Fettnäpfchenführer Island. Marc Herbrechter

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Fettnäpfchenführer Island - Marc Herbrechter Fettnäpfchenführer

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für Gletscher) finden sich dabei kurioserweise oft auf den Gipfeln von Vulkanen. Oben Eis, unten Feuer.

      Der Vatnajökull, der größte Gletscher Islands, macht allein mehr als sieben Prozent der Fläche Islands aus und besteht aus mehr als 3.000 Kubikmetern Eis. Fast einen ganzen Kilometer dick ist die Eiskruste an manchen Stellen. Diese Zahlen können sich übrigens zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie das Buch lesen, verändert haben: Nirgends ist die globale Erderwärmung besser zu beobachten als in Island. Mit dem bloßen Auge kann man an der Gletscherlagune Jökulsárlón das Abschmelzen des Gletschers erkennen, vor allem weil der daraus entstandene See mittlerweile eine Größe angenommen hat, die vor wenigen Jahrzehnten unvorstellbar war.

      Die Kombination aus Gletschern und Vulkanen ist nicht ungefährlich. Oft sind selbst kleine Vulkanausbrüche die Ursache für riesige Gletscherflüsse, die sich ihren Weg ins Tal suchen und dabei gewaltige Eis- und Gesteinsbrocken mit sich reißen. Vor allem an der Südküste besteht dadurch ständig die Gefahr von erheblichen Schäden an den Siedlungen und Straßen der Region.

      Die Gletscher sind außerdem wie eine Zeitkapsel: Sie geben Wissenschaftlern Aufschluss über das historische Weltklima, über vergangene Vulkanausbrüche und vieles mehr. Vor einigen Jahren musste der Wasserfall Glymur, den man bis dahin für den höchsten des Landes gehalten hatte, sich hinter dem Wasserfall Morsárfoss anstellen. Dieser versteckt sich im Vatnajökull-Gletscher und wird mindestens dreißig Meter höher geschätzt als sein kleiner Bekannter im Westen. Die oberen Meter des Wasserfalls befinden sich immer noch unter einer Eiskappe.

      Wo Island nicht mit Gletschern bedeckt ist, reihen sich im Grunde Lavafelder aneinander. Das größte befindet sich an der Südküste direkt hinter Vík und hört auf den Namen Eldhraun (raun ist isländisch für Lavafeld). Dieses über 550 Quadratkilometer große Feld ist überzogen mit grünem Moos und besonders im Sommer ein toller Anblick. Es gilt allerdings: ansehen, nicht anfassen. Das Moos benötigt Jahrzehnte, um zu wachsen. Jeder Fußabdruck stört die empfindlichen Pflanzen und kann für Jahre sichtbar bleiben. Gehen Sie also nicht auf eigene Faust los, sondern halten Sie sich an ausgewiesene Pfade oder suchen Sie sich einen Guide.

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       REYKJAVÍKS RABENELTERN

       MAX RETTET FRIERENDE BABYS

      An seinem ersten freien Tag hat Max viele Pläne. Einer davon ist, so lange zu schlafen, wie es geht. Danach will er die Gegend um die Wohnung herum erkunden, in die Innenstadt laufen und bei all dem möglichst viel mit Einheimischen in Kontakt kommen. Als er gegen neun Uhr aufwacht, ist es draußen noch ein wenig dunkel, aber die Sonne ist definitiv bereits aufgegangen.

      Er macht sich fertig und verlässt das Haus, um in Richtung Hafen zu gehen. Wie er auf der Karte gesehen hat, liegen auf der anderen Seite nur Wohngegenden, und deshalb geht es wie immer nach Norden. Auf dem Weg gibt es eine Apotheke, einen kleinen Bio-Supermarkt und eine grüne Tankstelle. In Island sind vor allem die Tankstellen der Ketten N1 (rot-weiß), Olis (grüngelb) und Orcan (schwarz-rot) weit verbreitet. Bei dem Supermarkt handelt es sich um einen, der keiner Kette angehört und recht hochwertige Produkte anbietet: Zu teuer für Max’ schmales Budget. Max ist nicht sonderlich gut im Haushalten, muss man dazu sagen: Würde er nicht so oft in Cafés sitzen und außerhalb essen gehen, wäre zu Hause auch mehr als Haferbrei und Süßigkeiten drin.

      Vom Supermarkt aus geht er durch die kleinen Seitenstraßen nach Osten in Richtung Innenstadt. Immer wieder biegt er von der einen in die andere Straße ab und schaut sich um: Viele kleine Häuser, meist mit bunten Holzfassaden, reihen sich aneinander. Hier und da ist eine der Fassaden bemalt, manchmal gibt es einen kleinen Garten. Reykjavík wirkt eher wie ein Dorf als eine Stadt. Max kommt aus Berlin, wuchs aber auf dem Land auf und würde die Stadt definitiv nicht als große Stadt, geschweige denn als Großstadt einordnen.

      Nach einer Weile landet Max auf dem Marktplatz, wo einige Kinder Skateboard fahren. Neben ihnen stehen metallene Rohre, aus denen Dampf austritt. Hier beginnt die Downtown von Reykjavík, also die Gegend der Stadt, wo es Restaurants, Bars, Cafés und Geschäfte gibt – die Fußgängerzone quasi. Max geht ein paar Meter und kommt an einem roten Café vorbei, vor dem ein kleines rotes Schild mit der Aufschrift »Go ahead & breast-feed: We like both, babies and boobs!« steht. Max muss grinsen und geht weiter. Dieses Café, das Laundromat, soll noch zu seinem Lieblingsort an freien Tagen werden, und er wird noch viele schöne Nachmittage hier verbringen. Seit Ende 2018 hat das Café allerdings leider geschlossen.

      Max geht weiter in Richtung Osten. Nach einer großen Kreuzung geht es entweder geradeaus die Laugavegur entlang oder nach rechts zur großen Kirche, der Hallgrímskirkja. Die Laugavegur ist die große Einkaufsstraße von Reykjavík und voll mit Geschäften, Restaurants und Cafés. Hier tummeln sich die meisten Touristen. Max geht also nach rechts auf die große Kirche zu. Es geht ein Stück bergauf, und als Max auf der Höhe eines kleinen bunten Hauses ist, macht er eine furchtbare Entdeckung: Vor der orangenen Holzfassade steht ein einsamer Kinderwagen. Darin liegt ein Baby und murmelt etwas vor sich hin. Max hat panische Angst vor Babys, und wenn er um direkten Kontakt nicht herumkommt, fremdelt er mehr als jedes Kleinkind. Aus sicherem Abstand wirft er also einen Blick in den Kinderwagen und sieht, dass der oder die Kleine zwar warm eingepackt ist, aber schon ganz rote Bäckchen hat. Er schaut sich kurz um, kann aber niemanden sehen, der Herrchen oder Frauchen sein könnte. Also dreht er sich zu dem orangefarbenen Gebäude um. Auf einem runden gelben Schild steht in blauer Schrift »Babalu« und darüber in roter Neonschrift »Café«.

      Max schaut noch einmal kurz zum Kinderwagen und geht dann in das kleine Häuschen. Rechts von ihm führt eine blaue Holztreppe nach oben, links geht es in einen kleinen Raum voller Holzbänke und Tische. Nur wenige Menschen sitzen im Café. Max geht nach links und sieht am Ende des Raums eine kleine Theke. Dahinter steht eine junge Isländerin, die ihn freundlich mit Góðan daginn! begrüßt.

      »Da draußen steht ein Kinderwagen!«, sagt Max laut und ohne irgendeine Begrüßungsfloskel.

      Die junge Dame schaut ihn fragend an.

      »Vielleicht sollten wir die Polizei rufen?«, schlägt Max vor.

      Die junge Dame fragt erstaunt: »Warum das denn?«

      Jetzt schaut Max erstaunt. Dann hört er ein Kichern an einem der Tische vorne im Raum. Direkt am Fenster sitzen zwei blonde Frauen und halten sich die Hand vor den Mund. Eine von beiden ruft der jungen Frau am Tresen etwas auf Isländisch zu und wendet sich danach an Max: »Zum ersten Mal in Island?«

       Was ist diesmal schiefgelaufen?

      Die Rabenmütter (und -väter) von Reykjavík sind bekannt dafür, ihre Babys im Kinderwagen vor dem Café abzustellen, um dann Platz zu nehmen und bei einem leckeren Kaffee über das Tagesgeschehen zu sprechen. Nicht nur im Sommer, auch in den kälteren Jahreszeiten kann man dies oft beobachten, und in Island würde auch niemand auf die Idee kommen, nach den Eltern zu suchen: Im Zweifelsfall sitzen die nämlich hinter der nächsten Fensterscheibe und haben ihre Sprösslinge bestens im Blick.

      Island ist eines der kinderfreundlichsten Länder der Welt und erlaubt es, Kinder auf eine ganz andere Art und mit ganz anderen Herangehensweisen großzuziehen. Babys werden schon früh allein im Kinderwagen schlafen gelassen, die meisten Kleinkinder spielen überwiegend unbeaufsichtigt im Freien, und das Wort Helikoptereltern kennt man hier nur aus dem Fernsehen.

      Eltern und Familien werden in Island in besonderer Weise berücksichtigt und in die Gesellschaft integriert:

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