Die Panik. Der Mut, der sie brach.

      Es musste wohl ebendieser Moment gewesen sein, da das Trauma des Unfalls seine Krallen aus meiner Gedankenwelt riss und auf ewig in den Gassen der Wüstenstadt entschwand. Der Moment, da die Albtraumfänge verblassten.

      Während ich dann aus freien Stücken dem Tod in die Arme gegangen war, ja, meine Furcht vor den Ereignissen ein für alle Male aus meinen Schreckensvorstellungen tilgte, hatten sich die Götter bereits einen anderen Spielplan für mich überlegt und um meinen weiteren Weg gewürfelt. Tatsächlich wollte es wie ein bloßes Würfelspiel mit dem Zufall anmuten, wie sich die Szenerie von diesem Augenblick an entwickelte und ohne mein Zutun ins Gegenteil kehrte, wie sich das Schicksal über meine Entscheidung erhaben zeigte. Statt umgehend durch das Schwert eines Wasserwächters zu sterben, sollte ich von den Göttern begnadigt werden und mein Wasser ohne weitere Konsequenzen aus dem Zentralbrunnen schöpfen dürfen.

      Jharrn hatte gewitzelt, der Soldat habe sich seinem Geist gegenübergesehen. Die anderen hatten gewitzelt, mein Gesicht wäre wohl Abschreckung genug.

      Und

Скачать книгу