Perry Rhodan Neo 225: Der neue Imperator. Susan Schwartz
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Nun stand die Vergangenheit lebendig vor ihnen, in Form eines Duplikats, das glaubte, an der Stelle weitermachen zu können, wo das Original vor zehntausend Jahren aufgehört hatte.
»Ich bevorzuge Atlan«, sagte der Angesprochene ruhig.
»Unsinn, du bist mein Sohn Mascaren.«
»Das habe ich nicht abgestritten. Sondern darüber gesprochen, was ich bevorzuge.«
Und was respektiert werden sollte, dachte Mirona wütend. Sie entschied, eine aufrechte Haltung und einen hochmütigen Ausdruck zu zeigen. Weil sie Atlan keine Stolpersteine in den Weg werfen wollte, der sich ohnehin in einer schwierigen Lage befand, hielt sie den Mund. Aber sie konnte ihre Missbilligung auch anders zum Ausdruck bringen. Sie wusste, dass Mascudar das nicht entging. Er beharrte auf patriarchalischen Strukturen, in denen Frauen zwar Rudergängerinnen oder Flottenkommandantinnen werden konnten, aber am Ende vor ihm zu kuschen hatten. Noch dazu, wenn sie wie Mirona keine Arkonidinnen waren. Mirona war eine Bras'cooii, was eine neutrale Bezeichnung für Nichtarkoniden sein sollte, aber seit jeher einen negativen Beigeschmack hatte. Dass sie Herrscherin einer Galaxis war, kümmerte Mascudar nicht. Er ignorierte sie einfach, konzentrierte sich nur auf seinen Sohn.
Warum? Warum jetzt?
Sollte das Atlan nicht misstrauisch machen? Aber nein, er ... er freute sich, seinen Erzeuger leibhaftig vor sich zu sehen, ihm noch einmal zu begegnen und ihm zeigen zu können, dass er nicht der Versager war, als der er damals immer betitelt worden war. Mascudar freute sich erstaunlicherweise ebenso, seinen Sohn wiederzuhaben.
So viele Widersprüche, so viele Emotionen, die nicht zusammenpassten. Mirona versuchte zu verstehen, was zwischen den beiden Männern vor sich ging.
Sie konnte es nicht. Was Atlan als Kind und junger Erwachsener durchgemacht hatte, war bei ihr nie der Fall gewesen. Ihr Vater hatte sie respektiert, sie hatte mit ihm zusammengearbeitet. Er war stolz auf sie gewesen und hatte sie gefördert. Für lange Zeit war ihre Familie eine Gemeinschaft gewesen; der Bruch war erst mit der Aufgabe der Heimat und der Flucht nach Andromeda gekommen. Mirona hatte während des Heranwachsens nie um Anerkennung ringen müssen – und sie konnte sich nur wundern, weshalb Atlan, den sie als intelligent, selbstbewusst, falls erforderlich auch durchaus als hart und unnachgiebig kannte, seine Jugendtraumata offensichtlich auch nach zehntausend Jahren noch immer nicht bewältigt hatte.
Sie wusste, sie musste sehr vorsichtig in allen Äußerungen sein, die sie Atlan gegenüber machte, damit sie ihn nicht verlor.
Es gab nicht viel, was Faktor I fürchtete. Da war zum einen das zunehmende Versagen des Zellaktivators, der vordringlichste Anlass, der sie und Atlan in die Milchstraße zurückgeführt hatte. Und zum anderen ... nein, kein und, ihr fiel nichts ein. Nichts sonst fürchtete sie. Sie konnte alles bewältigen, alles bekämpfen, und sie würde am Ende siegen, wie sie es immer getan hatte.
Doch sich zwischen Vater und Sohn zu stellen, konnte zu ihrer ersten Niederlage führen – und zu einer Katastrophe. Die gleich zwei gewaltige Sternenreiche in den Untergang reißen mochte.
Mirona war sicher, dass ihr Gefährte die Situation derzeit nicht überblickte, weil er zu sehr in Emotionen gefangen war und sich längst nicht von dem verheerenden Einfluss seines Vaters befreit hatte. Sie war also auf sich gestellt.
Als Mascudars Blick sie zufällig streifte, reckte sie den Kopf noch höher. Sollte er es ruhig als Kampfansage auffassen. Sie würde sich nicht so verhalten, wie der alte Imperator es erwartete. So alt er auch sein mochte – sie war noch älter. Ihr Reich noch größer. Ihre Regierungszeit noch länger.
Je näher sie mit ihrer zweihundert Einheiten starken Raumflotte dem Arkonsystem kamen, desto mehr wunderte sich Mirona Thetin, weshalb man im Kristallpalast nicht reagierte. Keine Abfangeinheiten, keine hereinprasselnden Funksprüche – nichts. Was ging da vor sich? Man konnte auf Arkon schließlich nicht wissen, wer sich an Bord des terranischen Raumers MAGELLAN aufhielt. Dass es Perry Rhodan sei, konnten sie nicht annehmen, der hätte sich längst angemeldet. Vor allem musste man sich auf der Kristallwelt doch fragen, wieso zweihundert arkonidische Raumer den Terraner begleiteten.
Mascudar da Gonozal musste irgendwie dafür gesorgt haben, dass man bereits Bescheid wusste, wer genau da kam. Oder war das Atlan gewesen?
Der Altimperator war weiterhin bester Laune, und Mirona musste zugeben, dass er es verstand, seine Leute ebenso zu begeistern. Die Stimmung in der Zentrale war gut. Nicht nur, weil treu ergebene Arkoniden die Kontrollen bedienten, auch Mascudars charismatische Erscheinung, seine Zuversicht lösten das aus. Wenn Mirona nicht selbst eine mächtige Herrscherin gewesen wäre, hätte auch sie sich mitreißen lassen, da brauchte sie sich nichts vorzumachen.
Sie war ihrem Gefährten daher nicht gram, dass er sich ebenfalls anstecken ließ. Atlan war seiner Heimat so lange fern gewesen, verständlicherweise freute er sich, sie wiederzusehen. Und dann noch in Begleitung seines Vaters auf einem Triumphzug. Der Arkonide in ihm brach durch, und das verübelte sie ihm nicht. Das war nun mal seine Mentalität, so wie Mirona immer Liduuri bleiben würde, obwohl sie sich vor mehr als fünfzigtausend Jahren von ihrem Volk losgesagt hatte – und nun die letzte Überlebende war.
Deswegen würde sie erst recht nüchtern und sachlich bleiben und notfalls als Atlans Gewissen agieren. Normalerweise war das die Aufgabe von Atlans Extrasinn, aber auf den war angesichts der Situation sicherlich nicht hundertprozentig Verlass. Sie würde also den zweiten Extrasinn geben. Beobachten, analysieren, mit Fakten aufwarten, wenn sie Atlan davor warnen musste, den falschen Weg zu beschreiten.
Dennoch war sie zu ihrem eigenen Erstaunen von dem Schauspiel amüsiert, sie fand es interessant und gut inszeniert. Mascudar hatte offenbar nichts von seiner einstigen Verve verloren, gleichwohl er nur ein Duplikat war.
Schließlich zeigte sich doch eine Reaktion von Arkon. Eine Flotte kam ihnen entgegen – und reihte sich als weitere Eskorte ein. Eine Botschaft des Kristallpalasts grüßte aus dem Funkempfänger: »Herzlich willkommen in der Heimat.«
Wer mochte das geschickt haben? Mirona ahnte, dass es jemanden am Hof gab, der die Lage sehr genau überschaute. Vielleicht derjenige, der von dem Anflug heimlich informiert worden war?
Was die arkonidischen Intrigenspiele betraf, kannte Faktor I sich nicht aus. Sie hatte das in der Form nie nötig gehabt, weil sie schon immer an der Spitze gestanden hatte. Ihre eigenen Intrigen hatten eine ganz andere Qualität gehabt – andere zu manipulieren, von einer unangefochtenen Position aus.
»Sehr gut!«, rief Mascudar, prüfte den Sitz seiner Uniform, fuhr durch seine Haare, strich den Bart glatt, und stellte sich dann in Positur.
»Offener Funk an alle!«, befahl er. »Kündigt eine Übertragung an, die von jedem an jedem Ort vernommen werden soll. Wartet die Bestätigung aus dem Kristallpalast ab.«
Währenddessen ordneten sich die Raumschiffe, Mascudars Flotte ebenso wie die Eskorte von Arkon, in einer besonderen Formation, die vollständig im Außenbeobachtungsholo der Zentrale gezeigt wurde.
Atlan kam zu Mirona und stellte sich neben sie. »Das ist eine traditionelle Achtungsbezeugung für den Begam«, erläuterte er leise. »So lautet der militärische Titel des Imperators. Es ist eine Ehrenformation.«
»Aber dein Vater ist doch noch gar nicht Imperator«, wandte sie ein.
»Das ist nur eine Formsache«,