Die Rose im Staub. Sarah Skitschak

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Die Rose im Staub - Sarah Skitschak

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Lauf, lauf, lauf!«

      Ich verlor mich im Farbengewirr der Wüste, die sich allmählich zu Sanddünen ohne Untergrund formte und tiefe Furchen unter meinen nahezu leblosen Beinen bildete. Meine Füße paddelten kraftlos über die Fläche, während Krusadh seinen Zug an meinem Nacken verstärkte und mich in den Stand zu ziehen versuchte. Schmerz durchzuckte mein Nervensystem.

      Unter den pulsierenden Empfindungen meines Körpers fühlte ich mich wie gelähmt.

      Noch niemals zuvor hatte ich solch einen starken Schmerz empfunden, niemals zuvor so wehrlos in den Armen eines Stammesmitgliedes gelegen und mich selbst nicht der Situation zu erwehren vermocht. Meine Lungen schienen sich mit purem Feuer zu füllen, als hätte man die Wüstenluft in Brand gesetzt, als hätte die Sonne nun sämtliche Energie in das blaue Band über unseren Köpfen geleitet und eine vernichtende Flammenwand entfacht.

      Ich versuchte, die Hand an meinen Brustkorb zu legen.

      Die Knochen darunter schienen der Berührung zu weichen … einfach nachzugeben … als wären sie nicht existent.

      »Ich glaube, meine Rippen sind gebrochen, Krusadh!«, artikulierte ich mit pfeifender Lunge und geriet im Schock der Erkenntnis in vollkommene Apathie. »Ich kann die Knochen …«

      »Halt dein Maul, verfluchtes Weibsbild, und lauf!«

      Die Hand des Kriegers versetzte mir einen letzten Stoß, sodass ich einige Meter über den Sand stolperte und erneut über eine der Dünen rutschte. Ich stürzte hart auf die betroffene Seite, schlidderte kurz und krümmte mich dann zusammen. Ein unerträgliches Gefühl explodierte in meiner Brust, als wollte es die Bedeutung des Wortes Schmerz für alle Zeit von den Landen tilgen. Als der Atemreflex meine Lungen von innen gegen die Knochen blähte, da reagierte mein Körper gänzlich ohne mein Zutun.

      Ich übergab mich.

      Mein Magen schien sich mehrfach um die eigene Achse zu drehen, um einen Schwall säurehaltiger Flüssigkeit durch meine Kehle zu zwängen und schließlich auf den Wüstenboden zu entlassen. Zwar spürte ich die körpereigenen Prozesse, doch war mir, als sähe ich von außen auf die würgende Wasserdiebin hernieder … als beobachtete ich ihre letzten Momente.

      Ich ahnte: Krusadh hatte mich nicht absichtlich in den Sand gestoßen … Trotz seines Verhaltens – ein solches Unrecht hätte er nicht begangen.

      Als ich meinen Kopf zu den Verfolgern wandte, da sah ich seinen lanzendurchschlagenen Körper im Staub und verfolgte mit Schrecken …

      … wie sich nun eine Walze der Stadtreiter ihren Weg über die Leiche des Kriegers bahnte.

      ***

      »Nakhara! Nakhara, hörst du mich?«

      Jharrns Stimme durchbrach die Schwärze der Bewusstlosigkeit, doch hallte ihr Echo in weiter Ferne. Ein Kribbeln durchlief meine Extremitäten, schwappte in Wellen durch meinen Organismus und drohte, mich in das süße Vergessen des Schlafs zu wiegen. Hitze brannte auf meiner Haut und jagte Schweißperlen über meine Stirn, wo sich die salzige Flüssigkeit mit geronnenen Blutkrusten vereinte. Der Gestank des Todes umwaberte mein Bewusstsein.

      Es roch nach vergehenden Leibern unter der Sonne, nach Schweiß, nach Angst, nach Verzweiflung … nach Blut, noch mehr Blut und blanken Gedärmen.

      Ob ich am Leben war? Ob ich tot war?

      Ich vermochte nicht, es zu sagen.

      »Nakhara …«

      »Wo bin ich?«

      »Nakhara …?«

      Das Gesicht des Wassermeisters schwebte über meinen flatternden Lidern. Auf seiner Stirn spiegelten sich Besorgnis und Schmerz, als er meine Wange mit blutbesudelten Händen berührte, als er mich tätschelte, als wollte er mich aus einem tiefen Schlaf erwecken. Jede Berührung brannte wie glühendes Eisen auf meiner Haut, während meine Lungen unter kläglichen Pfeifgeräuschen nach Atemluft bettelten.

      »Ich kann nicht …«

      … atmen. Ich kann nicht mehr atmen!

      Ich suchte den Blick in den Augen der vertrauten Person, wollte einen Halt in meinen Qualen finden … und entdeckte bloß eine entstellte Fratze, die dem Wassermeister so gar nicht mehr ähnlich sah. Linksseitig blätterte die Wange wie eingerolltes Pergament von baren Knochen, legte das Jochbein den Wüstenwinden offen und baumelte blutend an wenigen Gewebestrukturen. Anstatt eines Augapfels blieb eine fleischige Höhle, in der einmal der blassgrüne Blick der Weiten gewohnt hatte.

      Jharrn beugte sich zu mir.

      Ich sah ihn, sah sein entstelltes Antlitz.

      Dann erlag ich den übermächtigen Fängen der Ohnmacht.

      Rosen und Wüstensand

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      Kapitel 1

      Einige Wochen später …

      Daegon

      Stadt der Legenden

      Wie Nebel entstieg der Rauch der schwelenden Kräuter dem Räuchergefäß, das in den Händen der Hohepriesterin zum Altar getragen wurde. Das Kupferrot ihrer krausen Lockenfrisur leuchtete als letzter Orientierungspunkt durch die Dämpfe, während die Tempelhallen in wabernden Wolken versanken und mit ihren Säulenschatten die Silhouetten der Beipriesterinnen verschluckten. Nur selten linste eine weiße Leinengewandung durch die Luftverwirbelungen. Größtenteils hatte sich eine dichte Wand der Stille in den heiligen Räumen niedergeschlagen.

      Ich blinzelte die Tränenflüssigkeit aus meinen Augenwinkeln, als könne ich auf diese Weise die Entstehung einer verquollenen Maske verhindern und dem Spott durch die anderen Soldaten entgehen. Dennoch erfüllte die Räucherzeremonie wie eh ihren Zweck und trieb Salzperlen über die Gesichter der Betenden, die sich der Reaktion ihrer Körper ja doch nicht zu erwehren vermochten. Obgleich ich im Stillen nicht beten wollte oder Götter auf Altären und Tempelkonstruktionen zu finden glaubte, so zeigte mein eigener Körper die Geste der Demut.

      Meine Wangen schwollen an. Meine Brust füllte sich mit brennender Luft. Und die Tränen … sie rannen unaufhaltsam über meine geröteten Züge.

      Ich unterdrückte den aufkeimenden Hustenreiz in meinem Rachen, verlagerte den Schwerpunkt auf das andere Bein und bemühte mich um einen ruhigeren Atemrhythmus. Neben mir, vor mir, um mich herum kämpften gut tausend weitere Seelen mit ein und denselben Symptomen, schienen jedoch weniger unfreiwillig auf ihren Plätzen zu stehen und starrten gebannt in die Nebelwände hinein. Wie Besessene hielten sie die Stille ihrer Gebete, schunkelten sanft im Takt eines nicht vorhandenen Liedes und öffneten ihre Herzen für die Zeremonie. Die Handflächen zeigten zur Tempeldecke, als erwarteten die Betenden den einen, den ersehnten Regenschauer, der ihnen von gütigen Gottheiten geschenkt werden sollte.

      Ich hatte in meinem noch jungen Leben schon vielen

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